Union und SPD lassen viele Fragen offen | ABC-Z

Berlin. CDU-Chef Merz will schnell eine Koalition auf die Beine stellen. Dafür muss er allerdings noch einige Probleme aus dem Weg räumen.
CSU und SPD haben es schon getan, die CDU soll am Montag folgen. Wenn die Partei von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ihre Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen gibt, können die tiefergehenden Gespräche zwischen Union und SPD schon in wenigen Tagen beginnen. Dann kommen noch schwere Verhandlungen auf sie zu. Denn in dem am Wochenende beschlossenen Sondierungspapier bleiben wichtige Fragen unbeantwortet. Union und SPD hätten eine „Schmalspur-Sondierung“ hingelegt, sagte BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht dieser Redaktion. Ein Überblick über einige offene Punkte.
Haushalt und Finanzierung
Union und SPD wollen die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben lockern und einen Sonderschuldentopf für Infrastrukturprojekte ins Leben rufen. Die für einen raschen Beschluss erforderliche Zustimmung der nicht an einer potenziellen Koalition beteiligten Grünen muss Merz sich allerdings noch sichern. In ihrem Sondierungspapier kündigen Union und SPD auch Einsparungen an, nennen aber keine Details.
Auch interessant
Es sei „unverständlich“, dass die Verhandlungsteams keine „dringend erforderliche“ Rentenreform vereinbart hätten, kritisierte die Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer. Stattdessen sollten trotz angespannter Haushaltslage Wahlkampfversprechen kommen, die Geld kosten. Die Ökonomin nannte die Erhöhung der Mütterrente, die Rückkehr der Agrardiesel-Subventionen für Bauern und die Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie. „Besser wäre es gewesen, ein Signal an die Bevölkerung zu senden, dass wir alle auf etwas verzichten müssen, wenn wir künftig deutlich mehr Geld in die Verteidigung stecken müssen“, sagte die Wirtschaftsweise dieser Redaktion.
Zukunft der Rente
Wie von Schnitzer kritisiert, bleiben Union und SPD beim Thema Rente vage. „Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen“, versprechen sie in dem Sondierungspapier. „Deshalb sichern wir das Rentenniveau.“ Details werden nicht genannt. Das dürfe Union und SPD noch in den Koalitionsverhandlungen beschäftigen.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz, die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie der CSU-Chef Markus Söder wollen nun schnell Koalitionsgespräche beginnen.
© action press | Bernd Elmenthaler
Zurückweisungen an der Grenze
Union und SPD bekennen sich ausdrücklich dazu, die Migration zu begrenzen und machen dazu einige harte Ankündigungen. Das trifft in Teilen der SPD bereits auf Kritik. So soll es etwa Zurückweisungen auch Asylsuchender an den deutschen Grenzen geben. Insbesondere Straftäter sollen leichter abgeschoben werden können. „Die sehr deutliche Begrenzung der illegalen Migration, die Beschleunigung der Rückführungen und die zusätzlichen Mittel für die Integration der Menschen mit Bleiberecht sind richtige Akzente“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, dieser Redaktion. „Dies sind wichtige Schritte, auf dem Weg zu einer echten Migrationswende.“

Offen ist allerdings, wie wirksam die Zurückweisungen an der Grenze sein werden. Diese sollen ausdrücklich „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ passieren. Das könnte jedoch zu Konflikten führen. Österreich kündigte am Sonntag bereits an, von deutschen Grenzbeamten zurückgewiesene Asylbewerber nicht aufzunehmen. „Wir versuchen einen Weg im Konsens“, sagte Merz dem Deutschlandfunk. Der mögliche nächste Kanzler schließt aber auch Alleingänge nicht aus: „An erster Stelle steht für mich die Sicherheit unseres eigenen Landes.“
Wirtschaft und Konjunktur beleben
Die deutsche Wirtschaft soll wieder wachsen. Dafür planen Union und SPD niedrigere Energiepreise, eine Reform der Unternehmensteuer und den Abbau von Bürokratie. Den schleppenden Absatz von Elektrofahrzeugen wollen die Parteien durch Kaufanreize unterstützen. „Geplante Industriehilfen, wie niedrigere Stromsteuern und Netzentgelte sowie Kaufprämien für E-Autos, sind sinnvoll, allerdings fehlen noch Finanzierungsdetails“, sagte Wirtschaftsexpertin Schnitzer.
Auch interessant

BDI-Präsident Peter Leibinger vermisst trotz einiger Lichtblicke „Gesamtkonzept und Richtung“ für die Gestaltung einer Wirtschaftswende. Dies müsse nun bei den Koalitionsverhandlungen entwickelt werden, um auch strukturelle Reformen anzuschieben.
Klimaschutz und Heizungsgesetz
Das Thema Klimaschutz scheint in den bisherigen Gesprächen von Union und SPD eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt zu haben. In dem Sondierungspapier kommt das Thema kaum vor – zum Entsetzen der Grünen und mehrerer Verbände. Unklar bleibt auch, was aus dem umstrittenen Heizungsgesetz wird. CDU und CSU hatten im Wahlkampf angekündigt, das Gesetz abschaffen zu wollen.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Merz kündigte an, aus dem 500-Milliarden-Schuldenpaket sollten auch Gelder in Klimaschutzprojekte fließen. Damit könnte Merz womöglich eine Zustimmung der Grünen zu dem Infrastrukturpaket und zu den höheren Verteidigungsausgaben erreichen.
Innere und äußere Sicherheit
Zu den Lehren aus den Anschlägen der vergangenen Monate in Deutschland, zu möglichen stärkeren Befugnissen für Polizei und Ermittler und anderen Sicherheitsthemen äußern sich die vermutlich künftigen Koalitionspartner bisher nicht. „Die Innere Sicherheit findet im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD praktisch nicht statt“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz dieser Redaktion. „Polizei und Nachrichtendienste scheint man komplett vergessen zu haben.“ Auch Fragen der Außenpolitik spielen darin noch keine Rolle.