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Union und SPD versprechen viel Geld und mehr Asylhärte – ignorieren Mega-Aufgabe | ABC-Z

Bei der Verschuldung hatte sich die SPD gegen die CDU/CSU durchgesetzt. Jetzt musste die SPD der Union in der Migrationsfrage entgegenkommen. Doch eine Mega-Aufgabe ignorieren die Sondierer: Grundlegende Reformen mit harten Einschnitten gibt es wohl nicht.

Das XXL-Verschuldungspaket, das die SPD der Union aufgezwungen hat, war zugleich ein Türöffner für eine Einigung in der Migrationsfrage. Hier hat die SPD durchaus Zugeständnisse gemacht. Diese sind jedoch bei weitem nicht so weitreichend wie das Entgegenkommen der Union bei der XXL-Verschuldung.

Friedrich Merz hatte vor der Wahl angekündigt, von Tag eins seiner Kanzlerschaft an würden die Grenzkontrollen verschärft und selbst Asylsuchende zurückgewiesen. Nun sollen die Grenzkontrollen massiv ausgebaut werden. Mit den Zurückweisungen wird es freilich nicht so einfach sein.

Bei der Migration setzt sich die Union durch – doch Fragen bleiben

So heißt es in dem Sondierungspapier: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.“ 

Das ist eine deutliche Aufweichung der Merzschen Position. Denn unsere Nachbarstaaten haben bisher Flüchtlinge gerne nach Deutschland durchgewunken, obwohl diese nach geltendem Recht ihren Asylantrag bereits in dem betreffenden EU-Land hätten stellen müssen.

Die meisten EU-Länder haben sich bisher nicht an diese Regel gehalten. Ob sie sich künftig auf eine „Abstimmung“ mit Berlin einlassen werden, ist mehr als fraglich. Ob eine neue Bundesregierung es nicht länger hinnimmt, dass andere Staaten europäisches Recht schlichtweg missachten, muss sich noch zeigen. 

Schließlich war und ist es für Polen oder Österreich bequem, wenn es so viele Flüchtlinge nach Deutschland zieht. Das sieht also sehr nach einem Formelkompromiss aus, bei dem völlig offen ist, ob er hilft, das Ziel zu erreichen: die Eindämmung der illegalen Migration.

Mehr Abschiebungen

Durchsetzen konnte sich die Union mit ihrer Forderung nach verstärkten Abschiebungen, auch nach Afghanistan und Syrien. Der Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter wird ausgesetzt, die von Berlin organisierte freiwillige Aufnahme von schutzsuchenden Afghanen per Charterflug wird eingestellt. 

Ein Sondierungspapier ist noch kein Koalitionsvertrag; viele Einzelheiten sind noch zu klären. Doch lässt sich bereits erkennen, dass beide Seiten kein Interesse daran haben, neben der Verschuldung auch kostensenkende Einschnitte vorzunehmen.

Immerhin hat die CDU/CSU in der Sozialpolitik erreicht, dass Arbeitsverweigerern beim Bürgergeld, das in Grundsicherung umbenannt werden soll, härtere Sanktionen als bisher drohen. 

Bürgergeld-Empfängern droht Streichung des Geldes

Das dürfte deshalb gelungen sein, weil die SPD gespürt hat, dass viele Arbeitnehmer es für ungerecht empfinden, in einem niedrig bezahlten Vollzeitjob kaum mehr Geld zur Verfügung zu haben als Bürgergeld-Empfänger. Ob allerdings das Verfassungsgericht bei der vorgesehenen Streichung sämtlicher Ansprüche für hartnäckige Verweigerer mitmacht, steht auf einem anderen Blatt.

Ansonsten hat die Union der SPD in der Sozialpolitik nicht viel abhandeln können, was sie bisher als zu großzügig und zu teuer gebrandmarkt hat. Die „Rente mit 63“, ein Lieblingsprojekt der SPD, wird nicht angetastet, das schwerlich zu finanzierende Rentenniveau von 48 Prozent soll beibehalten werden. 

Als Gegenleistung darf die CSU ihr Herzensanliegen durchsetzen: Bei der Mütterrente macht es künftig keinen Unterschied mehr, ob das Kind vor 1992 oder nach 1992 geboren wurde. Für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern gibt es also mehr Geld. 

Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen

Die Union hatte scharf kritisiert, dass die Ampel 2021 den Mindestlohn an der Mindestlohnkommission vorbei auf 12 Euro erhöht hatte. Jetzt hat die Union keine Einwände, diese unabhängige Kommission insofern unter Druck zu setzen, als ein „Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar“ sein soll.

Deshalb soll sich das paritätisch von Arbeitgebern und Gewerkschaften besetze Gremium nicht nur an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren, wie es im Gesetz steht. Es soll vielmehr auch die unverbindliche EU-Richtlinie beachten, wonach der Mindestlohn 60 Prozent des „mittleren Bruttolohns“ betragen soll. Ein klarer Erfolg der SPD.

Relativ schnell dürften sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD einig gewesen sein, die Stromkosten zu senken, Anreize für unternehmerische Investitionen in Deutschland zu setzen, eine Unternehmenssteuerreform auf den Weg zu bringen und die „breite Mitte“ steuerlich zu entlasten. Details müssen jedoch erst noch ausgehandelt werden.

Etwas fehlt völlig: Die schmerzhaften Einschnitte und Reformen

Die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD werden nach Abschluss der Sondierungen ihren Gremien empfehlen, der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zuzustimmen. Dabei dürften es Lars Klingbeil und Saskia Esken leichter haben als Friedrich Merz. 

Die 16-Prozent-SPD mutet mit diesen Beschlüssen dem Wahlsieger CDU/CSU deutlich mehr zu als umgekehrt. Jedenfalls mussten die Sozialdemokraten in der Sozialpolitik keine Abstriche machen. 

Hingegen sind die Vereinbarungen zur Eindämmung der illegalen Migration nicht so eindeutig ausgefallen, wie die Union dies angestrebt hatte. 

Was jetzt in groben Zügen verabredet wurde, muss in den Koalitionsverhandlungen noch detailliert ausgearbeitet werden. In einem Punkt dürfte es indes keinen Streit geben: den Bürgern sollen – schwere Zeiten hin, schwere Zeiten her – keinerlei Belastungen zugemutet werden, Tiefgreifende und vielleicht auch schmerzhafte Reformen: Fehlanzeige. Das erinnert fatal an die Politik der „Ampel“. Hier ist in den Koalitionsverhandlungen noch viel Luft nach oben.

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