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Marathon München: Der sportliche Aspekt steht nicht an erster Stelle – Sport | ABC-Z

Vor dem Großen Marathontor steht zurzeit ein Absperrgitter, das Münchner Olympiastadion befindet sich bekanntlich im Umbau. Hier war vor 53 Jahren der in München geborene US-Amerikaner Frank Shorter durchgelaufen, als er ein paar Sekunden später beim allerersten Marathonlauf dieser Stadt Olympiasieger wurde. Am Sonntagmorgen standen direkt vor diesem Tor Tausende Menschen Schlange, denn der Start zum Langstreckenlauf befand sich 50 Meter weiter südlich auf dem Spiridon-Louis-Ring. Als der erste Block mit einigen deutschen Spitzensportlern schon mit den Laufschuhen scharrte, rief der Sprecher: „Hebt die Hände!“ Und zwar für ein Foto mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter und dem bayerischen Innen- und Sportminister Joachim Herrmann, die an der Startlinie standen und das Maskottchen in den Arm nahmen.

Auf die Politiker kommt auch ein Marathon zu, und so wurden die über 20000 Teilnehmer an Marathon und Halbmarathon ein bisschen auch zu Botschaftern für die mögliche Olympia-Bewerbung der Stadt. „Wir werden das hier weiter massiv unterstützen“, sagt Herrmann. Und Reiter, das altehrwürdige Stadion im Rücken, betonte, dass in München im Falle des Zuschlags doch sehr viel weniger neu gebaut werden müsse, und er hoffe, „dass Geschwindigkeit aufgenommen wird“ in der Finanzierung anstehender Infrastruktur-Maßnahmen.

Jahrelang hieß dieser Lauf „München Marathon“, jetzt heißt er „Marathon München“, und weil auch ein neuer Ausrichter seine Premiere feierte, war die sportliche Bedeutung diesmal sekundär; das Teilnehmerfeld war eine deutsche, sogar eine ziemlich bayerische Angelegenheit. Bei den Männern siegte Gabriel Lautenschlager vom MTV Bamberg in 2:18:28 Stunden. Ihm fehlten damit sogar über sechs Minuten auf Shorters damaligen Gold-Lauf, Rekorde waren aber nicht zu erwarten gewesen. Es sei auch gar nicht sein Ziel gewesen, eine persönliche Bestzeit zu laufen, sagte Lautenschlager, „mit einem Sieg in München kann ich mehr als zufrieden sein“. Es klang fast so, als würden sich die wichtigsten Athleten in den Dienst einer größeren Sache stellen. Nicht wenige von ihnen stehen auch beim neuen Hauptsponsor des Marathons unter Vertrag.

Am meisten Spannung hatte noch der Marathon der Frauen versprochen, und die ersten zehn Kilometer liefen die Favoritinnen Nina Voelckel und Kristina Hendel auch noch „Schulter an Schulter“, wie Voelckel erzählte. Dann hatte Hendel allerdings mit Magenproblemen zu kämpfen, am Ende fehlten ihr mehr als fünf Minuten auf Voelckels 2:31:33 Stunden. Die prominentesten Läufer starteten im Halbmarathon der Männer: Dort gewann erwartungsgemäß Sebastian Hendel mit der Startnummer 10 000 (Marathon Team Berlin) in 1:04:01 Stunden, knapp vor dem Niederländer Abdirahman Mohamed (1:04:12). Als 3000-Meter-Hindernisläufer wagte sich diesmal auch der WM-Teilnehmer Niklas Buchholz auf die Straße, er wurde Sechster (1:08:19). Diese Teilnahmen erzeugten Aufmerksamkeit, man muss aber hinter die diesjährigen Spitzenzeiten keine Ausrufezeichen setzen – im vergangenen Jahr etwa siegte der Kenianer Nehemiah Kipyegon im Marathon in knapp über 2:10 Stunden.

28 500 Menschen laufen in den verschiedenen Kategorien mit

Darum sei es heuer aber auch nicht gegangen, sagt Anton Martic vom neuen Veranstalter Laufstatt Event GmbH. Es ging vor allem darum, gute Stimmung zu verbreiten. „Wir sind wahnsinnig froh über 28500 Angemeldete“, sagt er, das bedeutet einen neuen Teilnehmer-Rekord. Dass internationale Spitzenläufer fehlten, lag vor allem daran, dass die endgültige Zusage für den Marathon nach einem langwierigen Rechtsstreit mit dem früheren Ausrichter erst im Juli erteilt worden war – da haben die besten Läufer ihren Jahreskalender schon lange vollgeschrieben. Dieses Mal, sagt Martic, werde man schon im November die Anmeldung öffnen, und dafür stehe nun fest: „München kann Marathon.“ Er mache sich keine Sorgen, dass 2026 das Starterfeld wieder größere Namen aufweisen wird: „Die Bilder von heute, die Teilnehmerzahlen, auch der Rückhalt aus Stadt und Politik geben ein ganz klares Signal, dass München diesen Marathon will und hier auch Spitzenzeiten möglich sind.“

Diese Spitzenzeiten sind unter anderem nötig, um im Ranking des Leichtathletik-Weltverbandes World Athletics (WA) steigen zu können. Zurzeit ist die Strecke WA-zertifiziert und damit quasi TÜV-geprüft. Um aber wirklich das Ziel zu erreichen, die deutsche Nummer zwei nach dem Berlin Marathon zu werden, bräuchte es mittelfristig auch noch ein Label namens Elite, Gold oder Platin. Doch schon für das Elite-Label müssten mindestens fünf Athleten pro Geschlecht an den Start gehen, die in den drei Jahren davor unter 2:12:47 bzw. 2:31:50 gelaufen sind. Auch die Höhe des ausgeschriebenen Preisgelds ist ein Kriterium.

Um es nach ganz oben zu schaffen, dürfte indes die Strecke ein wenig zu hügelig sein. Vor allem die zweite Hälfte der aktuellen Route weist recht viele Höhenmeter auf – der niedrigste Punkt liegt hier bei 513, der höchste bei 540 Metern, sodass ein Weltrekord wie in Berlin nicht möglich erscheint. Ob und wann man sich für ein Label bewirbt, werde man in den kommenden Wochen entscheiden, sagt Martic.

Geschickt zusammengelegt waren auch die Zeiten für den Marathon und den Halbmarathon: Die besten Läufer konnten jeweils ohne große Stauungen zurück im Olympiapark ins Ziel laufen, die breite Masse fand sich dann aber zu einem großen, stimmungsvollen Läufer-Volksfest auf dem Hans-Jochen-Vogel-Platz ein. Dutzende Stände waren hier aufgebaut, laute Musik schallte bis über den Olympiasee hinweg. Dahinter, am Fuße des Olympiabergs, waren am frühen Nachmittag wie auf einer Perlenschnur noch Tausende Läufer auf ihren letzten Metern unterwegs. Fast ein Drittel des Halbmarathons verlief durch den Olympiapark. Und so war der Marathon München diesmal vor allem: eine Zeitreise, um Werbung für seine eigene Zukunft zu machen.

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