US-Wahl: Trump kann ein nützlicher Partner Europas werden | ABC-Z
Europa sollte Donald Trumps mögliche Rückkehr ins Weiße Haus nicht als Bedrohung empfinden. Es gibt Raum für gegenseitigen Nutzen, meint Nadia Schadlow, die stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin unter Präsident Trump war.
Donald Trump hat immer wieder klargestellt, dass niemand für ihn spricht außer er selbst. Dennoch kann man mit einiger Sicherheit sagen, dass er im Falle seiner Wiederwahl eine Außenpolitik verfolgen wird, die der seiner ersten Amtszeit folgt.
In Bezug auf Europa würde er wahrscheinlich die Probleme ansprechen, die er bereits thematisiert hat: unzureichende Verteidigungsausgaben, mangelnde Diversifizierung der Energieversorgung und Handelsprotektionismus. Viele Europäer erkennen diese Probleme an. Damit könnte sich eine Möglichkeit für eine Zusammenarbeit zwischen Amerika und Europa bieten – wenn der Versuchung widerstanden wird, Trump als Problem darzustellen.
Obwohl viele Nato-Staaten die Verteidigungsausgaben seit seiner Amtszeit bereits erhöht haben, würde Trump darauf hinweisen, dass sie dennoch mehr tun müssen. Seit 2014 haben alle Nato-Mitglieder zusammen (die USA ausgenommen) ihre Verteidigungsausgaben um mehr als 600 Milliarden Dollar erhöht.
Diese beachtliche Zahl ist jedoch weniger beeindruckend, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Ausgabenerhöhungen von insgesamt 31 Ländern über einen Zeitraum von zehn Jahren erbracht wurden. Dennoch gibt es Fortschritte. 18 Nato-Mitglieder werden im Jahr 2024 mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben, während es 2014 nur drei Länder waren.
Ein Teil dieses Erfolges ist ein Verdienst von Donald Trump, der Rest erklärt sich durch die Ukraine-Invasion Russlands. Sein typischer Verhandlungsstil, Drohungen einzusetzen, etwa, indem er sagt, Amerika sollte die Nachzügler bei den Ausgaben nicht mehr verteidigen, hat zu einer Annäherung an die von ihm gewünschte Position geführt.
Die Nato hat jedoch nach wie vor Schwächen, die auch die europäischen Staats- und Regierungschefs erkennen können. Deutschlands Zeitenwende, eine historische Wende, mit der die jahrelange Vernachlässigung der Verteidigungsfähigkeit angegangen werden sollte, ist gescheitert.
Mit dem Ukraine-Einmarsch Russlands hat die Nato versprochen, die schnellen Eingreiftruppen von 40.000 auf über 300.000 Mann aufzustocken. Ein Versprechen, das wahrscheinlich gebrochen wird, was wiederum die Abschreckungsfähigkeit beeinträchtigt.
Vor zwei Jahren sorgte die damalige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas für Aufregung, als sie enthüllte, dass der Verteidigungsplan der Nato für die baltischen Staaten darin bestehe, „sie überrennen zu lassen, bevor sie nach 180 Tagen befreit werden“ – was für ihr Land den sicheren Untergang bedeuten würde.
In Energiefragen würde Trump wohl dort ansetzen, wo er aufgehört hat. Während seiner ersten Amtszeit sprach er sich für „offene, faire und erschwingliche Energiemärkte“ aus und drängte auf eine weitere Diversifizierung der Energiequellen. Er war der Überzeugung, dass die Energielieferungen nach Europa aus Amerika kommen sollten – und nicht aus Russland. 2020 warnte er die Europäer in Davos vor der Abhängigkeit von „unfreundlichen Energielieferanten“.
Europa könnte mit Trump zusammenarbeiten, beispielsweise würde er mit Begeisterung amerikanisches Flüssig-Erdgas als kohlenstoffärmere Energiequelle liefern. Mehr noch: Er will ein robustes Energiesystem und ein Bündel von Maßnahmen, die den Wohlstand fördern. Er ist auch nicht auf die Systeme fixiert, die von fluktuierenden erneuerbaren Energien dominiert werden.
Auch Kohle hat einen Platz in der Grundlastversorgung. Zudem wäre Trump an einer Zusammenarbeit bei der Kernenergie interessiert, die auch kürzlich von der Europäischen Kommission als nützliche Ergänzung zu den erneuerbaren Energien anerkannt wurde.
Mit Trump gemeinsam gegen China
Europa, so würde Trump sagen, macht sich derzeit bei den erneuerbaren Energien und Elektrofahrzeugen von China abhängig. Auf China entfallen 90 Prozent des Angebots an Seltenen Erden, die für die Herstellung von Erneuerbare-Energien-Anlagen benötigt werden.
Das Land stellt 60 Prozent der Windturbinen sowie der Batterien für Elektroautos her und kontrolliert einen Großteil der weltweiten Produktion von Solarzellen. Trump möchte diese Abhängigkeit der USA von kritischen Mineralien verringern – und wäre daher ein bereitwilliger Partner für Europa bei diesen Bemühungen.
Trump würde sicherlich auf sein Lieblingswort zum transatlantischen Handel zurückkommen: „Gegenseitigkeit“. Er bereitet bereits ein Gesetz über den reziproken Handel vor, das darauf abzielt, die von den Handelspartnern auferlegten Zölle anzugleichen, um die amerikanischen Arbeitnehmer zu schützen. Seine Ansichten zur Reziprozität würden wahrscheinlich zu einer Verringerung des Handelsgefälles mit der EU führen.
Was den Handel mit China – und die Geschäfte in dem Land – betrifft, könnten Amerika und Europa eine gemeinsame Front bilden. China versucht derzeit, die Deindustrialisierung Amerikas und Europas durch einen unlauteren Wettbewerb zu erzwingen, beide könnten hier eine gemeinsame Gegenstrategie entwickeln.
Ein vielversprechendes Zeichen dafür ist die Reaktion auf chinesische Überkapazitäten bei billigen Elektrofahrzeugen, mit denen der europäische Markt überschwemmt wird. Unter Hinweis auf diese „schädliche Subventionierung“ hat die EU kürzlich beschlossen, über einen Zeitraum von fünf Jahren Zölle in Höhe von 45 Prozent zu erheben.
Gemeinsam könnten Trump und die europäischen Staats- und Regierungschefs die Schwierigkeiten bei Geschäften in China angehen. Und als jemand, der die massiven amerikanischen Handelsdefizite abbauen will, hätte Trump sicher ein Auge für das europäische Handelsdefizit mit China, das von rund 40 Milliarden Euro vor 20 Jahren auf das Zehnfache gestiegen ist.
Es gibt noch viele andere Themen, die Europa im Falle einer zweiten Amtszeit Trumps als Chance begreifen sollte. Der Bericht der EU-Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit, der im September veröffentlicht wurde, enthielt düstere Beurteilungen – von Überregulierung über mangelnde Innovation bis hin zu langsamem Wachstum.
Trump würde wahrscheinlich vielen dieser Problembeschreibungen zustimmen. Auch er hat in seiner ersten Amtszeit versucht, Amerika von der erdrückenden Last der Bürokratie zu befreien, indem er darauf bestand, dass für jede neu verabschiedete Vorschrift acht alte abgeschafft werden sollten.
Wenn beide Seiten gemeinsame Aufgaben sehen, ist eine wachstumsfördernde, freiheitsliebende Partnerschaft möglich. Anstatt Trump als Zerstörer einer alten Ordnung abzustempeln, sollte Europa darüber nachdenken, wie sein disruptives Naturell dazu beitragen kann, Europa für eine bessere Zukunft vorzubereiten.
Nadia Schadlow war stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin für Strategie in der Trump-Regierung und ist Fellow des Hudson Institute und der Hoover Institution (Übersetzung: WELT)
© The Economist Newspaper Limited, London 2024