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Ukraine: Selenskyjs großer politischer Fehler | ABC-Z

Die Mehrheit im ukrainischen Parlament und Präsident Wolodymyr Selenskyj haben ihrem Land einen schlechten Dienst erwiesen, als sie im Eilverfahren die Unabhängigkeit der zwei wichtigsten Antikorruptionsorgane des Landes beschnitten haben. Beide Institutionen sind Errungenschaften der „Revolution der Würde“ 2014. Ihre Gründung war von Reformkräften in der Politik und Gesellschaft mit Unterstützung aus der EU und den Vereinigten Staaten gegen heftige Widerstände durchgesetzt worden. Und ihre Arbeit hat Wirkung gezeigt.

Der Verdacht drängt sich auf, dass genau das der Grund dafür war, nun gegen sie vorzugehen, einen Monat nachdem sie Korruptionsvorwürfe gegen einen – inzwischen ehemaligen – stellvertretenden Ministerpräsidenten erhoben haben. Alles an diesem Gesetz spricht gegen diejenigen, die es durchgesetzt haben: die Art und Weise, wie es mit einer Kampagne gegen NABU und SAP vorbereitet wurde, seine handstreichartige Durchsetzung, sein Inhalt. Künftig kann der politisch ernannte Generalstaatsanwalt den Antikorruptionsermittlern Fälle nach Belieben entziehen.

Die EU hat Anspruch auf ordentliche Verwendung ihres Geldes

Das Gesetz ist ein Schlag gegen zwei Pfeiler des ukrainischen Widerstands gegen die russische Aggression: den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Unterstützung der Ukraine durch die EU. Diejenigen, die am Dienstagabend in Kiew spontan protestiert haben, sind das Rückgrat der gesellschaftlichen Verteidigung, ohne die die ukrainischen Streitkräfte viel schlechter dastünden. Und es wäre ein Gebot des Anstands und der elementaren politischen Klugheit gewesen, auf die klar geäußerten Bedenken der EU einzugehen.

Die EU hat einen Anspruch darauf, dass die ordentliche Verwendung der bedeutenden Geldmittel sichergestellt wird, die sie der Ukraine zur Verfügung stellt. Als Beitrittskandidat muss die Ukraine zudem zeigen, dass sie bereit ist, sich an europäische Regeln zu halten.

Präsident Selenskyjs Begründungen für das Gesetz sind fadenscheinig. Der Vorwurf mangelnder Effizienz der Antikorruptionsbehörden fällt auf Politik und Justiz zurück, die ihnen oft Steine in den Weg gelegt haben. Und selbst wenn etwas an dem – bisher mit nichts belegten – Vorwurf der russischen Unterwanderung dran sein sollte, ist das kein Grund, die institutionelle Unabhängigkeit der Korruptionsermittler zu beenden. Wenn Selenskyj und seine Leute weiteren Schaden von ihrem Land abwenden wollen, sollten sie das Gesetz rasch wieder ändern. Das Vertrauen in sie wird aber selbst dann erschüttert bleiben.

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