US Open: Williams und Fernandez begeistern im Doppel – Sport | ABC-Z

Schon wieder zieht es einem die Mundwinkel hoch an diesem Montag bei den US Open. Diesmal sind es zwei Frauen, die mehr als 14 000 Menschen im Louis Armstrong Stadium verzücken: Die viermalige Turniersiegerin Venus Williams (je zweimal im Einzel und Doppel) und Leylah Fernandez, Finalistin 2021, gewinnen auch ihre dritte Doppel-Partie, 6:3, 6:4 gegen das an Nummer zwölf gesetzte Duo Shuai Zhang (China)/Jekaterina Alexandrowa (Verband Russland), mit aufs jeweilige Alter ausgelegter Taktik. Die 22-jährige Fernandez wuselt an der Grundlinie hinter jedem Ball her, die mehr als doppelt so alte Williams, 45, beendet Ballwechsel mit feinem Händchen am Netz. Es ist eine Tennis-Party, und wie schon in den 74 Minuten auf dem Platz können sie danach nicht aufhören zu grinsen. „Wir sind einfach auf der gleichen Wellenlänge“, sagt Williams und schickt eine Botschaft an Schwester Serena: „Ich brauche dich in meiner Box, also komm mal lieber hierher!“
Was wäre denn das bitteschön für eine Geschichte: Serena hatte 2022 in New York ihre Karriere beendet, unter anderem mit einem gemeinsamen Doppel-Auftritt mit Venus. Wenn sie nun auch noch in den Big Apple käme, um das Wohlfühl-Doppel anzufeuern oder gar zu coachen und davor, wie Venus forderte, „auch ein paar Bälle mit uns zu schlagen?“
:The Venus Way
Venus Williams hat im Tennis Grenzen eingerissen und jüngeren Spielerinnen den Weg bereitet. Bei den US Open verliert die 45-Jährige ihr Erstrundenmatch – und ist trotzdem tief bewegt.
Der Nationalfeiertag Labor Day ist einer fürs Herz auf der Anlage in Flushing. Man wünscht sich ja derzeit bei allem, was sonst so los ist auf der Welt, nichts sehnlicher als Geschichten, die einen schmunzeln oder vor Rührung weinen lassen. Die Plüschfiguren von Naomi Osaka etwa, die nach ihrem Sieg gegen Landsfrau Coco Gauff ein neues Exemplar präsentierte: Althea Glitterson als Hommage an Althea Gibson; die erste Person of Color, die vor 75 Jahren an den US Open teilgenommen hatte. Der Hype um die Osaka-Labubus führt dazu, dass viele Zuschauer ihre Labubus dabeihaben und darüber sofort ins Gespräch kommen für fünf Minuten süßen Small Talk. Die tollsten Geschichten aber liefert der Sport selbst.
Williams, 45, hatte sich ein Jahr nach ihrer Gebärmutter-OP für die Nordamerika-Turniere in diesem Sommer zurückgemeldet; für die US Open hatte sie eine Wildcard und einen Abendauftritt im Arthur Ashe Stadium erhalten, der größten Tennisarena der Welt. Tapfer schlug sie sich gegen die an Nummer elf gesetzte Tschechin Karolina Muchova und kündigte an, noch ein bisschen weiterspielen zu wollen – solange sie nicht weit reisen müsse. Nur einen Tag später folgte die Meldung: Williams würde mit Fernandez eine Wildcard fürs Doppel kriegen. Seitdem sorgen die beiden für Wärme ums Herz bei den Zuschauern, mit sportlichem Spektakel und Zuneigung füreinander nach Partien.
„Wir haben keine Taktik, sondern nur Vertrauen ineinander“, sagt Fernandez: „Einfach rausgehen, bereit sein für den Ball und mutig draufhauen.“ Williams nennt Fernandez „meine beste Partnerin seit Serena“. Mit ihrer 43 Jahre alten Schwester hat sie 14 Grand-Slam-Titel gewonnen, was wegen der unfasslichen Einzelerfolge der beiden bisweilen übersehen wird: „Serena coacht uns ein bisschen aus der Ferne. Zu dir, Leylah, hatte sie bisher nichts zu sagen, also spielst du offensichtlich perfekt.“
Es gibt zahlreiche Geschichten wie diese am Feiertag: Der Qualifikant Leandro Riedi aus der Schweiz, 435. der Weltrangliste, hat sich ins Achtelfinale und damit 271 Ränge nach oben gespielt. Er ärgert sich ebenso wenig über seine Niederlage gegen den Australier Alex de Minaur wie später der kasachische Filou Alexander Bublik über die Lektion, die ihm der Weltranglistenerste Jannik Sinner aus Italien verpasste. Er deutet seinen Freunden in seiner Box kurz vor dem Ende grinsend an, dass er sein Ziel doch erreicht habe: ein gewonnenes Spiel pro Satz. Zudem teilt er Sinner mit, was alle denken: „Das ist krank, wie gut du bist. Ich bin wirklich kein Schlechter, aber was zur Hölle ist das denn bitte?“

Eine weitere gute Gibt’s-doch-gar-nicht-Geschichte findet man bereits am Morgen beim Spaziergang zur Anlage, beim Briten Marcus Willis. In dessen Grand-Slam-Historie, die Älteren werden sich erinnern, ist im Einzel Wimbledon 2016 als einziges Turnier vermerkt. Dort hatte er eine Wildcard für die Prä-Quali erreicht, nach drei Siegen dort gewann er in der richtigen Qualifikation unter anderem gegen die späteren russischen Weltklasse-Leute Andrej Rublew und Daniil Medwedew. Nach dem Erstrunden-Sieg im Hauptfeld spielte er, kein Witz: auf dem Centre Court von Wimbledon gegen Roger Federer.
Diese Geschichte muss er immer wieder erzählen, denn es gibt eine Fortsetzung. Im Alter von 34 Jahren hat er sich in den Kopf gesetzt, 2025 an allen Grand-Slam-Turnieren teilzunehmen, im Doppel. Dieser Traum platzte bereits in Melbourne, weil Partner Cameron Norrie nach seinem Aus im Einzel verletzt absagte. In Wimbledon kam er in die zweite Runde; in New York meldete er sich einfach mal mit dem Polen Karol Drzewiecki als Nachrücker an – kann ja immer sein, dass wer absagt. „Das war völlig durchgeknallt“, sagt er am Montag vor Trainingsplatz sieben auch angesichts dessen, dass er und Drzewiecki noch nie miteinander gespielt hatten: „Es ist aber noch durchgeknallter, was seitdem passiert ist.“
„Das fühlt sich alles noch nicht echt an – aber vielleicht ist das ganz gut so“, sagt Marcus Willis
Was passiert ist: Die beiden besiegten in der ersten Runde das an 16 gesetzte australische Duo Matthew Ebden/Jordan Thompson und gewannen in der zweiten Runde nach abgewehrtem Matchball im Match-Tie-Break des dritten Satzes. „Das fühlt sich alles noch nicht echt an, aber vielleicht ist das ganz gut so“, sagt Willis. Durch die in New York erspielten Punkte wird er nach den US Open unabhängig vom Ausgang des Achtelfinals auf Platz 81 der Doppel-Weltrangliste geführt. Das sollte reichen, um zu den 57 per Weltrangliste qualifizierten Duos im Hauptfeld der Australian Open 2026 zu gehören. „Läuft aber gerade, vielleicht geht noch mehr“, sagt Willis, bestens gelaunt: „Wir machen jetzt einfach mal weiter.“
Genau das gilt für die Spätabend-Story. Die Amerikanerin Amanda Anisimova besiegte die Brasilianerin Beatriz Haddad Maia 6:0, 6:3 und trifft im Viertelfinale auf Iga Swiatek aus Polen. Gegen die hatte sie im Endspiel von Wimbledon verloren, und weil ihre Comeback-Story dort bereits ausführlich erzählt worden ist, hier nur die Details: Mit 17 erreichte sie das Halbfinale bei den French Open 2019; nach dem Tod ihres Vaters (Herzinfarkt) geriet sie in eine mentale Krise; später musste sie wegen Burn-out monatelang pausieren. In New York, sie hat gerade erst ihren 24. Geburtstag gefeiert, wirkt sie selbstbewusst, glücklich – und ist zu Scherzen aufgelegt wie davor Bublik mit seiner Ein-Spiel-pro-Satz-Zielsetzung gegen Sinner: „Ein bisschen länger als das Wimbledon-Finale“ solle die Partie diesmal dauern, sagt sie. In Wimbledon hatte es nach 57 Minuten 0:6, 0:6 geheißen. „Daran denke ich nicht jetzt mehr“, sagt Anisimova. Nur positive Gedanken an diesem Montag.

Die letzte Wohlfühl-Geschichte des Tages bietet Taylor Townsend. Die 29 Jahre alte Amerikanerin hatte die New Yorker zunächst im Einzel begeistert und eine rührende Comeback-Story als Opfer von „Body Shaming“ geliefert, dann aber in der dritten Runde acht Matchbälle gegen die Tschechin Barbora Krejcikova vergeben und verloren. „Die Show geht weiter“, sagte sie danach, und das tut sie im Doppel. Sie ist mit Partnerin Katerina Siniakova aus Tschechien an Nummer eins gesetzt; am Montag begeistert das Duo mit spektakulärem Offensiv-Tennis, blindem Verständnis füreinander und gefühlvollen Zucker-Stopps im Hexenkessel Grandstand. Ihre Gegnerinnen nun im Viertelfinale in der Nacht zum Donnerstag, man kann es sich nicht ausdenken: Williams und Fernandez. „Darüber habe ich überhaupt noch nicht nachgedacht“, sagt Williams. Sie wirkt nicht erschrocken, sondern erfreut: „Das wird ein Heidenspaß!“ Fehlt nur noch Serena als Trainerin.