USA dokumentieren 314 Fälle von Kinderdeportation – Spur führt zu Putin | ABC-Z
San Francisco. Die Deportation von Kindern ist ein Kriegsverbrechen. US-Forscher dokumentieren 314 Fälle – und Wladimir Putins direkte Beteiligung.
Ein besonders dunkles Kapitel im Ukraine-Krieg sind die Deportationen von Kindern. Eine Forschergruppe der US-Eliteuniversität Yale hat 314 solcher Fälle detailliert beschrieben. Die Wissenschaftler machen ein systematisches Programm der Zwangsadoption aus.
In einem am Dienstag in den USA veröffentlichten Bericht ziehen die Wissenschaftler und das US-Außenministerium brisante Schlüsse. Insbesondere stellen sie eine direkte Linie zu Kremlchef Wladimir Putin her.
Demnach trägt Putin persönlich die Hauptverantwortung. Er hat die Entführungen angeordnet und seine „Kinderrechtsbeauftragte“ Maria Lvova-Belova mit der Aufsicht betraut. In mindestens zwei Fällen aus de Jahr 2022 stellte er Präsidentenmaschinen bereit, um die Kinder von der Ukraine nach Russland zu verschleppen.
Amerikaner dokumentieren Fälle und Beweise
Die Entführungen verstoßen gegen das Völkerrecht und sind nahezu unumkehrbar. Denn die russische Regierung hat die Kinder nicht beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz angemeldet. Das erschwert es, die Opfer zu identifizieren und eines Tages zurückzuführen.
Im rund 50-seitigen Bericht finden sich Bilder von einzelnen Kindern – die Gesichter gepixelt –, Satellitenaufnahmen von den Landungen in Militärflughäfen sowie von einzelnen Maschinen, die wegen ihrer Kennzeichen direkt Putin zuzuordnen sind. Der Bericht stellt klar, dass die wahre Zahl der ukrainischen Kinder, die Russland gewaltsam deportiert hat, unklar und vermutlich höher als die genannten 314 Kinder sei.
Das jüngste Kind war erst zwei Jahre alt
Die Menschenrechtsgruppe Amnesty International spricht von Zehntausenden Fällen, die ukrainische Datenbank „Kinder des Krieges“ listet 19.500 Fälle auf. Die Yale-Forscher schreiben, dass die Russen in Donezk und Luhansk Kinder aus Heimen deportiert und sie als Waisen deklariert haben.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Die Kinder waren größtenteils jünger als fünf Jahre alt. Das jüngste Kind war dem Bericht zufolge zum Zeitpunkt der Verschleppung zwei Jahre alt (heute vier). Das älteste Kind war 17 Jahre alt und dürfte heute 19 oder 20 Jahre alt sein.
Sie kamen zunächst in Zwischenlager und wurden danach bei Pflege- oder Adoptivfamilien in Russland untergebracht. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die meisten von ihnen eingebürgert und einem Umerziehungsprogramm unterzogen wurden. Sie sollen russifiziert und ihr ukrainisches Erbe zwangsweise getilgt werden.
Fünf Erwartungen und eine Warnung
Sollte es jemals zu Friedensverhandlungen kommen, werden beide Kriegsparteien über die Kinderdeportationen reden müssen. Die Forscher stellen fünf Forderungen auf.
- Russland soll alle betroffenen Kinder registrieren.
- Beide Kriegsparteien sollen die Modalitäten einer Rückführung festlegen, Zeit, Ort und Prozess.
- Verbündete sollen die Ukraine bei Rückführungen unterstützen.
- Der ukrainische Staat soll sich um die Kinder kümmern, wenn sich kein Familienmitglied oder Vormund finden lässt.
- Jedes Kind soll bei der Reintegration psychosoziale Unterstützung erhalten.
Die Forscher warnen, dass der Prozess schwer sein werde. Denn: In den Datenbanken zur Vermittlung wird nicht zwischen Kindern aus der Ukraine und Russland differenziert. Auch für die Adoptiveltern war es womöglich nicht ersichtlich, woher sie kamen.
Der Kreml spricht von Evakuierungen. Lvova-Belova selbst erwähnt in ihrem Jahresbericht 1500 Waisenkinder aus der Ost-Ukraine, die evakuiert worden seien.