Vincent Kompany: Nicht schlecht für die vierte Wahl | ABC-Z

Vincent Kompany hat die lange Leidenszeit der Bayern-Fans beendet. Zwölf demütigende Monate sind vorbei: Die Leverkusener, die in der Vorsaison die elfjährige Titelserie unterbrachen, sind entthront. Bayern ist Meister, unter Kompany haben Bayern die Hackordnung der Bundesliga wiederhergestellt.
Der Trainer der Bayern hat noch einen Erfolg vorzuweisen. Niemand stellt ihn öffentlich infrage, obwohl er durch das Aus im Champions-League-Viertelfinale die Chance auf ein zweites Finale dahoam nach einem allenfalls durchschnittlichen Auftritt gegen Inter Mailand verpasst hat. Still ruht der Tegernsee, trotz dieses Misserfolgs.
Als Kompany vor einem Jahr in München vorgestellt worden war, reagierten viele skeptisch. Er war Max Eberls vierte Wahl, vielleicht sogar die siebte, zudem gerade aus der Premier League abgestiegen, mit einem Verein namens FC Burnley. Eine Trainervita, die ihn für den FC Bayern qualifiziert, konnte er nicht vorweisen.
Kompany kann und kennt Kabine
Doch fürs Erste hat sich Kompany behauptet. Sein größter Vorzug war dabei nicht unbedingt ein sportfachlicher, eher ein diplomatischer: Er hat sich im Verein keine Gegner gemacht. Das ist immer viel wert, in München noch etwas mehr.
Den Vergleich gegen seine zwei Vorgänger in dieser Disziplin, also was man sagt und was man nicht sagt, gewinnt er haushoch. Julian Nagelsmann, der seine Aussagen oft nachträglich erklären oder zurücknehmen musste, galt in München schnell als Naivling. Und Thomas Tuchel machte sich unter anderem durch öffentliches Gemoser über seine Spieler das Leben schwer.
Die Folge: Vor zwei Jahren wurden die Bayern nur deswegen Meister, weil Dortmund das letzte Spiel gegen Mainz vergeigte und Jamal Musiala im letzten Moment ein Tor erzielte. Im Vorjahr wurden sie zum ersten Mal seit 2011 Dritter. Allein in der Rückrunde 2024 verloren sie siebenmal. An ihre Grenze gingen die Spieler nur noch in der Champions League, wären fast ins Finale eingezogen.
Kompany hingegen bringt etwas anderes mit als seine beiden Vorgänger. Er war selbst fünfzehn Jahre Profi, als ehemaliger Kapitän von Manchester City ist er mit dem Milieu vertraut, in dem er arbeitet, das er jetzt anführt. Er kennt und kann Kabine. Bayern spielt unter ihm stabiler, weil die Mannschaft ihm folgt, ihn offenbar auch mag.
Vorzeitig Meister – das war mal die Regel in München, ist aber schon eine Weile her. Dieses Jahr gilt sie wieder, freilich auch weil Leverkusen nur eine Dreiviertelsaison ein echter Rivale war, und der Rest der Liga für diese Rolle traditionell ausfällt.
Kompany verlor nur zwei Spiele: in Mainz und in Unterzahl sowie zwischen zwei Champions-League-Spielen gegen Bochum. Sonst leisteten sie sich deutlich weniger Ausschläge nach unten als unter Tuchel. Die Bundesliga hat der FC Bayern wieder im Griff.
Sogar Holstein Kiel hätte fast aufgeholt
Damit der Tegernsee still bleibt, muss es künftig aber mehr sein. Denn Spitzenleistungen hat man von Kompanys Elf noch nicht viele gesehen. Eine Handschrift hat er ihr nicht verpasst. Eine Weiterentwicklung ist nicht zu erkennen. Gegen Dortmund und Leverkusen gewann sie keins der vier Spiele.
Einzelne Spieler stagnieren oder machen Rückschritte. Der talentierte Leroy Sané regt viele Fans nur noch auf, Kompanys früherer Mitspieler in Manchester wird längst in Zweifel gezogen. Generell stimmt beim FC Bayern die Balance zwischen Offensive und Defensive oft nicht.
Augenfällig wird dies in der Abwehr. Vielen Gegnern fällt es leicht, in den Strafraum der Bayern zu kommen. Sogar Holstein Kiel hätte fast vier Tore in München aufgeholt, Dinamo Zagreb beinahe drei. Als sich die Bayern wiederum mal aufs Verteidigen konzentrierten, in Leverkusen im Februar, führte das dazu, dass sie kaum vor das Tor des Gegners kamen. So unterlegen wie bei diesem glückhaften 0:0 sah man sie noch nie gegen eine deutsche Mannschaft.
Und in der Champions League gewannen die Bayern nur die Hälfte ihrer zwölf Spiele. Sie unterlagen Aston Villa, gingen 0:3 in Rotterdam unter, hatten gegen Celtic Glasgow das Aus vor Augen. Raus flogen sie gegen Mailand, eine Mannschaft mit niedrigerem Marktwert. Gegen einen italienischen Verein war das den Bayern schon lange nicht mehr passiert.
In diesen Spielen rächte sich die Unsortiertheit in der Defensive des ehemaligen Verteidigers Kompany. Nicht nur bei den zwei Gegentoren im Hinspiel hatte Inter es leicht. In der Offensive hingegen stockten die Kombinationen der Bayern. Diese Mängel kann man nicht nur mit den Ausfällen begründen. Die größten Skeptiker hat Vincent Kompany nicht überzeugt. Dass er für das Toptoptop-Niveau taugt, hat der 39-Jährige noch nicht bewiesen.
Das lehrt die 34. Deutsche Meisterschaft des FC Bayern also auch: In Deutschland ist dieses Niveau gar nicht nötig. Dort hat der Verein das Monopol zurück. Wenn Xabi Alonso wie erwartet die Bundesliga bald verlässt, ist gar kein Konkurrent mehr in Sicht. Die neue Serie der Bayern hat wohl begonnen.