Wirtschaft

Unicredit-Chef: „Die Commerzbank ist nicht schlecht“ | ABC-Z

Sicher, die Haltung der deutschen Politik sei für ihn schon ein wichtiger Faktor, sagt Andrea Orcel. Aber andere Faktoren seien eben noch wichtiger. „Verantwortlich sind wir unseren Aktionären, unseren Kunden und unseren Mitarbeitern. Regierungen gegenüber sind wir nicht verantwortlich“, erklärt der Chef der italienischen Großbank Unicredit. Um dann generös zu ergänzen: „Aber wir berücksichtigen sie.“

Es ist eine ebenso freundliche wie bestimmte Ansage Richtung Berlin. Sie stammt von einem Mann, der sich zwar um Verständigung bemüht, aber auch alle Trümpfe in der Hand zu haben glaubt. Mit seinem Griff nach der Commerzbank hat Orcel vor einem Jahr in Politik und Finanzbranche mächtig Staub aufgewirbelt.

Bei der jährlichen Bankenkonferenz des „Handelsblatts“ präsentiert er sich nun erstmals seit dem Einstieg einem größeren deutschen Publikum. Er gibt sich als guter Europäer, als Uomo di fascino, als Mann mit Charme. Der nur gelegentlich ein paar Spitzen in Richtung all der Skeptiker richtet, die die Logik seiner Pläne einfach nicht verstehen können. Oder wollen.

Von denen gibt es eine ganze Menge – zum Beispiel in der Berliner Bundesregierung. Deren wichtigste Protagonisten haben sich in ihrer ablehnenden Haltung ungewöhnlich weit aus dem Fenster gelehnt. „Wir erwarten, dass UniCredit den Übernahmeversuch aufgibt. Wir setzen weiter auf eine eigenständige Commerzbank“, sagte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) vor wenigen Wochen. Die Commerzbank sei eine systemrelevante Bank in Deutschland. „Sie hat bewiesen, dass sie auch eigenständig erfolgreich sein kann.“

Bundeskanzler Friedrich Merz äußerte sich zuletzt ähnlich. Die Mailänder Manöver bezeichnete er als „unfreundliche Vorgehensweise, die wir nicht akzeptieren und unterstützen.“ Ein fusioniertes Institut sei aufgrund seiner Bilanzstruktur ein „Risiko für den Kapitalmarkt.“ Bevor diese Frage nicht geklärt sei, werde er bei seiner Meinung bleiben. Einen Widerspruch zu seinem Plädoyer für einen starken Kapitalmarkt in Europa könne er in seiner Haltung nicht erkennen.

Die Politiker haben sich wohl auch deshalb so ablehnend geäußert, weil sie sich von Orcel schlicht übertölpelt fühlen. Als die damalige Ampel-Koalition im vergangenen Herbst beschloss, einen Teil der in der Finanzkrise übernommenen Commerzbank-Aktien an den Markt zu bringen, rechneten ihre Vertreter nicht damit, dass ein Wettbewerber die Chance zum Einstieg nutzen würde.

Allen Appellen zum Trotz hat Orcel die Position seitdem immer weiter ausgebaut. Aktuell liegt sie bei 26 Prozent, Ende des Jahres dürften es „um die 30 Prozent“ sein, sagt Orcel. Mehr dürfte es kaum sein. Denn dann müsste er den Commerzbank-Aktionären ein offizielles Übernahmeangebot unterbreiten. Das soll es nicht geben. Vorerst.

Dass ein Zusammenschluss sinnvoll wäre, liegt für den Unicredit-Chef dabei auf der Hand. Der deutsche Bankenmarkt sei enorm fragmentiert, weshalb das Angebot für die Kunden alles andere als optimal ausfalle. Gleichzeitig seien die geschäftlichen Überschneidungen zwischen beiden Banken überschaubar, selbst im Mittelstandsgeschäft käme ein fusioniertes Institut nur auf einen Marktanteil von gut zwölf Prozent. Von einem Zusammenschluss profitierten am Ende nicht nur Kunden und Aktionäre, sondern ganz Europa.

Denn aktuell gebe es zu viele Hindernisse für den freien Fluss von Liquidität. „Ohne diesen Treibstoff gibt es keine Transformation“, sagte Orcel. Umso erstaunlicher seien die protektionistischen Interventionen, mit denen Politiker Zusammenschlüsse europäischer Banken zu verhindern suchten. Nicht nur in Deutschland, aber eben auch dort.

Den Sinn einer Fusion hatte Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp am Vortag an gleicher Stelle nochmals in Frage gestellt. Ihr Fokus liege darauf, „aus eigener Kraft Weiterentwicklung zu schaffen“, sagte sie. Sie verwies auf die guten Ergebnisse und die ehrgeizigen Ziele des Instituts für 2028, auf für die Aktionäre attraktive Dividenden und Aktienrückkäufe. Ob sich die Selbstständigkeit damit erhalten lässt? Bei einer Umfrage glaubten 78 Prozent der Anwesenden im Saal, dass es zu einer Übernahme kommen werde.

Die Chancen stehen gut

Dass die Chancen trotz der ablehnenden Töne aus Berlin und Frankfurt gut stehen, weiß auch Orcel. Er wirkt komplett gelassen, wenn er mit sonorer Stimme beklagt, dass es keine Diskussionen über ein Zusammengehen mit der Bankführung und der Bundesregierung gebe. Gleichzeitig lobt er die „konstruktive Beziehung“ – wie jeder andere große Investor führe Unicredit einmal im Quartal Gespräche mit der Führung der Commerzbank.

Und wie jeder andere große Anteilseigner auch sei man zufrieden, wenn es gut laufe, und werde intervenieren, wenn es weniger gut laufe. Wovon er freilich nicht ausgehe. „Die Commerzbank ist nicht schlecht“, sagt Orcel gönnerhaft. Um dann wenig später darzulegen, dass die Commerzbank-Aktie auf dem aktuellen Niveau dann wohl doch eher überbewertet sei.

Verbreitete Einwände wie mögliche Interessenkonflikte oder einen Rückzug von der Finanzierung deutscher Unternehmen im Krisenfall sind für Orcel kaum mehr als Ablenkungsmanöver. Und auch ein anderes Szenario will er entkräften: Vor allem die Arbeitnehmervertreter fürchten für den Fall einer Fusion einen deutlichen Stellenabbau, das Schicksal der von Unicredit vor 20 Jahren übernommenen Münchener HypoVereinsbank könnte für diesen als Blaupause dienen. Betriebsratschef Sascha Uebel hatte Orcel deshalb zuletzt die Kapitulation empfohlen: „Sein nächster Schritt sollte sein, seine Aktien zu verkaufen, die Gewinne mitzunehmen und nach Hause zu gehen.“

Kostenersparnisse seien für die meisten Bankenfusionen der wichtigste Treiber gewesen, bei einer möglichen Übernahme der Commerzbank gehe es jedoch um höhere Erträge. „Wir werden das Netzwerk nicht anrühren, wir wollen investieren und Marktanteile gewinnen“, sagt Orcel. Nur in der Zentrale würde vermutlich eine erhebliche Zahl von Stellen wegfallen.

Allerdings könnte es noch schlimmer kommen: Wenn die Commerzbank allein bleibe, werde sie vermutlich mehr Stellen abbauen als im Fall einer Fusion. Das liege am unerbittlichen Diktat der Effizienz. Niemand könne mit einem Kosten-Ertrags-Verhältnis von 57 Prozent überleben, wenn Wettbewerber bei 40 Prozent und weniger lägen.

Unicredit lag zuletzt bei rund 38 Prozent, immer wieder lobt Orcel Effizienz und Erfolge der Bank, die sich voll auf Kurs befinde, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Dafür brauche sie die Commerzbank-Übernahme definitiv nicht. Und doch: „Wir haben einen Plan“, sagt Orcel. „Wir sind genau da, wo wir sein wollten“. Und lächelt.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Cornelius Welp ist Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Er schreibt über Banken, Versicherungen, Finanzinvestoren und Unternehmen.

Back to top button