Urteil zur Migrationspolitik: Politiker von SPD und Grünen üben Kritik an Zurückweisungen | ABC-Z

Nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zur Zurückweisung dreier Asylsuchender haben die Grünen und die Nichtregierungsorganisation Pro Asyl die Praxis des Bundesinnenministeriums kritisiert. “Mit scharfen Ankündigungen und rechtlich offensichtlich nicht tragbaren Anweisungen versuchen CDU und CSU in Trump-Manier, ihren Kurs durchzusetzen”, sagte der Grünenvorsitzende Felix Banaszak dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Dafür holt sich die Union nun eine schallende Ohrfeige vor Gericht. Genau davor haben wir vorab gewarnt”, fügte er hinzu.
Es sei “unseriös und höchst bedenklich, wenn man immer wieder versucht, den rechtlichen Rahmen maximal auszutesten und dafür auch bereit ist, den Rechtsbruch in Kauf zu nehmen”, sagte Banaszak weiter. Wichtig sei nun vielmehr, gemeinsam in Europa an wirklichen Verbesserungen in der Migrationspolitik zu arbeiten. “Maßnahmen, die europäisches Recht unterlaufen, sind da nicht hilfreich, sondern schaffen nur Chaos”, kritisierte der Parteichef. Wer das Heft des Handels in der Hand behalten wolle, müsse europäisch handeln.
“So was kommt von so was”
Auch der SPD-Politiker Ralf Stegner übte Kritik. Die SPD habe in der Asylpolitik immer “auf Humanität und die Einhaltung der deutschen und europäischen Rechtsgrundlagen an unseren Landesgrenzen bestanden”, sagte er dem Spiegel. Dies hätten die Konservativen stets lässig zurückgewiesen. Im Wahlkampf habe es dann “die bekannte flotte Zurückweisungsrhetorik der Union, gerade aus der CSU” gegeben. Diese stehe nun vor dem Praxistest im Regierungshandeln. “Das wird für Herrn Dobrindt möglicherweise nicht ohne ein paar politische Schrammen abgehen – so was kommt von so was”, sagte Stegner, der in den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD das Kapitel zur Innen- und Migrationspolitik mitverhandelt hatte.
Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Karl Kopp, verlangte einen sofortigen Stopp der Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen. “Die Bundesregierung muss diese illegale Praxis jetzt sofort beenden”, sagte er dem RND. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin machten unmissverständlich klar, dass die Praxis von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) europarechtswidrig sei. Den drei von dem Urteil betroffenen Asylsuchenden aus Somalia sei Unrecht angetan worden, sagte Kopp. “Sie dürfen jetzt wieder legal nach Deutschland einreisen. Für Dobrindts Kurs der Härte sind die drei Gerichtsbeschlüsse eine dreifache Klatsche”, ergänzte er.
Auch der Berliner Migrationsforscher Gerald Knaus äußerte eine klare Meinung zum Thema. “Alle Fälle, die vor Gericht kommen werden, wird die Bundesregierung verlieren bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof”, sagte der Wissenschaftler im Stern-Podcast 5-Minuten-Talk. “Die Frage ist nur, wie lange sie das noch durchziehen will”, fügte er hinzu.
Abweisung dreier Somalier
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am Montag entschieden, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht an den deutschen Landesgrenzen abgewiesen werden dürften, ohne dass vorher ein sogenanntes Dublin-Verfahren durchgeführt wurde. Dabei wird geprüft, in welchem anderen EU-Staat Betroffene gegebenenfalls bereits früher einen Asylantrag gestellt haben. In dem vor Gericht verhandelten Fall waren am 9. Mai drei Menschen aus Somalia ohne entsprechende Prüfung von Frankfurt an der Oder nach Polen zurückgeschickt worden.
Die umstrittene Praxis der Zurückweisungen ist Teil der Strategie der neuen schwarz-roten Bundesregierung, um den Zuzug nach Deutschland weiter zu begrenzen. Dobrindt hatte sie bereits kurz nach seinem Amtsantritt in Kraft gesetzt. Nach dem Berliner Urteil kündigte er an, weiter daran festhalten zu wollen. Das Urteil beziehe sich auf einen Einzelfall, sagte der Minister. Außerdem wolle man eine Entscheidung im Hauptverfahren. “Wir halten im Übrigen an den Zurückweisungen fest”, sagte Dobrindt. Das Gericht habe ausführlichere Begründungen für die Zurückweisungen verlangt – diese werde man liefern. “Wir halten an unserer Rechtsauffassung auch fest”, fügte er hinzu.
“Muss noch mal nachgearbeitet werden”
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) sagte bei RTL Direkt, die Gerichtsentscheidung sei kein Dämpfer gewesen. “Wir haben versprochen, dass wir ordnen, steuern und begrenzen möchten, eine Wende in der Migrationspolitik erreichen.” Dafür seien die Zurückweisungen “ein wesentlicher Baustein neben vielen anderen Dingen”. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin sei bisher lediglich eine Entscheidung in einem Eilverfahren gewesen, sagte Frei. “Es geht darum, dass man auch eine Entscheidung in der Hauptsache erreicht, wo man dann auf die Argumentation des Gerichts eingehen kann und vor allen Dingen die eigenen Gründe dezidiert vorbringen kann.”
Das Gericht habe ein paar Hinweise gegeben, was die Begründungsnotwendigkeiten anbelange, sagte der CDU-Politiker weiter. “Da muss ganz offensichtlich noch mal nachgearbeitet werden. Aber das werden wir tun.”