Unterschleißheim: Bürgerbühne zeigt „Träum weiter, USH“ zum Stadtjubiläum – Landkreis München | ABC-Z

Schon bevor die Vorstellung beginnt, wird klar: Bei Bedarf ist alles im Eimer. Eine resolute Hausmeisterin, ausgerüstet mit Gummistiefeln und einem Schutzhelm mit Unterschleißheimer Wappen, tigert zwischen den vor dem Festsaal wartenden Zuschauer herum und informiert per Lautsprecher über das stürmische Wetter draußen. Sie hat einen Stapel Eimer bei sich: Man weiß ja nie, was da im Bürgerhaus der Stadt durchs (tatsächlich seit Jahren) undichte Dach alles herabtropfen kann. Auch später wird sie, die natürlich keine Hausmeisterin, sondern eine, von Petra Halbig mit lustvollem Grant verkörperte, Facility Managerin ist, zwischen den Stuhlreihen schreiten und ihre Eimer symbolisch verteilen.
„Immer dieses Gfrett mit dem Regen“ ist eine der Episoden, die an diesem Abend bei der Premiere von „Träum weiter, USH“ zur Aufführung kommen – ein Jubiläumsstück, das „25 Jahre Stadt Unterschleißheim“ theatralisch feiert und sich dabei in märchenhaften Szenen zu einer schrägen Nummernrevue verdichtet. Die Uraufführung am Samstag ist eine Frucht des Projekts „Bürgerbühne“ – spielfreudige Laien aus Unterschleißheim haben dabei unter Leitung der Regisseurin und Theaterpädagogin Anschi Prott in rund zwölf Monaten eine Inszenierung erarbeitet, die von lokaler Thematik inspiriert ist.
Am Ende regnet es freilich keine Tropfen, sondern rote Rosen ins Publikum, das gleichnamige Chanson von Hildegard Knef ist mit verändertem Text ohnehin ein Leitmotiv des Abends, und der Applaus ist kräftig. Bürgermeister Christoph Böck (SPD), der im Stück mehrfach Erwähnung findet, zeigt sich hinterher „begeistert“ ob der Spielfreude und Gesangkunst der Protagonisten. Und in der Tat ist es erstaunlich, welch Bühnenpräsenz und Lust sich da mitunter entfalten und wie die großartigen Kostüme und das Bühnenbild diese Wirkung optisch flankieren.
Die Handlung wurzelt auf einer schönen Prämisse: Außerirdische wollen herausfinden, warum in Unterschleißheim die zufriedensten Bürger wohnen. Als der Versuch à la „E.T nach Unterschleißheim telefonieren“ daran scheitert, dass die beiden Tele-Tubbie-artigen Aliens außerhalb der Bürozeiten in der Verwaltung anrufen, begeben sie sich persönlich in den Münchner Norden. Dort werden sie von einem „Traumwürmchen“ belehrt, dass die Antwort komplex sei: Zu dritt reisen sie – videotechnisch umgesetzt auf einer Leinwand – nun auf einer Traumwolke in die Unterschleißheimer Träume, Geschichten und Gefühle.
Das Panoptikum, das sich in den Episoden ergibt, reicht von „Überleben in Unterschleißheim als Nicht-Bayer“ über „Besuch in Oberschleißheim“ bis zu „Umverteilung des Geldes“. Neben Normalbürgern bevölkern fiktive Figuren wie Peter Pan, Robin Hood und Osterhasen die Bühne. Es geht um fantastische Konzepte einer neuen Ortsmitte, suboptimale Zusammenarbeit mit dem Bürgerbüro („Man hat der Oma persönlich gesagt, dass das nur online geht“) oder „Dipfischeißer“ vom Wertstoffhof. Es sind nicht die existentiellsten aller Probleme, die sich hier auftun, aber solche, die das Dasein versauen und von deren Behebung man träumen darf. Humorvoll thematisiert wird, dass Oberschleißheim touristisch attraktiver sei („Die haben die Schlösser, die wo Unterschleißheim auch gern hätte“) oder es kaum Möglichkeiten für die Jugend gebe, sich am Ort zu amüsieren: „Ab 22 Uhr ist hier tote Hose“. So stellt sich die Frage: Ist die Jugend in Unterschleißheim zu schnell vorbei?
Ja, auch philosophische Gedanken finden Eingang. In der Szene „Wenn Schafe auf Schwäne treffen“, in der drei tänzelnde Männer (Gerald Christoph, Reinhard Mentele, Markus Sailer) im Tutu agieren und die vier in Schafkostüme gewandete Frauen (Rita Feichtinger, Anke Schabel, Simone Seling, Gina Fohrmann-Zeindl) auftreten, stellen letztere bedenkenswerte Fragen: Wie es denn sei, wenn man aus der Zeit gefallen sei, ob man dann für immer zeitlos sei? Oder wieder zurückkehren könne?
Des Weiteren tritt eine Milliardärin auf, die ihr Geld lieber in Oberschleißheim loswerden will und auch der sprachliche Kulturkampf wird thematisiert: Der örtliche Polizeichef schreit immer auf, wenn er das Binnen-I vernimmt oder Peter Pans Bemerkung, er sei „non-binär“. Vroni Ponschab, die diesen Peter Pan spielt, gehört zu den Darstellerinnen, die einen Tick herausragen, ähnlich wie ihre Robin-Hood-Kollegin Kathrin Ponschab. Aber auch Rita Feichtinger und Reinhard Mentele entfalten besondere Spielfreude oder „Neubürgerin“ Simone Seling. Und da wäre noch Jutta Hohensee, die wie alle anderen in mehrere Rollen schlüpft, dabei überzeugt und sich besonders eindrucksvoll als Sängerin präsentiert.
Generell gab es natürlich Unterschiede in puncto Textsicherheit, Artikulation und Darstellungskunst. Mitunter hätte mehr Tempo gutgetan, manche Pointe zündet nicht. Gleichwohl ist es ja bei so einem Projekt auch der Charme des Unvollkommenen, die Leidenschaft der Theater-Laien, die Effekt zeitigt. Das Publikum in Unterschleißheim wird an diesem Abend jedenfalls nicht nur musikalisch „mit Liebe verwaltet“ und roten Rosen beworfen. Wenn das Ensemble am Ende „USH, USH, USH!“ deklamiert (das wie „USA, USA, USA“ klingt) steckt das in seiner humorvollen, fast subversiven Ausgelassenheit fröhlich an.





















