Sogar Taylor Swift in den Logen des Ceasars Superdomes hielt es nicht auf den Sitzen. Der Respekt für weitere übergroße Musikgrößen war auch bei der 35-Jährigen spürbar, als Kendrick Lamar beim Super Bowl LIX die Jazz-Metropole New Orleans mit seinen Rap-Künsten in Verzückung versetzte. Die Halbzeitshow beim Endspiel der National Football League wird in den USA ja als nur geringfügig weniger bedeutsam eingeschätzt als das Duell auf dem Kunstrasen selbst. Kendrick Lamar lieferte in seinen 13 Minuten ein viel imposanteres Feuerwerk ab als die Kansas City Chiefs, denen und darunter besonders ihrem Freund Travis Kelce die Sympathien von Taylor Swift galten, bei ihrer katastrophalen Vorstellung in mehr als doppelt so langen Netto-Spielzeit zuvor.
Halbzeitshow beim Super Bowl: Bühne wie ein PlayStation-Controller
Auch interessant
Die Usher-Show des Vorjahres war beileibe lange nicht so gut erzählt wie Kendrick Lamars Story. In deren Zentrum: die USA, Stars and Stripes, die Farben Weiß, Rot und Blau. Das Spielfeld, auf dem die Philadelphia Eagles zuvor den Titelverteidiger Kansas City Chiefs mit 24:0 zerpflügt hatten, wurde in einen gigantischen PlayStation-Controller verwandelt. Mit den Tasten (von oben links nach unten rechts) Rechteck, Dreieck, Kreuz und Kreis. Für den eigentlichen Knaller hatte aber ein Filmstar gesorgt: Samuel L. Jackson trat als Uncle Sam verkleidet auf. Ikonisch!
Ein auf dem Kreuz geparktes Auto erwies sich als unerschöpfliches Reservoir an Tänzern: 50 von ihnen bildeten zu Beginn von Kendricks Lamars Performance die US-Flagge nach. Bei seinem Outfit hatte Schwarz das Rot der Stars & Stripes-Farben ersetzt: Lamar trug blaue Jeans, ein schwarzes Shirt mit Silberketten darüber, eine schwarz-blau-weiße College-Jacke. So legte der US-Superstar mit seinen Songs „GNX (Teaser)“, „Squabble Up“ und „Humble“ los.
USA-Flagge mit Rapper und Tänzern: Kendrick Lamar bei der Halbzeitshow des Super Bowls.
© Getty Images | JAMIE SQUIRE
Anstatt eine der größtmöglichen Bühnen des Showbusiness – den Auftritt von Usher in Las Vegas im vergangenen Jahr verfolgten weltweit 129 Millionen Menschen auf den Bildschirmen – mit Pop-Megastar Taylor Swift zu teilen, worüber anlässlich ihres gemeinsamen und äußerst erfolgreichen Hits „Bad Blood“ spekuliert worden war, trat Kendrick Lamar in New Orleans mit SZA auf. „Ich wollte immer großartig sein. Für mich ist es eine Ehre, mit ihr aufzutreten“, so Lamar. Klar, dass sie ihre gemeinsamen Hits „All The Stars“ und „Luther“ performten. Die beiden erwiesen sich als eingespieltes Team – kein Wunder, gehen Kendrick Lamar und SZA ja auch ab dem 19. April zusammen auf Tournee in den USA.
Halbzeitshow: Kendrick Lamar stammt wie Dr. Dre und Snoop Dogg aus Compton
Auch interessant
Wer aus der Metropolregion Los Angeles mit mehr als 18 Millionen Menschen stammt, für den mag Louisianas Perle am mächtigen Mississippi vielleicht klein vorkommen. Doch für Kendrick Lamar wurde die 360.000-Einwohner-Stadt New Orleans am Sonntagabend (Ortszeit) zum Musik-Mekka. Der 37-Jährige stammt aus Compton, einem armen und gewaltübersäten Vorort von L.A., aus dem es immerhin aber schon Dr. Dre und Snoop Dogg zu Hip-Hop-Legenden geschafft haben. „Ich habe sicher nicht an einen Super Bowl gedacht“, blickte Kendrick Lamar vor seinem Auftritt bei der Halbzeitshow zurück. „Wir haben an den besten Vers gedacht und wie wir die 5 Dollar bei Church’s Chicken oder so teilen werden. Es war kein Super Bowl – es war ins Studio gehen und eine Mahlzeit bekommen. Aber was ich weiß, ist, dass die Leidenschaft, die ich jetzt habe, immer noch die Leidenschaft ist, die ich damals hatte. Und ich denke, das hat sich bis zum Super Bowl getragen.“
US Rrapper Kendrick Lamar mit SZA bei der Halbzeitshow des Super Bowls.
© AFP | Chandan Khanna
Vor drei Jahren war er noch Teil der Rap-Superstars-Combo um Dr. Dre im Sofi Stadium, nun hatte Kendrick Lamar als erster Rapper alleine als Haupt-Act seine Halbzeitshow. Über das Rechteck und das Kreuz oben rechts im Dreieck angekommen, sorgte dann SZA mit ihrem Co-Auftritt für das nächste Highlight. Ihre wallende Mähne ging in einen komplett roten Dress über. Ein Extra-Beifall brandete zu ihrem gemeinsamen Hit „Luther“ auf. „Not Like Us“ durfte genauso wenig fehlen wie zum Ende von Kendrick Lamars Show noch „TV Off“. Ein „Game Over“, erzeugt durch die mit LEDs ausgestatteten Besucher auf den Tribünen des Superdomes, übergab anschließend den Football-Stars wieder das Feld.
Historische Halbzeitshow: Kendrick Lamar erster Rapper als Solo-Headliner
Auch interessant
Der Headliner von New Orleans entspricht in den meisten Facetten nicht den gängigen Rap- und Hip-Hop-Klischees: mit Joint oder Bierflasche in der Hand, protzend mit schweren Goldketten um den Hals und leicht bekleideten Frauen auf dem Beifahrersitz der PS-starken Autos. „Wenn Menschen über Rap sprechen, dann höre ich oft keine Kultur heraus. Für mich ist es mehr, ich liebe es.“ Er nimmt keine Drogen, trinkt keinen Alkohol, ist seit der High School mit seiner Freundin liiert und mir ihr glückliche Eltern von zwei Kindern.
Abgesahnt: Kendrick Lamar posiert mit seinen fünf Grammys für die Aufnahme des Jahres, die beste Rap-Performance, den besten Rap-Song, das beste Musikvideo und den Song des Jahres.
© dpa | Richard Shotwell
Kendrick Lamar ist beinahe ein Poet und Philosoph seines Genres mit „einer Leidenschaft für Storytelling. Ich war immer sehr offen über das Erzählen von Geschichten in meiner Musik. Ich mag es, dieses Gefühl zu bewahren, die Leute zum Zuhören zu bringen, auch ein wenig zum Nachdenken.“ Vor fünf Jahren wurde er als erster Rapper für sein Album „Damn“ mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Der US-Medienpreis für herausragende journalistische, literarische und musikalische Leistungen war bis dato meist der Klassik oder dem Jazz vorbehalten. Fünf seiner bereits 22 Grammys gewann der Kalifornier jüngst vor dem Super Bowl für „Not Like Us“.
Halbzeitshow: NFL mit Sorgen vor Auftritt von Kendrick Lamar – wieder Hass und Beleidigungen?
Auch interessant
Genau wegen dieses Songs hatten US-Medien vor dem Duell der Chiefs und Eagles in New Orleans aber spekuliert, die NFL könnte Kendrick Lamars Texte zensieren. In der Vergangenheit haben sich er sowie seine Rap-Kollegen Drake und J. Cole in Liedern gegenseitig beleidigt. Es wurde häusliche Gewalt vorgeworfen, Lamar verglich Drake in „Not Like us“ sogar mit Sexualstraftäter Harvey Weinstein und warf ihm mangelnden Respekt gegenüber Schwarzen vor. Der Kanadier Drake klagte wegen Verleumdung. Doch die NFL mag keine Skandale bei ihrem familienfreundlich angelegten Super-Event. Bei einem Eklat kann sie notfalls reagieren, da das Welt-Signal ein paar Sekunden zeitverzögert gesendet wird. Eine Konsequenz aus „Nipplegate“ 2004, als Justin Timberlake in der Halbzeitshow Janet Jacksons rechte Brust entblößte. Doch so weit kam es diesmal in New Orleans nicht.