Unterwegs im Dienst der Stadt Ebersberg: Wenn der Zählerwechsler klingelt – Ebersberg | ABC-Z
Wenn Florian Binder an einer fremden Haustür klingelt, kann er in der Regel davon ausgehen, willkommen zu sein. Denn der junge Mann in Handwerkerkluft kommt im Auftrag der Stadt Ebersberg. Als einer von vier Wasserwarten ist er unter anderem für den Wechsel der rund 3000 Wasserzähler in der Kommune zuständig. Meist verlaufen solche Termine relativ reibungslos – zuweilen aber gibt es Überraschungen.
Binder ist ein fröhlicher Typ und sehr entspannt. Wie es in den Haushalten aussieht, die er betritt, interessiert den 29-Jährigen nicht, „ich wechsle nur die Zähler“. Klar, komme es vor, dass er sich im Keller erst einen Weg bahnen müsse hindurch zwischen alten Geräten und Installationen, und auch nicht immer sei es klinisch rein. „Aber in dieser Hinsicht bin ich schmerzbefreit“, sagt der gelernte Heizungsbauer. Als solcher habe er früher „nicht selten als Erstes den Meterstab ausklappen und einmal ordentlich herumwedeln“ müssen, um die Spinnweben zu beseitigen.
Das erlebe er heute nur noch sehr selten, weswegen zur Standardausrüstung des Wasserwarts lediglich ein Ordner, ein Eimer und eine Rohrzange gehören. Damit dreht Binder am Einsatzort die Absperrungen vor und hinter dem Zähler zu, tauscht das Gerät, wechselt die Dichtung und öffnet dann die Absperrungen langsam wieder.
Selbst wenn sich die Rahmenbedingungen unterscheiden, je nachdem ob es sich um ein Einzel- oder Mehrfamilienhaus, ein Geschäft oder einen Bauernhof handelt– eines ist normalerweise immer gleich: „Die Zähler sind für sechs Jahre geeicht, danach werden sie ausgetauscht.“ Einmal jedoch stieß Binder auf ein deutlich älteres Gerät. „Das hat sich zwar noch bewegt, war aber ziemlich sicher defekt – als Jahresverbrauch für zwei Personen wurden 13 Kubikmeter angezeigt, normal ist ein Schnitt von 30 bis 40 Kubikmetern pro Person im Jahr“, erklärt er. Der Austausch sei immer wieder verschoben worden, weil der Besitzer angekündigt habe, er stünde kurz vor einem Verkauf. „20 Jahre lang!“
Franz Schlosser, als Leiter der Wasser- und Kanalabteilung Binders Chef, kennt solche Fälle. Er erklärt: „Wenn ein Wechsel ansteht, fordern wir die betreffenden Haushalte per Infoflyer auf, sich bei uns zu melden und einen passenden Termin abzustimmen.“ Falls ein solcher trotz mehrmaliger Nachfrage nicht zustande komme, melde sich schriftlich das Amt für Steuern und Gebühren, und die Zählerstände würden geschätzt. Das Wasser werde jedoch niemandem abgedreht. „Wir sind ja keine Unmenschen“, sagt Schlosser.
Manchmal wird der Besuch auch durch das Misstrauen der Bewohner erschwert. Binder erinnert sich an einen Fall, kurz nachdem er seine Stelle angetreten hatte. Dazu müsse man wissen, erklärt er, dass die Stadt von sich aus auf all jene zugehe, die turnusmäßig wechseln müssten, sich aber nicht meldeten. An besagtem Tag also war Binders Dienstkleidung, auf der Name und Funktion stehen, noch nicht fertig, gleiches galt für den Ausweis. Das Auto mit dem Schriftzug „Trinkwasserversorgung Ebersberg“ wiederum war ein Stück weiter weg geparkt. Kein Wunder also, dass die Seniorin, an deren Tür er klingelte, ihn nicht sofort ins Haus ließ, sondern bat, am Nachmittag wiederzukommen – um vorher seine Identität überprüfen zu können.
Vorsichtig zu sein, schadet sicher nicht – obwohl die Polizeiinspektion Poing in ihrem Dienstbereich keine Steigerung im Bereich der „falschen Handwerker“ verzeichnet. Was es bei diesem Thema zu beachten gibt, findet sich im Internet auf www.polizei-beratung.de unter dem Stichwort „Haustürbetrug“.
Doch nicht nur aufgrund des anfänglichen Argwohns der Kundin blieb Binder das Ereignis im Gedächtnis. „Kurz vorher hatte der Krieg in der Ukraine begonnen, was die alte Dame sehr erschütterte. Sie beklagte immer wieder, dass sie so etwas in ihrem Alter nochmal erleben müsse. Dann begann sie zu weinen.“ Binder versuchte, Trost zu spenden, nahm sich Zeit für ein Gespräch. „Da schaut man nicht auf die Uhr.“
Wenn das Wasser aus der Straße schießt, sind Franz Schlosser und sein Team zur Stelle
Das gilt generell für das Team von Franz Schlosser, denn dort ist der rund um die Uhr erreichbare Notdienst angesiedelt. Unter (0151) 151 488 66 kann man sich auch nachts und am Wochenende melden, wenn irgendwo das Wasser aus der Straße schießt. „Bei einem Rohrbruch ist schnelles Handeln gefordert. Im schlimmsten Fall muss man den kompletten Schadensbereich absperren, um dann eventuell später mit einem Bagger die Straße zu öffnen“, macht Schlosser die Brisanz einer solchen Situation deutlich.
Je nachdem, wie schnell ein solch schweres Gerät verfügbar sei, müsse entschieden werden, ob eine Notversorgung für die Häuser aufgebaut oder den Anwohnern einen Tag lang das Wasser abgestellt werde. Vor allem im Winter, bei Frost, träten solche Fälle ein. Etwa zehn bis zwölf Mal im Jahr müsse man dafür ausrücken.
:Vieles bleibt rätselhaft
Seit mehreren Jahren regt der jahrhundertealte Brunnen im Ebersberger Forst nun die Fantasie an. Forscher glauben, dass es in der Nähe eine Siedlung gegeben haben muss – doch Beweise haben sie bisher nicht gefunden.
Auch wenn das Wasser kniehoch im eigenen Keller steht, könnte man anrufen. Allerdings rät Schlosser: „In diesem Fall ist es aber ratsam, die Notrufnummer 112 zu verständigen. Der diensthabende Kollege wird dann versuchen, den Wasseraustritt durch Schließen des Hausanschlussventils zu stoppen. Aber es muss natürlich auch noch der Keller leergepumpt werden, was dann oft die Feuerwehr im Rahmen der technischen Hilfeleistung übernimmt.“
In der Regel aber läuft alles glatt im Ebersberger Leitungsnetz mit seiner Gesamtlänge von etwa 112 Kilometern. Durch dieses fließt das regelmäßig getestete Trinkwasser (die Ergebnisse finden sich öffentlich auf der Rathaus-Seite) von zwei Tiefbrunnen im Ebersberger Forst über eine Transportleitung zum Hochbehälter auf der Ludwigshöhe. Der Behälter befindet sich unter der Erdoberfläche und hat zwei Kammern mit je 1000 und 3000 Kubikmetern (was einer Menge von vier Millionen Litern Wasser entspricht). Darin wird das kostbare Nass gespeichert, bevor es in das Verteilungsnetz der Gebäude geht.
All diese Standorte müssen regelmäßig kontrolliert werden. Zu prüfen sind Leitungen, Zauntore und Türen rund um das Maschinenhaus im Forst sowie das dort befindliche Notstromaggregat – und hin und wieder muss ein Hydrant ersetzt werden. Auch so etwas gehört zu den Aufgaben von Florian Binder und seinen Kollegen.
Binder wird demnächst eine einjährige Weiterbildung zur Fachkraft für Wasserversorgungtechnik beginnen. Obwohl der Beruf sich auch gut für Mädchen eigne, sagt er, sei die Branche nach wie vor überwiegend in männlicher Hand. Doch wer weiß, ob das so bleibt. Vielleicht klingelt in Ebersberg ja irgendwann auch einmal eine Zählerwechslerin.