Unterhaltungsfaktor, Titel und KfZ-Kennzeichen: Warum Berlin die bessere Fußballstadt ist als Hamburg | ABC-Z
Vor Hertha/HSV und St. Pauli/Union
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Warum Berlin die bessere Fußballstadt ist als Hamburg
Dass Hertha und Union wie am kommenden Wochenende quasi zeitgleich gegen den Hamburger SV und St. Pauli spielen, ist ungefähr so selten wie ein ausgeglichner Berliner Haushalt. Zeit für einen Direktvergleich der beiden Fußballstädte. Von Ilja Behnisch
Die Meistertitel
Dass Erfolg nicht alles ist, sagen natürlich nur die, die ihn nicht haben. Oder weniger als andere. So wie Hamburgs Fußball, wenn man mal das große Ganze betrachtet. Seit 1903, seit Gründung des Deutschen Fußball Bundes in Leipzig (was – vermutlich kein Zufall – viel näher an Berlin denn an Hamburg liegt) haben Hamburger Sportvereine sechs deutsche Meisterschaften errungen.
Wobei das wörtlich zu nehmen ist: Hamburger Sportvereine. Denn einzig dem HSV ist es bisher gelungen, wirklich Stolz über die Hansestadt zu bringen. In Berlin hingegen: 21 Meistertitel, brav aufgeteilt auf fünf Vereine (BFC Dynamo, ASK Vorwärts, Viktoria, Hertha, Berliner TuFC 1892) und zwei politische Systeme. Nun ist Berlin deshalb nicht automatisch fünfmal so gut wie Hamburg. Aber irgendwie auch doch. Punkt jedenfalls für die Hauptstadt.
Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 1-0
Die Fan-Basis
In einer anderen, gut messbaren Kategorie liegt Hamburg tatsächlich vorn: Der FC St. Pauli (49.000) und der Hamburger SV (110.000) kommen zusammen auf mehr Vereinsmitglieder als der 1. FC Union Berlin (69.000) und Hertha BSC (58.000). Dafür muss sich die deutsche Hauptstadt allerdings gar nicht grämen, ganz im Gegenteil: In der Hansestadt haben sie eben auch sonst nichts! Ob Handball (Füchse), Eishockey (Eisbären), Basketball (Alba), Volleyball (BR Volleys) – überall zählen Berliner Teams zur absoluten Spitze, wenn sie nicht gleich Serien- und Rekordmeister sind. Und Hamburg? Kommt auf jeweils ein Mittelklasse-Team in der Hand- und Basketball-Bundesliga. Macht in der Gesamtbetrachtung ein Unentschieden in dieser Kategorie.
Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 2-1
Die Vereinshymnen
„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“, heißt es nach dem Dichter Johann Gottfried Seume, der vor allem einen Makel hat: Er kommt nicht aus Berlin. Aber Recht hat er dennoch. Nun wird auch in Hamburg vor Fußballspielen gesungen. Ja, ja. Aber während man beim HSV nach langen Jahren, in denen es „Hamburg, meine Perle“ hieß, nun auf „Mein Hamburg lieb ich sehr“ setzt und der FC St. Pauli nach „Das Herz von St. Pauli“ immer schon auf die australischen Rockgranden von AC/DC und ihre „Hells Bells“ zurückgreifen muss, weil wohl sonst nicht viel ist, ist man sich seiner Sache in Berlin sicher.
Im Olympiastadion röhrt Legende Frank Zander „Nur nach Hause“, im Stadion an der Alten Försterei röhrt Legende Nina Hagen „Eisern Union“ – mehr braucht es nicht, brauchte es nie. Und Hamburg? Schaut angesichts dieser Gänsehaut-Garanten, genau – in die Röhre. Punkt für die Hauptstadt.
Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 3-1
Die Kennzeichen
Was mag der Deutsche außer Fußball noch? Autos. Zeig’ mir dein Auto und ich sag’ Dir, wer Du bist, heißt es auch. Und was fährt der stereotype HSV-Fan? Porsche oder irgendein anderes Fahrzeug, bei dem man sich nie so recht sicher sein kann, was mehr drüber ist: die PS-Zahl oder der Preis? Und St. Pauli-Anhänger? Fahren entweder Lastenrad oder VW Bus, übersät mit Aufklebern von Viva con Aqua, Kliemannsland (ging nicht ab) und irgendwas mit Hamburg- oder Surf-Referenz (Aloha <3 Poppenbüttel).
Hertha-Fans halten mit Japan-Youngtimern dagegen, ohne zu wissen, was das ist: ein Youngtimer. Die eisernen Dacias und Skodas der Unioner hingegen werden gefahren, bis sie nicht mehr fahren. Klarer Sympathie-Punkt für Berlin. Und da haben wir noch nicht mal angefangen, über KfZ-Kennzeichen zu sprechen. Denn HH-SV als Grundlage jedes Wunsch-Kennzeichens, das klingt doch schon nach Selbstaufgabe. B-SC hingegen – solidestes Understatement, Reduktion auf das Wesentliche.
Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 4-1
Der Unterhaltungsfaktor
Zugegeben, der FC St. Pauli macht als Verein vieles richtig. Er kämpft für Nachhaltigkeit und gegen Nazis, ist sich seiner sozialen Verantwortung vielleicht noch mehr bewusst als andere Klubs, selbst wenn diese das auch oft ganz gut machen. Und ja, der Hamburger SV hat einen ganz unterhaltsamen Lauf, seitdem er sich zunächst in einer Reihe von Relegationsspielen gegen den ersten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte stemmte, um sich anschließend in einer Reihe von Relegationsspielen gegen den ersten Bundesliga-Wiederaufstieg der Vereinsgeschichte zu stemmen.
Aber mal im Ernst: Allein die beiden Stichwörter „Windhorst-Einstieg“ und „Klinsmann-Tagebücher“ bieten mehr unterhaltsamen Stoff als die komplette Vereinschronik eines durchschnittlichen Bundesligisten. Wer es lieber herz-kitschig mag, wird in Köpenick fündig wie sonst nirgends. Bluten für den Stadion-Neubau. Applaus auch in der Niederlage. Und niemals vergessen: Eisern Union. Kurzum – Punkt und Kantersieg für Berlin.
Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 5-1
Sendung: rbb24 Inforadio, 23.01.2025, 09:15 Uhr