Vegane Ernährung bremst offenbar biologisches Altern – aber lebt man länger? – Gesundheit |ABC-Z
Ärzte erliegen manchmal der Versuchung, den Menschen in seine Bestandteile zu zerlegen. Dann werden Patienten schon mal auf ihre Krankheit reduziert, etwa die notorische „Galle aus Zimmer sieben“. Bei anderen wird der klinische Befund erhoben, dass sie kardiovaskulär „vorgealtert“ seien, während ihr restlicher Körper offenbar altersgemäß seinen Dienst verrichtet. Noch kleinteiliger geht es zu, wenn die Altersbestimmung von Organen oder gar des kompletten Menschen im Labor erfolgt und daraus Unterschiede zwischen dem kalendarischen und dem biologischen Alter abgeleitet werden. Ein Klassiker in dieser Hinsicht ist die Längenmessung der Telomere, wie die Enden der Chromosomen bezeichnet werden. Sie gelten als „Zündschnur des Lebens“ – je kürzer sie sind, desto geringer die verbleibende Lebenserwartung. Soweit zumindest die Theorie.
Ein anderes Verfahren zur Altersbestimmung haben Wissenschaftler der Stanford University in Zusammenarbeit mit der Firma TruDiagnostic gewählt. Im Fachmagazin BMC Medicine zeigt das Team um Christopher Gardner, wie sich die Art der Ernährung auf den Zustand der DNA auswirkt. Vegane Kost verringert demnach das Ausmaß, in dem die DNA methyliert wird. Diese chemische Veränderung des Erbmoleküls gilt als Alterserscheinung und wurde als Marker genutzt. Je geringer die Konzentration an DNA-Methylierung als desto „jünger“ gilt der Organismus – und umgekehrt.
Der Beweis für eine Lebensverlängerung mittels veganer Kost ist mit dieser Studie keineswegs erbracht
Die Forscher wählten einen originellen Ansatz für ihre Untersuchung. Sie rekrutierten 21 eineiige Zwillingspaare für ihren Versuch, von denen der jeweils eine Zwilling für acht Wochen eine gesunde Mischkost mit etwa 200 Gramm Fleisch am Tag, einem Ei und eineinhalb Portionen an Milchprodukten bekam, während sich die jeweils anderen Zwillinge während der knapp zwei Monate vegan ernährten. In den ersten vier Wochen wurde den Probanden das Essen nach diesen Vorgaben zubereitet, in den zweiten vier Wochen kochten sie es nach entsprechender Instruktion selbst.
Diverse Messungen nach vier und acht Wochen ergaben, dass die Methylierung der DNA unter der veganen Diät gedrosselt wurde, während sie im Rahmen der fleischhaltigen Kost leicht anstieg. Zusätzlich wurde die Länge der Telomere bestimmt und auch hier zeigten sich Vorteile für die Veganer, die nach acht Wochen über längere Chromosomenenden verfügten. „Unter gesunden Zwillingen haben wir signifikante Unterschiede in der epigenetischen Alters-Uhr abhängig von der Ernährung beobachtet“, schreiben die Autoren.
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Wer sich aus Überzeugung fleischlos ernährt und diese Befunde nur oberflächlich zur Kenntnis nimmt, wird sich in seinem Lebensstil bestätigt sehen. Auf eine pflanzenbasierte Kost zu setzen und den Fleischkonsum zu reduzieren, gilt anerkanntermaßen als gesund. Der Beweis für eine Lebensverlängerung mittels veganer Kost ist mit dieser Studie jedoch keineswegs erbracht. Dazu war die Studiendauer mit acht Wochen viel zu kurz und die Teilnehmerzahl zu gering. Zudem mögen Methylierungen und Telomerlängen zwar Hinweise auf den zellulären Alterungsprozess erlauben. Solche Laborparameter ersetzen jedoch keine klinischen Befunde und den ganzheitlichen Blick auf den alternden Menschen mit all seinen Facetten.
Die Autoren warnen selbst davor, ihre Ergebnisse zu verallgemeinern, immerhin hätten die sich acht Wochen vegan ernährenden Teilnehmer während der Studiendauer auch zwei Kilogramm mehr abgenommen als jene, die gesunde Mischkost zu sich nahmen. Ein solcher Gewichtsverlust könne sich ebenfalls auf die Rate der DNA-Methylierung auswirken; auch deshalb „müssten die Langzeiteffekte noch gründlich untersucht werden“.
In einschlägigen Empfehlungen von Fachgesellschaften und Ernährungsexperten wird zwar dazu geraten, viel Obst, Gemüse, Nüsse und Öle zu sich zu nehmen und wenig Fleisch zu essen. Der komplette Verzicht auf Huhn, Fisch und Fleisch gilt jedoch weder als gesund noch als lebensverlängernd. Zudem geht damit einher, dass etwa Vitamin B12 künstlich zugesetzt werden muss. In den Rankings der gesündesten Diäten schneidet die vegane Kost deshalb zwar meistens gut, aber nie auf den Spitzenplätzen ab.