Unverzichtbar für Söder: Ex-Maut-Minister Alexander Dobrindt ist zur Schlüsselfigur der Merz-Koalition geworden | ABC-Z

Nicht nur für CSU-Chef Söder, auch für den designierten Kanzler ist Alexander Dobrindt so gut wie unverzichtbar. Jetzt wird er Bundesinnenminister. Schon in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD und zuvor in den Gesprächen mit den Grünen spielte er eine zentrale Rolle.
Man kann Alexander Dobrindt, den künftigen Bundesinnenminister, als Scharfmacher und Aktenfresser beschreiben. Im vergangenen Jahr nannte der CSU-Politiker die Grünen einen “Brandbeschleuniger für die Polarisierung in unserer Gesellschaft”. Sie seien “maßgeblich verantwortlich für das weitere Aufwachsen von radikalen Parteien wie der AfD”. In der letzten Sitzung des Parlaments vor der Bundestagswahl sagte er, Wirtschaftsminister Robert Habeck habe Deutschland “in ganz Europa zum Gespött” gemacht, seine Energiepolitik sei “einfach nur dämlich”.
Für Dobrindts Verhältnisse war das noch harmlos. 2010, als CSU-Generalsekretär, beschimpfte er die FDP als “Gurkentruppe” – die Liberalen regierten damals mit der Union. Ein Jahr später verantwortete Dobrindt ein Wahlkampfvideo mit einem umgetexteten Volkslied: “Ein Männlein steht im Walde, ganz grün und dumm”, hieß es darin. Dobrindt selbst bezeichnete die Grünen seinerzeit als “politischen Arm von Krawallmachern, Steinwerfern und Brandstiftern”.
Und der Aktenfresser? Anfang 2014, Dobrindt war noch keine drei Monate Bundesverkehrsminister, beschrieb die “Süddeutsche Zeitung” ihn als “Eigenbrötler mit Verzettelungsgefahr”. Dobrindt brüte oft bis spät nachts in seinem Büro im Ministerium über Akten, hieß es da.
Die “Ausländer-Maut” fiel ins Wasser
Genutzt hat das intensive Aktenstudium nichts. Dobrindt scheiterte daran, ein zentrales Versprechen des damaligen CSU-Chefs Horst Seehofer aus dem vorangegangenen Bundestagswahlkampf umzusetzen: die Einführung einer “Ausländer-Maut”. Nach der Wahl durfte die nicht mehr so heißen, weil schon der Name zeigte, dass der Plan nicht machbar war; eine Pkw-Maut nur für Ausländer verstößt gegen EU-Recht. Die Folge war ein kompliziertes Gesetz, das inländische Autobesitzer nicht belasten, aber rechtlich trotzdem in Ordnung sein sollte.
Der Plan schlug fehl. Im Sommer 2019 kassierte der Europäische Gerichtshof die deutsche Pkw-Maut. Dobrindt war da schon nicht mehr Verkehrsminister, sondern zum CSU-Landesgruppenchef befördert worden. Die politische Verantwortung für den fälligen Schadenersatz an die potenziellen Maut-Betreiber lag bei seinem Nachfolger Andi Scheuer.
Vorsitzender der CSU-Abgeordneten im Deutschen Bundestag wurde Dobrindt in einer Zeit, als Seehofer noch CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident war. Dass er den Machtwechsel in Partei und Freistaat zu Markus Söder politisch überlebte, lag nicht an wechselseitigen Sympathien zwischen beiden – die gab es nicht. “Wir waren nicht automatisch geborene beste Freunde”, bekannte Söder, als die CSU Dobrindt zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2021 machte.
Gespräche mit Pistorius, Dröge und Klingbeil
Aber Söder erkannte, dass Dobrindt in Berlin nicht adäquat zu ersetzen gewesen wäre. Denn es wäre falsch, ihn auf das Scheitern bei der Pkw-Maut zu reduzieren. Dobrindt tritt öffentlich zwar immer wieder als scharfzüngiger Hardliner auf. “Aber vor allem kennt er die Details und weiß, wie man verhandelt”, sagt ntv-Chefkorrespondent Christian Wilp, der den CSU-Politiker seit Jahren beobachtet. “Ein Menschenfänger wie Söder ist Dobrindt nicht, die Aschermittwochsrede ist nicht sein Ding. Aber er ist ein extrem analytischer Kopf und ein versierter Stratege. Das macht ihn für Söder so wertvoll.”
Es war Dobrindt, der mit Verteidigungsminister Boris Pistorius die Grundzüge der Öffnung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben aushandelte. Es war Dobrindt, der mit Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach, als die Verhandlungen über die geplanten Grundgesetzänderungen ins Stocken gerieten. Nur Stunden zuvor hatte Unionsfraktionschef Friedrich Merz den Grünen genervt zugerufen: “Was wollen Sie denn noch?” Merz hatte die Zustimmung der Grünen zum Sondervermögen und zur Öffnung der Schuldenbremse einfach vorausgesetzt – und sich damit völlig verkalkuliert.
Und es ist Dobrindt, der ein paar Wochen später die Koalitionsverhandlungen mit der SPD rettet. Die stehen am 7. April auf der Kippe. Am Vortag hatte die SPD der Union ein Papier mit Forderungen nach diversen Steuererhöhungen geschickt – für CDU und CSU eine Provokation. Nach Darstellung des “Spiegel” reagiert Merz empört. Intern sagt er, notfalls müsse er zum Bundespräsidenten gehen und ihm erklären, dass die Koalitionsverhandlungen gescheitert seien. Dobrindt entschärft die Situation durch Vier-Augen-Gespräche mit SPD-Chef Lars Klingbeil. Zwei Tage später können die Parteivorsitzenden den fertigen Koalitionsvertrag vorstellen.
“Eigentlich eine unlösbare Aufgabe für Dobrindt”
Politisch ist Dobrindt durch und durch konservativ, dabei in seinen Positionen beständiger als sein Parteivorsitzender. Selbst bei den Grünen gilt er mittlerweile als verlässlicher Verhandlungspartner. Als die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann am vergangenen Mittwoch am Rande einer Klausur der Grünen-Fraktion die Pläne der künftigen Bundesregierung kommentieren, sprechen sie auch über Dobrindts künftige Rolle als Innenminister. Ihre Kritik richten sie jedoch gegen Merz: “Wir sind es ja gewohnt, dass sich Ankündigungen von Friedrich Merz meist nicht realisieren”, sagt Dröge über die von der Koalition geplanten Zurückweisungen an der Grenze, die aus Sicht der Grünen sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen EU-Recht verstoßen.
Hintergrund ist eine Formulierung aus dem Koalitionsvertrag, die wortgleich bereits im Sondierungspapier von Union und SPD verwendet worden war: “Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.” Die “Abstimmung” mit den Nachbarländern ist eine klassische Kompromissformel. Soll das heißen, dass Länder wie Polen und Frankreich nur informiert werden, wie die Union meint? Oder müssen sie den Zurückweisungen zustimmen, wie die SPD es sieht? Für die Grünen ist das ein offener Konflikt – einer von der Sorte, die schon in der Ampel immer wieder für Ärger gesorgt haben. Das werde “eigentlich eine unlösbare Aufgabe für den neuen Innenminister Dobrindt”, sagt Haßelmann.
Eigentlich. Dass Dobrindt eine Lösung findet, die den Grünen gefällt, ist ausgeschlossen. Und doch dürfte seine Migrationspolitik kaum eine Wiederholung der Pkw-Maut werden. Als Verkehrsminister musste er ein Wahlversprechen der CSU gegen den Willen der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel umsetzen. Die Begrenzung der Migration dagegen ist für beide Unionsparteien eines der wichtigsten Vorhaben der nächsten Bundesregierung. Die Unterstützung des Kanzlers ist Dobrindt gewiss. Dieses Mal darf er nicht scheitern.