Union will Gesetz zur Kasse bitten: Wird Kiffen bald wieder verboten? | ABC-Z
Geht es nach CDU und CSU, sollte die Teil-Legalisierung von Cannabis schnellstmöglich rückgängig gemacht werden. Aber ist das realistisch? Zumindest für die geplanten Cannabis-Fachgeschäfte sieht es düster aus.
Die Cannabis-Teillegalisierung ist noch kein volles Jahr in Kraft, da wird schon mit ihrer Einstampfung gedroht. Die Union, seit jeher erklärter Gegner des Vorhabens und immerhin mit Abstand stärkste Kraft in den Umfragen zur Bundestagswahl, will ihrem Wahlprogramm nach “die Legalisierung dieser Droge” zurücknehmen. Auch Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat bereits das Versprechen abgegeben, das Cannabis-Gesetz “umgehend” rückabwickeln zu wollen. Könnte Kiffen also bald wieder verboten werden?
“Rein theoretisch können alle Gesetze über ein Gesetzgebungsverfahren wieder abgeschafft oder geändert werden, das durch den Bundestag und Bundesrat gehen muss”, sagt der auf Cannabis spezialisierte Rechtsanwalt Peter Homberg im Gespräch mit ntv.de. “In der Praxis kann ich mir das nicht so richtig vorstellen.” Denn auch die Union, sollte sie denn tatsächlich die Wahl gewinnen, wird mit ziemlicher Sicherheit auf Koalitionspartner angewiesen sein. Die drei infrage kommenden ehemaligen Ampel-Parteien, zugleich Urheber des Cannabis-Gesetzes, wollen daran festhalten.
Mit einer Rolle rückwärts bei der Teil-Legalisierung würde Deutschland sich Homberg zufolge auch international unglaubwürdig machen. “Deutschland hat in der Europäischen Union bei der Legalisierung von Cannabis eine Vorreiterrolle. Wenn wir jetzt ein Cannabis-Gesetz, das die vorherige Bundesregierung mit viel Mühe auf den Weg gebracht hat, einfach wieder abschaffen, ist das ein falsches Zeichen.”
Wenige “Cannabis-Clubs” genehmigt
Wahlkämpferische Maximalforderungen sind für gewöhnlich nicht immer umsetzungsreif. In einer unionsgeführten Koalition wäre es aber denkbar, dass an den Eckpunkten des Gesetzes gewetzt wird. Seit dem 1. April 2024 in Kraft ist die sogenannte Säule eins der Teil-Legalisierung, die den Besitz gewisser Mengen Cannabis und den Eigenanbau zum Eigenkonsum erlaubt. Seit dem 1. Juli ist zudem der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Anbau in Vereinen oder Genossenschaften gestattet.
Die bürokratischen Hürden für diese “Cannabis-Clubs” sind hoch, viele Anträge sind offen, Genehmigungen werden derzeit nur vereinzelt erteilt. Dazu kommt die politische Unsicherheit. Auch Anwalt Homberg glaubt, dass die Genehmigungsverfahren für künftige Anbaugesellschaften nach der Bundestagswahl weiter erschwert werden könnten. “Bereits ausgestellte Lizenzen haben aber im Prinzip Bestandsschutz. Da kann man nicht einfach von heute auf morgen eine Untersagungsverfügung schicken”, sagt er. Da die Lizenzen allerdings zeitlich begrenzt sind, sei eine Verlängerung offen.
Wo bleiben die Fachgeschäfte?
Bleibt noch Säule zwei. Dahinter steckt das ambitionierte Vorhaben, so etwas wie einen kommerziellen Markt einzuführen, in Form von wissenschaftlich begleiteten Modellversuchen. Konsumenten sollen demnach ihr Cannabis in Fachgeschäften erwerben können, etwa Apotheken. Eine legale und sichere Alternative für jene, die nicht selbst anbauen oder keine Mitglieder in den ohnehin noch spärlich gesäten “Cannabis-Clubs” werden möchten, so lautet zumindest der Plan.
Schon für den Sommer 2023 kündigte Gesundheitsminister Karl Lauterbach einen entsprechenden Gesetzesentwurf an, doch den gibt es bis heute nicht. Dass sich eine unionsgeführte Regierung diesem Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode annimmt, scheint nahezu ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund ist die Umsetzung der bereits angekündigten Modellversuche fraglich. In Berlin etwa sollen ab dem Sommer dieses Jahres Fachgeschäfte legal Cannabis verkaufen. Die Humboldt-Universität soll das Projekt wissenschaftlich begleiten und evaluieren. Ähnliche Pläne existieren in Frankfurt am Main und Hannover. “Die Säule zwei ist doch ein Stückchen weiter weg, als es die Kommunen, die sich gerne daran beteiligen möchten, wahrhaben wollen”, sagt Rechtsanwalt Homberg.
Dabei hält er eine wissenschaftliche Auswertung für essenziell: “Wir wollen ja herausfinden, ob eine Legalisierung tatsächlich die Auswirkungen hat, die sich die Bundesregierung und viele Experten vorstellen: Dass sie Jugendliche besser schützt. Dass Konsumenten ein besseres Produkt bekommen und kein verunreinigtes vom Schwarzmarkt. Und, dass man den Schwarzmarkt zumindest eindämmt.”
Medizinisches Cannabis auf dem Vormarsch
Während die Union sich bei Cannabis zum Freizeitgebrauch rigoros zeigt und Brücken zu “Bandenkriegen” schlägt, bleibt der medizinische Gebrauch von dieser Rhetorik weitestgehend unberührt. Anfang 2023 hatte die Union selbst einen leichteren Zugang zu Medizinalcannabis gefordert. Der ist inzwischen da – und die Anzahl der Patienten signifikant gestiegen.
Auch dank Online-Plattformen, die ein Cannabis-Rezept innerhalb weniger Minuten versprechen. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge warnte in diesem Zusammenhang vor “Hobbykiffern”, die für Lieferengpässe von medizinischem Cannabis zum Nachteil von Schmerz- oder Krebspatienten verantwortlich seien.
Cannabis-Unternehmer Julian Wichmann weist diesen Vorwurf zurück. Er ist Mitgründer der Bloomwell Group, die ihre App damit bewirbt, dass Menschen “in fünf Minuten” Cannabis-Patienten werden könnten. “Der Begriff ‘Hobbykiffer’ ist eine diskriminierende Stigmatisierung von Patient:innen, die jeden Tag unter ihren Beschwerden leiden. Mich verwundert sehr, so etwas aus dem Munde eines gewählten Volksvertreters zu hören. Das ist enttäuschend”, teilt er ntv.de mit. Co-Gründer Niklas Kouparanis bezeichnete Lieferengpässe als “Märchengeschichten einzelner Individuen”. Vielmehr erreichten die Grammpreise von medizinischem Cannabis stetig neue Tiefstwerte.
“Wir gehen von starkem Wachstum aus”
Eine Verschärfung des Medizinalcannabis-Gesetzes in der anstehenden Legislaturperiode erwartet das Unternehmen nicht. Medizinisches Cannabis werde auch unter einer von der Union geführten Bundesregierung seinen Status als gewöhnliches Arzneimittel behalten, sagt Kouparanis. “Vor diesem Hintergrund gehen wir für Medizinalcannabis von weiterem starken Wachstum 2025 aus.”
Rechtsanwalt Homberg hingegen kann sich vorstellen, dass bei den Online-Plattformen, die nach der digitalen Konsultierung eines Arztes Verschreibungen ausstellen, in Zukunft nachjustiert wird. “Weitere Änderungen sind im medizinischen Bereich aber nicht zu erwarten. Der Markt hat sich hervorragend etabliert und ist auch hinreichend gut reguliert”, sagt er.