Union und SPD wollen Koalitionsgespräche beginnen – Politik | ABC-Z

Nach dem raschen Ende der Sondierungsgespräche von Union und SPD am Samstagnachmittag gehen nun die Verhandlungen über die Bildung einer Bundesregierung in die entscheidende Phase. An diesem Montag sollen die Parteigremien der CDU formal über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden; die Spitzen von CSU und SPD haben schon am Sonntag einstimmig zugestimmt.
Die eigentlichen Koalitionsgespräche sollen dann Ende der Woche beginnen, sehr wahrscheinlich am Donnerstag. Anders als in den Sondierungen, an denen auf beiden Seiten nur jeweils neun Verhandler beteiligt waren (auf CDU/CSU-Seite nach der Auftaktsitzung zehn, da Unionsfraktionsvize Jens Spahn noch hinzugezogen wurde), wird der Kreis der Beteiligten erweitert. Aus Verhandlungskreisen war zu hören, dass 16 Arbeitsgruppen geplant seien; die Kerngruppe der Sondierer soll erhalten bleiben.
Es ist üblich, dass in Koalitionsverhandlungen Arbeitsgruppen gebildet werden, in denen Fachpolitiker aus Bund und Ländern sich über die konkreten Fragestellungen beugen. Dazu kommt ein koordinierendes Gremium der Parteispitzen; heikle Knackpunkte werden bisweilen im ganz kleinen Kreis besprochen. Die Verteilung der Ministerien und Regierungsposten wird in der Regel erst ganz am Ende geklärt. Merz hatte im Vorfeld stets betont, dass die nächste Regierung wegen der schwierigen internationalen Lage bis Ostern stehen sollte.
Allerdings sind die Koalitionsverhandlungen nicht die einzige Hürde für ihn auf dem Weg ins Kanzleramt. Am Donnerstag soll der alte Bundestag in erster Lesung über eine Änderung des Grundgesetzes beraten. Union und SPD haben sich darauf verständigt, die Verteidigungsausgaben künftig weitgehend von der Schuldenbremse auszunehmen, ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen aufzulegen und den Ländern künftig den gleichen Verschuldungsspielraum einzuräumen, wie der Bund ihn hat.
Für alle drei Punkte allerdings muss das Grundgesetz geändert werden, wozu wiederum eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Im neuen Bundestag dürfte diese für Schwarz-Rot extrem schwer bis gar nicht zu erreichen sein, weil AfD und Linke eine Sperrminorität haben. Doch auch im alten Bundestag ist das Vorhaben kein Selbstläufer, weil Merz die Grünen noch ins Boot holen muss – die zeigen sich bislang wenig begeistert von den Plänen.
Ob sie einer Änderung des Grundgesetzes zustimmen werden, ließen die Grünen am Wochenende bewusst offen. Die Einigung der Sondierer jedenfalls habe die Partei „ein Stück weiter weggebracht von einer Zustimmung“, sagte Parteichefin Franziska Brantner. Union und SPD hätten sich offenbar in der Tradition früherer großer Koalitionen vorgenommen, „kein Problem zu lösen, sondern alles mit Geld zuzuschütten“. Von den 500 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, so fürchten die Grünen, könnten am Ende Mittel für ganz andere Projekte abgezweigt werden. „Die Liste ist lang“, beklagte Brantner, „da bleibt dann nichts mehr für die Infrastruktur.“
Was daraus folgt, ist aber unklar. Schließlich müssen sich die Grünen noch diese Woche entscheiden, ob sie dem Schuldenpaket im Bundestag zustimmen – während die eigentlichen Koalitionsgespräche dann erst losgehen. Das macht konkrete und verlässliche Zusagen an die Grünen schwierig. Fragen wie Klima, Europa und selbst innere Sicherheit kämen in dem Sondierungspapier zu kurz, kritisierte Grünen-Chef Felix Banaszak. Es entstehe gerade eine „anti-ökologische Koalition“, die aber in der zentralen Finanzfrage von den Stimmen der Grünen abhänge. Auch beim Stil habe diese Koalition noch „Luft nach oben“, so Banaszak. „Wenn alle meine Versprechen davon abhängen, dass ein Dritter zustimmt, dann spreche ich vielleicht zuerst mit dem Dritten.“ Merz kündigte bereits an, dass beim Sondervermögen Infrastruktur auch Klimaprojekte berücksichtigt werden könnten. Es werde nun „intensive Gespräche“ mit den Grünen geben.
Das Sondierungspapier sieht neben der fiskalpolitischen Wende eine Verschärfung in der Migrationspolitik vor, wozu „Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen“ zählen sollen. Darüber hinaus sind unter anderem die Senkung der Strompreise geplant, der Einstieg in eine Unternehmensteuerreform, Steuerentlastungen für die Mittelschicht, eine höhere Pendlerpauschale sowie perspektivisch 15 Euro Mindestlohn und eine Ausweitung der Mütterrente.
Heftige Kritik an dem Paket äußerte der frühere CSU-Chef Horst Seehofer, der selbst in zwei großen Koalitionen Minister war. Das geplante Schuldenpaket sei „das Gegenteil dessen, was wir vor der Wahl gesagt haben“, sagte er der Bild am Sonntag. Wenn aus dem „gigantischen Steueraufkommen“ die Zukunft nicht mehr finanziert werden könne, „dann läuft etwas falsch“.