Unionspolitiker stellen sich an Israels Seite | ABC-Z

Israel musste sich zuletzt immer mehr Kritik anhören, auch vonseiten der Bundesregierung. Der Blick richtete sich vor allem auf den Hunger und das Leid der Menschen im Gazastreifen. Besonders deutlich wurde das, als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Anfang vergangener Woche eine Luftbrücke für den Gazastreifen angekündigt hatte. Doch nun gibt es in der Union immer deutlichere Warnungen davor, Israel im Stich zu lassen – sogar von Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU).
Zwei Aspekte spielen in der Debatte eine wichtige Rolle: erstens das verstörende Propagandavideo der Hamas vom Wochenende, in dem die Geisel Evyatar David ein Grab schaufelt, und zweitens die Information, dass ein erheblicher Teil der Hilfsgüter nicht die Bedürftigen in Gaza erreicht.
Frei machte deshalb am Montag die Hamas für die Situation verantwortlich. „Inzwischen kommen jeden Tag weit mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen, als zur Verhinderung einer Hungersnot notwendig wären“, sagte er dem Sender ntv. Das Problem sei, „dass über 50 bis zu 90 und mehr Prozent der Hilfslieferungen von Terroristen, von der Hamas, von organisierter Kriminalität gekapert werden“. Die Hilfe komme deshalb nicht dort an, wo sie ankommen müsste.
Wie es dazu kommt, dass Lieferungen von Hilfsgütern in den Gazastreifen nicht immer ankommen, ist unklar. Laut den neuesten Angaben des Nothilfebüros der Vereinten Nationen (OCHA) konnten zwischen dem 23. und dem 29. Juli nur 47 Prozent der Hilfstransporte durchgeführt werden; die restlichen wurden von der israelischen Armee untersagt oder mussten aufgrund der Bedingungen vor Ort abgesagt werden.
Hamas macht Israel für Plünderungen verantwortlich
Die Hamas teilte am Montag mit, am Sonntag seien lediglich 80 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangt. Dies sei deutlich weniger als die 600 Lastwagenladungen pro Tag, die benötigt würden. Zudem seien „die meisten“ Lastwagen geplündert worden. Die Schuld daran wies die Hamas Israel zu: Eine „bewusst herbeigeführte und aufrechterhaltene chaotische Sicherheitslage“ sei der Grund für die Plünderungen. Fachleute und Vertreter von Hilfsorganisationen geben an, dass in vielen Fällen hungrige Zivilisten die Lebensmittel stehlen. Es gebe aber auch organisierte Plünderungen durch Banden. Laut einem Bericht der „New York Times“ hat die israelische Armee, anders als von der Regierung behauptet, bislang keine Beweise für eine systematische Abzweigung der Hilfsgüter durch die Hamas gefunden.
Frei scheint sich bei seiner Anschuldigung gegen die Hamas auf eine Information des Bundesnachrichtendienstes aus einer Telefonschalte des Sicherheitskabinetts am Samstag zu beziehen, über die auch diese Zeitung berichtet hatte. Nach F.A.Z.-Informationen teilte der Dienst in der Schalte mit, dass zwar jetzt täglich bis zu 220 Lastwagen einfahren könnten, was deutlich mehr wäre als in den vergangenen Wochen, aber dass 50 Prozent und mehr davon von der Hamas oder kriminellen Banden in Beschlag genommen würden. Im Fernsehen sagte Frei weiter, dass gerade in den vergangenen Tagen deutlich geworden sei, „dass nicht Israel das Problem ist, sondern die Hamas“. Diese setze zudem sehr häufig Bilder aus dem Gazastreifen ein, die ausschließlich Propagandazwecken dienten. Man müsse aufpassen, „dass man den Terroristen nicht auf den Leim geht“, sagte Frei.
Frei bezeichnete eine schnelle Freilassung der israelischen Geiseln als „Grundvoraussetzung für einen Waffenstillstand“. Dies sei zudem die Grundvoraussetzung für eine Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen als auch dafür, dass es tatsächlich zu Verhandlungen kommen könne. „Wir sehen ja immer wieder Fotos, die dokumentieren, dass diese Geiseln unglaublich schlecht, furchtbar behandelt werden, dass sie zu Propagandazwecken missbraucht werden“, sagte Frei.
Damit war er beim zweiten Aspekt, der dazu beiträgt, dass sich der Ton der Debatte ändert: dem Propagandavideo. Merz hatte sich entsetzt darüber gezeigt. Am Sonntag schrieb der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Armin Laschet (CDU), auf der Plattform X: „Hamas-Terroristen veröffentlichen ein Horror-Video, in dem ausgehungerte Geiseln ihr eigenes Grab schaufeln. Sie sind sich ihrer Sache sicher, weil ihr Propaganda-Kampf in Europa längst Erfolg hat.“ Der israelische Präsident Herzog appelliere nun an die Welt, sich mit Nachdruck für die Freilassung der Geiseln einzusetzen. „Warum schafft es unsere Staatsspitze nicht, sich dem Appell anzuschließen, täglich die Namen der deutschen Geiseln zu nennen und die sofortige Freilassung zu fordern?“, so Laschet weiter. „Warum sind die Bilder der geschundenen Deutschen nicht täglich in den deutschen Medien?“ Sieben der verbliebenen Geiseln haben die deutsche Staatsbürgerschaft.
Auch der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) warnte vor der Propaganda der Hamas. „Die deutsche Nahost-Politik macht einen Riesenfehler, wenn sie sich der kognitiven Kriegsführung der Hamas unterwirft und einer Täter-Opfer-Umkehr das Wort redet“, sagte Kiesewetter am Montag dem Tagesspiegel. Es gelte, unverbrüchlich an der Seite Israels zu stehen „und die propalästinensischen israelfeindlichen Narrative in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu entlarven“. Und er fragte: „Warum wirft Deutschland Hilfspakete über Gaza ab, die laut Bundeskanzler bis zu 100 Prozent in Hamas-Hände fallen, also die direkte Unterstützung der Hamas bewirken?“
Über eine andere Art von Hilfsangebot äußerte sich Frei beim Sender ntv zudem zurückhaltend. Die Pläne von Hannover und Düsseldorf, hilfsbedürftige Kinder aus dem Gazastreifen und Israel aufzunehmen, sieht er kritisch. Es sei zunächst einmal wichtig, vor Ort zu helfen, sagte er. Es komme darauf an, so vielen Menschen wie möglich zu helfen. „Und deshalb wäre ich immer zurückhaltend vor der Frage, inwieweit man ausfliegen kann. Da würde es immer nur um einzelne Personen gehen und darüber hinaus viele Fragen zu klären sein.“ Hannover und Düsseldorf hatten vergangene Woche angekündigt, Kinder aufnehmen zu wollen, die besonders schutzbedürftig oder traumatisiert sind. Dafür braucht es aber Unterstützung von Bundesseite für Einreiseverfahren, Auswahl und medizinische Koordination.