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Urban Knitting: Mit simpler Strickkunst München verschönern – München | ABC-Z

Straßenschilder mit Bommelmützen, Bäume, die Strickpullover tragen: „Urban Knitting“ nennt sich die Street-Art-Form, die graue Großstädte bunter und weicher aussehen lässt. Vor dem Kulturzentrum Gasteig HP8 treffen sich an diesem sonnigen Nachmittag Strickprofis und -anfänger zum Workshop „Wollewonne“, um gemeinsam die Umgebung zu verschönern.

In der Brudermühlstraße erfüllen Autos und Busse die Atmosphäre mit einem durchgängigen Brummen. Es herrscht Feierabendverkehr auf der Kreuzung vor dem Gasteig HP8 in Sendling. Neugierig schauen viele Passanten auf das ungewöhnliche Grüppchen, das vor dem Kulturzentrum sitzt. Mehr als ein Dutzend Leute haben es sich unter den Sonnenschirmen der „Kulturinsel“ bequem gemacht. Hauptsächlich ältere Damen um die 60 sitzen dort fröhlich plaudernd. Wenige junge Frauen sowie ein einziger Mann haben sich dazugesellt. Die Zusammensetzung der Gruppe ist wenig überraschend bei deren gemeinsamer Aktivität: Jeder Teilnehmer strickt einen bunten Schal – und zwar ganz ohne Nadeln.

Die Stimmung ist bestens beim Stricktreff  im Freien vor dem Gasteig HP 8. (Foto: Robert Haas)

„Fingerstricken“ heißt diese Handarbeitsform, zu der Andrea Unterstraßer auf der Kulturinsel einen Workshop gibt. Enthusiastisch erklärt die Künstlerin, wie sich mithilfe simpler Fingerbewegungen ein Wollfaden in einen Schal verwandeln lässt. Zum Schluss bindet sie die Werke der Teilnehmer um die jungen Bäume, die vor dem Gasteig-Gebäude stehen. Schon ist der recht kahle Platz bunter und interessanter geworden. Wenn gestrickte Arbeiten öffentliche Gegenstände schmücken, ist die Rede von „Urban Knitting“ – also „städtischem Stricken“. Der Begriff lehnt sich an das „Urban Gardening“ an, was die inoffizielle und teils illegale Bepflanzung von Städten durch deren Bewohner bezeichnet.

Beim Workshop von Andrea Unterstraßer geht es nicht nur um Ästhetik. „Der Grundgedanke ist, Menschen zusammenzubringen und gemeinsam etwas Neues zu schaffen“, erklärt Stephanie Jenke. Sie ist keine Workshop-Besucherin, sondern die Geschäftsführerin des Gasteigs. Aber auch sie nutzt die Gelegenheit, sich das Fingerstricken erklären zu lassen und mit den Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. „Kunst aus Wolle hat außerdem einen metaphorischen Wert“, fügt Unterstraßer hinzu. „Ein einzelner Faden macht nicht viel her, aber viele Fäden bilden ein großes und starkes Gesamtwerk.“ Eine funktionierende Gesellschaft sei daher vergleichbar mit einem stabilen Gewebe.

„Der Gasteig legt grundsätzlich hohen Wert auf das Stärken der Gesellschaft“, sagt die studierte Kunstmalerin, die zum ersten Mal 2023 mit dem Kulturzentrum zusammenarbeitete. Viele Veranstaltungen dort sind kostenlos, um möglichst vielen Menschen einen Zugang in die Welt der Kunst zu gewähren. „Kultur sollte nicht elitär sein, und Leute sollten sich trauen können, zu künstlerischen Veranstaltungen zu gehen“, findet Unterstraßer. Für das Fingerstricken begeistert sie sich gerade deswegen so sehr, weil es weder Vorwissen noch Werkzeug voraussetzt – und somit nahezu jeder mitmachen kann.

Florian Schelte lässt sich von Andrea Unterstraßer zeigen, wie das Stricken mit bloßen Händen funktioniert.
Florian Schelte lässt sich von Andrea Unterstraßer zeigen, wie das Stricken mit bloßen Händen funktioniert. (Foto: Robert Haas)

Eine der Workshop-Teilnehmerinnen ist kaum zu übersehen: Cesana Curtis trägt ein leuchtend pinkes Outfit und ist offensichtlich bereits eine Profi-Strickerin. Neben ihr steht ein selbstgestrickter Rucksack, der durch seine Blumenverzierung beeindruckt. „Wer mitmachen will, muss aber kein Experte sein“, wirft Annette Conrad ein. Sie ist Teil des Veranstaltungsteams der Münchner Stadtbibliothek, in deren Kooperation der Workshop stattfindet. „Hier sind alle willkommen“, versichert Conrad.

Dass nicht nur ältere Damen stricken können, beweist unter anderem Florian Schelter. Er ist der einzige männliche Teilnehmer, und wirkt ganz in seinem Element. Die Frage, ob er es merkwürdig findet, allein unter den Frauen zu sein, verneint er lachend. „Stricken ist total meditativ und entspannend“, erklärt er. Das könne er Männern und Frauen gleichermaßen empfehlen.

Am Samstag, 24. Mai, bietet Andrea Unterstraßer erneut ihren Urban Knitting- Workshop an. „Man muss sich nur trauen, mitzumachen“, kommentiert Cesana Curtis. Für die interessiert dreinschauenden Passanten ist das als herzliche Einladung zu verstehen. Sie dürfen nicht nur gucken, sondern sich auch spontan dazusetzen. Denn Stricken verbindet – nicht nur Fäden, sondern auch Menschen.

Wollewonne mit Andrea Unterstraßer, Samstag, 24. Mai, 14 bis 16 Uhr, im Gasteig HP8, Kulturinsel, Platz am Kulturkraftwerk (vor der Halle E), Hans-Preißinger-Str. 4-8, Eintritt frei

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