Haute-Couture-Woche in Paris – Stil | ABC-Z

Demnaciaga, die letzte
Designer werden entweder gefeuert oder gehen im Streit zu einem anderen Label. Dass man innerhalb der gleichen Gruppe einen Posten weiter geschachert wird und noch eine Mega-Sause zum eigenen Abschied geben kann – passiert nur in der modernen, gerade etwas strauchelnden Luxuskonglomerat-Welt. Demna verlässt also bekanntlich Balenciaga in Paris, aber bevor die GG-Koffer in Richtung Rom gepackt wurden, zeigte er am Mittwoch noch seine letzte Haute-Couture-Kollektion für das Haus und zimmerte sich passend dazu auch einen Abschied nach Maß.
Das fing schon beim Casting an. Eigentlich musste man nur die Dezibel des Gekreisches draußen auf der Avenue George V messen, um zu erraten, wer gerade im schwarzen Mini-Van vorgefahren war. Nicole Kidman, Katy Perry, Lorde, Cardi B und die gerade noch flitternde Lauren Sánchez Bezos saßen im Publikum. Kim Kardashian, Isabelle Huppert, Naomi Campbell und Sunnyi Melles liefen über den Laufsteg und posierten fürs Lookbook vor typisch Pariser Kulisse. Bei den Models wie im Publikum war vor allem ein Best-of von Demnas Entwürfen zu sehen, im Grunde eine Live-Werkschau seines Schaffens der vergangenen zehn Jahre. Die übertriebenen Proportionen, die wie eine unwiderstehliche Zumutung funktionierten, das finsterste Schwarz gepaart mit glitzernden Accessoires, die gimmickhaften Accessoires, von denen die Leute nie genug bekommen konnten (Sánchez Bezos trug einen Coffee to go in der Hand, der sich in Wahrheit natürlich als Clutch entpuppte).
Dass die Stars anrollen, wenn der Hohepriester seine letzte Audienz gibt, ist nicht verwunderlich. Viel rührender waren die Mitarbeiter des Ateliers, die treuesten Kunden und Weggefährten, die Backstage (natürlich überproportional große) Tränen vergossen. Tatsächlich geht hier ja nicht einfach eine Ära zu Ende, es wird auch ein ganz bestimmter Balenciaga-Look beerdigt, der so prägend und erfolgreich war, dass er sich in weiten Teilen selbst abgeschafft hat und direkt ins Museum wandern kann. Demna dürfte – jedenfalls so die allgemeine Hoffnung – seine Designsprache nicht eins zu eins auf Gucci übertragen. Sein Nachfolger Pierpaolo Piccioli, der von Valentino kommt, steht eher nicht in Verdacht, auf die gleiche Disruption zu setzen. Die ersten Celebritys allerdings, so ist aus Paris zu hören, sind bereits „Team Gucci“.
Glenn ist der nächste Martin
Jedem Abschied wohnt ein Neuanfang inne, und in der Mode kommen auf jeden Weggang mindestens zwei Debüts. Am Sonntag (streng genommen nicht im Couture-Kalender) zeigte Michael Rider seine erste ziemlich tolle Celine-Kollektion, am Mittwochabend präsentierte Glenn Martens seine anders tolle Maison Margiela Artisanal. Wer schon bei einem Label wie Diesel die Stoffe fast manisch bearbeitet, musste früher oder später einen Couture-Job ergattern. Wobei Martens, siehe oben, ebenfalls innerhalb der eigenen Gruppe einen weiteren Job dazunimmt. In einem Vorab-Interview kündigte er an, die Eleganz seines Vorgängers John Galliano beibehalten zu wollen, aber auch zu den Wurzeln von Martin Margiela zurückkehren zu wollen.
Da gingen in der Modewelt sofort sämtliche Alarmglocken an. Zumal er ja selbst Belgier ist. Zumal er in der gleichen Location zeigte wie Margiela 2008 seine letzte Show. Zumal er ankündigte, mit Masken spielen zu wollen, die Margiela oft verwendet hatte, um den Blick weg von den Models, hin zur Kleidung zu lenken. Auch die Verwendung von Plastik, das oft Puppenhafte ließ er nicht aus, aber er fügte zum Glück noch seinen ganz eigenen, modernen Wahnsinn hinzu. Diese Kleider sind nicht im klassischen (Couture-)Sinne schön, elegant, kunstvoll, sondern auf andere Art berauschend. Eine Herausforderung für das so oft unterforderte Auge, wahrscheinlich eine Grenzerfahrung für das Atelier.

Schreddern ist die Zukunft
Die Haute-Couture-Woche dient nicht nur als weitere Auslauffläche für Stars und Marketingaktivitäten, sie dient auch als Schaufenster für kleinere Couturiers, im besten Fall auch als Denklabor der Mode von morgen. Der Japaner Yuima Nakazato gehört in seiner Heimat zu den aufstrebenden Talenten und ist momentan der einzige Japaner, der auf dem offiziellen Kalender zeigen darf. Zuletzt sorgte er mit einem Dokumentarfilm für Aufsehen, „Dust to dust“ gewann im vergangenen Jahr den Human/Nature Award beim Tribeca Festival. Der Film begleitet Nakazato auf eine Reise nach Kenya, wo er zum ersten Mal mit eigenen Augen die verstörend riesigen Berge von Altkleidern sieht und den Menschen begegnet, die den Abfall des Westens jetzt am Hals haben.
Seitdem versucht Nakazato Lösungen zu finden und arbeitet intensiv mit Epson zusammen, die mit ihren Druckern auch innovative Verfahren für Stoffe entwickeln, die im Gegensatz zu den gängigen Methoden kaum Wasser benötigen oder mit denen sich Seide beispielsweise beidseitig bedrucken lässt, wie Nakazato bei einigen Entwürfen seiner aktuellen Kollektion zeigte. Besonders interessant könnte der Einsatz der sogenannten Dry Fiber Technologie (DFT) sein, die von Epson eigentlich für Papierabfälle in Büros entwickelt wurde. Eine Art riesiger Schredder, der Papier in Fasern zersetzt und dabei kaum Wasser benötigt. Nakazato fragte die Ingenieure, ob das nicht auch mit Altkleidern möglich sei. Ergebnis: Ist es, und dabei müssten Mischgewebe nicht einmal getrennt werden, was das Recycling von Kleidern bislang so schwierig macht. Allerdings steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen. Bei seiner letzten Kollektion zeigte Nakazato ein festes Vlies aus DTF, das anschließend bedruckt und zu Mänteln verarbeitet wurde. Diesmal veredelte der Designer das Material mit japanischer Lacktechnik und verwendete es für Schuhe.