Unionsprogramm bei Maischberger: Hendrik Wüst weicht Frage nach Haushaltsfinanzierung aus | ABC-Z
Unionsprogramm bei Maischberger
Hendrik Wüst weicht Frage nach Haushaltsfinanzierung aus
18.12.2024, 05:14 Uhr
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Am Wochenende hat die Union ihr Wahlprogramm beschlossen, das von vielen Ökonomen kritisiert wird. Am Dienstagabend versucht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei Sandra Maischberger im Ersten, die Kritik zu entkräften. Ganz gelingt ihm das nicht.
Am Montag hat Bundeskanzler Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt und wie geplant verloren. Die Erleichterung nach dem Ende der Ampelregierung ist in der Bevölkerung sehr deutlich zu spüren. Wie die Bundestagsdebatte vor der Abstimmung zur Vertrauensfrage gezeigt hat: Der Wahlkampf ist in seine heiße Phase getreten.
Union und SPD haben ihre Wahlprogramme vorgelegt. Fachleute kritisieren beide. Das Unions-Wahlprogramm hat danach ein besonderes Problem: Es enthält viele Wahlversprechen, die nicht finanzierbar sind. Die Union wirbt mit Reformen im Wert von 90 bis 100 Milliarden Euro. Das haben Ökonomen ausgerechnet. Sparen will man vor allem beim Bürgergeld. Die Summe bezifferte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auf etwa 50 Milliarden Euro. Das sei zu hoch gegriffen, sagen Experten. Am Dienstagabend ist Hendrik Wüst Gast bei Sandra Maischberger in der ARD. Dort soll er über das Wahlprogramm der Union sprechen. Wüst ist Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, war für kurze Zeit als Unions-Kanzlerkandidat im Gespräch und regiert zusammen mit den Grünen, erfolgreich und ohne Streit. Was in mehreren Bundesländern funktioniert, schließt zumindest der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von der CSU im Bund aus.
Die Wirtschaftsreformen
Gleich zu Beginn des Interviews, bei dem Moderatorin Sandra Maischberger ihren Gast versehentlich als Ministerpräsident von Baden-Württemberg vorstellt, soll Henrik Wüst erklären, wie die Union ihre geplanten Reformen finanzieren will. Er weicht erst einmal aus: “Die viel spannendere Frage ist, wie viel Wachstum wir damit auslösen. Wie viel Wachstum schaffen wir? Denn wir brauchen Wachstum.” Das hat niemand bestritten. In Deutschland gehen immer mehr Arbeitsplätze verloren. Das weiß auch Wüst. Bei Ford in Köln sind 2900 Jobs nicht mehr sicher. Auch bei ThyssenKrupp oder dem Automobilzulieferer Schäffler läuft es nicht rund, um nur einige Unternehmen zu nennen. Um Arbeitsplätze zu sichern, brauche Deutschland Wachstum, um mehr Einnahmen zu generieren, sagt Wüst. Damit könne auch soziale Sicherheit geschaffen werden. Die Union wolle nach einer möglichen Regierungsübernahme im Bund alle Ausgaben überprüfen. Zum Beispiel das Bürgergeld. “Wir haben das auch ganz ehrlich gesagt. Wir haben ziemlich angeeckt und Kritik auf uns gezogen, wenn wir sagen, wir schaffen eine Grundsicherung, die anders ist als das Bürgergeld.”
Das Problem ist: Wachstum zu planen, ist ein Wagnis. So droht der neue US-Präsident Donald Trump damit, Zölle auf Importe zu erheben. Das dürfte auf Deutschland wachstumshemmend wirken. Darauf weist Moderatorin Sandra Maischberger hin. “Deutsche Investoren bezahlen gerade Wachstum im Ausland”, antwortet Wüst. “In den letzten zwei Jahren sind über 200 Milliarden Euro aus Deutschland abgeflossen, auch sehr viel aus der Industrie in Nordrhein-Westfalen.” Viele Unternehmen haben ihre Produktion laut Wüst in die USA verlegt. Dort seien die Rahmenbedingungen besser, weil unter anderem der Strom und Steuern dort günstiger seien und es weniger Bürokratie für die Unternehmen gebe. “Das sind die Dinge, an denen wir arbeiten müssen”, fordert Wüst. In diesem Bereichen müsse Deutschland besser werden, statt Investitionen an Unternehmen auszuschütten.
Um wieder ein Wirtschaftswachstum zu erreichen, muss man zunächst Geld aufwenden. Das muss an anderer Stelle gespart werden. Zum Beispiel beim Bürgergeld, sagt die Union. Doch das wird nicht reichen, so Wüst. Im Bundeshaushalt, der eine Höhe von 490 Milliarden Euro habe, gebe es noch genug Sparpotential. Wo genau, sagt er nicht. Wichtig sei, erste Wachstumsimpulse auszulösen. “Es geht hier auch um Psychologie, die wir auslösen müssen, damit wieder bei uns investiert wird, damit die Arbeitsplätze bei uns sicher sind.” Weil aber Moderatorin Maischberger weiter nachhakt, spricht Wüst das Bürgergeld an. “Wir müssen Leute wieder in Arbeit bringen, die dann auch Beiträge bezahlen”, sagt er. “Wir haben eine kuriose Situation: Auf der einen Seite haben wir wieder steigende Arbeitslosigkeit, auf der anderen Seite offene Stellen. Wir haben ein Vermittlungsproblem. Wenn aber Vermittlung gar nicht der Vorrang ist, sondern alle möglichen Dinge, und wenn ganz viele Menschen im Bürgergeld das Gefühl haben, dass sie nicht richtig viel Druck haben, ist das nicht fair. Und es kostet eine Menge Geld.”
Die Schuldenbremse möchte Wüst möglichst nicht verändern. “Wir sehen jetzt: In diesem und im letzten Jahr hat die Bundesregierung hundert Milliarden Euro an Schulden aufnehmen können, trotz der Schuldenbremse. Das Prinzip ist richtig, und daran ist bei der Union auch nicht zu rütteln.”
Subventionen in die Industrie will Wüst aber auch nicht. “Staatliche Subventionen können immer nur ein Strohfeuer sein. Man kann mal was in die Welt bringen, etwas Neues machen. Das ist gar keine Frage.” Aber dauerhaft Wirtschaft und Arbeitsplätze von staatlichem Geld abhängig zu machen, das sei falsch. Und das wolle der Grünen-Kanzlerkandidat Habeck. Die Union wolle die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die Industrie erholen könne und neue Arbeitsplätze entstünden.
Union und die Grünen
I n ihrem Wahlprogramm verspricht die Union, das von der Ampelregierung beschlossene Heizungsgesetz wieder abzuschaffen und spricht sich gegen ein Verbrenner-Verbot aus. Zudem will sie die Rückkehr zur Atomenergie prüfen. Wüst findet das erwartungsgemäß okay. Er selbst sei gegen die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke gewesen, sagt er. “Wir können nicht überall aussteigen, bevor wir eingestiegen sind. Ich bin gerne auch bereit, aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, wenn wir vorher in bezahlbare Gaskraftwerke einsteigen. Aber das muss die Schrittfolge sein: Erst einsteigen, dann aussteigen.”
Die Grünen sehen das anders. Aber fallen sie damit als Koalitionspartner für die Union weg? “Klar ist, dass uns als Union SPD und FDP immer ein Stück näher liegen. Und trotzdem bin ich sehr dafür, dass man jetzt nicht über Koalitionsoptionen spricht. Wir haben noch zwei Monate bis zur Bundestagswahl. Jetzt ohne ein Ergebnis zu kennen zu sagen, ich mache das ganz sicher oder ich mache das ganz sicher nicht, finde ich nicht besonders clever.” Wenn die Grünen ihre Politik nicht ändern würden, dann würde eine Koalition mit ihnen aber schwer, so Wüst weiter.