Unberechenbar! Hecking sieht den neuen FC Bayern als „schwer zu durchschauen“ | ABC-Z

AZ: Herr Hecking, um gleich vorab Ihre Position bei der Frage zu klären, die Fußball-Deutschland aktuell offenbar am meisten umtreibt: Jamal Musiala oder Florian Wirtz – wer ist denn für Sie der Beste?
DIETER HECKING: Fußball-Deutschland kann sich glücklich schätzen, dass zwei so hervorragende Fußballer die DFB-Auswahl verstärken. Beide haben ihre individuelle Klasse schon sehr oft und auf höchstem Niveau zeigen können, da gibt es für mich kein „Der ist besser“. Für mich sind sie gleichauf. Und ich hätte gerne beide bei mir in der Mannschaft! (lacht)
Hecking: „Wenn man zu den Bayern reist, weiß man, was einen erwartet“
Oder haben Sie auch noch einen ganz anderen Favoriten?
Es gibt viele herausragende Fußballer in der Bundesliga.
Der FC Bayern kämpft gerade in der Champions League gegen seinen neuen deutschen Dauerrivalen Bayer Leverkusen ums Erreichen des Viertelfinales. Das Hinspiel in München hat der Rekordmeister 3:0 gewonnen, am kommenden Dienstag entscheidet sich das Weiterkommen – aber zuvor warten noch Sie und Ihr VfL. Wie fühlt man sich eigentlich als Sandwich-Gegner zwischen den zwei bis dato wichtigsten Spielen des Jahres für den FC Bayern?
Wenn man zu den Bayern reist, weiß man, was einen erwartet. Ich gehe schon davon aus, dass von meinem Kollegen Vincent Kompany trotz des klaren Hinspielerfolgs einige Veränderungen in der Startelf vorgenommen werden.
Bochum-Coach freut sich auf Kräftemessen mit dem FC Bayern
Man muss davon ausgehen, dass die Bayern-Profis am Samstag schon ein bisserl das Rückspiel gegen Bayer im Kopf haben. Das wird Ihnen und Ihrem Team nur recht sein, oder?
Damit beschäftigen wir uns nicht. Wir gehen davon aus, dass sich die Bayern auf ihr Spiel konzentrieren und für uns eine große Herausforderung darstellen werden. Allerdings ist es grundsätzlich schön, wenn man sich mit den Bayern messen kann – dafür spielen wir in der Bundesliga!
In Bochum haben Sie einst ihre Ausbildung bei der Polizei absolviert, jetzt sind Sie als Feuerwehrmann zurückgekehrt. Das kann doch kein Zufall sein. . .
Eine nette Analogie und schönes Medienfutter, mehr aber auch nicht. Ich wusste, als ich beim VfL angefangen habe, was für eine große Herausforderung es sein würde. Das hat sich bestätigt. Aber wir haben uns Schritt für Schritt den Relegationsplatz erarbeitet, auf dem wir momentan stehen. Daran hätten zum damaligen Zeitpunkt nicht viele geglaubt. Wir wissen aber auch, dass es noch zehn sehr lange und schwere Wochen werden, um am Ende den Klassenerhalt zu realisieren.

© IMAGO
von IMAGO
„}“>
Hecking über seine Zeit beim VfL: „Ich lerne jeden Tag dazu“
Sie hatten sich eigentlich ganz bewusst schon aus der Trainerzunft verabschiedet, wurden dann aber beim 1. FC Nürnberg als Sportvorstand auch nicht wirklich glücklich. Hatten Sie nach ihrer Rückkehr nach über fünf Jahren in den Job als Coach anfangs Sorge, bei gewissen Themen nicht mehr up to date zu sein?
Die Sorge hatte ich nicht, schließlich habe ich in Nürnberg kurzfristig in der Doppelfunktion Vorstand/Trainer gearbeitet. Ich habe allerdings die Auszeit genutzt, um mich bei meiner Familie und engen Vertrauten sowie Weggefährten rückzuversichern, als was sie mich sehen: als Trainer oder als Vorstand? Und alle haben mir gesagt: als Trainer.
Wer den Hecking-Fußball kennt, sieht auch beim VfL mittlerweile Ihre Handschrift. Früher mussten Hecking-Mannschaften vor allem griffig sein, was haben Sie nach Ihrer Rückkehr ins Trainergeschäft neu dazugelernt, was Sie jetzt in Bochum gut gebrauchen können?
Auch ich lerne jeden Tag dazu, zumeist sind es neue Eindrücke, in diesem Fall von Bochum und dem VfL. Für uns ging es und geht es in erster Linie darum, die Basics gut und richtigzumachen. Wir haben es geschafft, die Defensive zu stabilisieren und uns auch im Spiel mit Ball zu verbessern.
Kompany hat die Bayern unberechenbar gemacht
Ist Bochum in der jetzigen Situation die schwerste Aufgabe im Vergleich zu den zehn Stationen zuvor?
Es ist schon eine sehr große Herausforderung, das stimmt. Vergleiche zu ziehen fällt mir aber schwer, weil sich die Rahmenparameter zwischen meiner ersten Station und heute auch sehr stark verändert haben.
Werden die Qualitäten von Vincent Kompany als FCB-Trainer in der Bundesliga manchmal noch unterschätzt, weil er letzten Sommer an der Säbener Straße angeblich nur die Nummer sieben oder acht auf der Kandidaten-Liste war?
An solchen Diskussionen beteilige ich mich nicht. Vincent Kompany hat den Bayern eine Struktur in ihrem Spiel gegeben, die nur ganz schwer zu durchschauen ist. Sie führen die Liga-Tabelle mit großem Vorsprung an und haben soeben im Champions-League-Achtelfinale den amtierenden Meister mit 3:0 bezwungen. Ich glaube, da spielt die Frage nach dem, was im Sommer war, keine Rolle mehr.

© IMAGO
von IMAGO
„}“>
Hecking über Mannschaftsabend: „Das widerspricht meiner Erfahrungen“
Aber trotz des 0:1 in Hoffenheim haben Sie ihrem Team am letzten Samstag einen Mannschaftsabend erlaubt.
Die Mannschaft unternimmt etwas gemeinsam und ich soll dagegen sein? Das widerspricht meinen Erfahrungen und untergräbt auch nicht meine Autorität. Zumal ich darüber informiert war, was sie vorhatten. Die Mannschaft hat bis hierhin sehr gut mitgezogen und investiert viel, um erfolgreich zu sein. Insofern sehe ich einen solchen Abend als unterstützend für das gemeinsame Ziel an.
Sie sind noch nie aus der Bundesliga abgestiegen, obwohl Sie schon häufig Klubs in schwierigen Situationen übernommen haben. Aktuell haben Sie sich mit Ihrer Mannschaft bis auf den Relegationsplatz vorgearbeitet. Was haben Sie in diesem VfL-Team gesehen, das Sie von Anfang an den Klassenverbleib glauben ließ? Sie haben schließlich einen Retter-Ruf zu verlieren. . .
Der VfL Bochum ist ein toller Verein, den mir Ilja Kaenzig in den Gesprächen vorab noch ein wenig näher beschrieben hat. Er hat mir offen und ehrlich gesagt, was beim und mit dem VfL möglich ist und was nicht. Der Klassenerhalt, das war mir schon nach diesen Gesprächen klar, ist möglich. Dass wir es schaffen können, zeigt der aktuelle Blick auf die Tabelle. Ich sehe mich aber nicht als Retter, sondern als Entwickler. Denn auch Mannschaften, die unten stehen, kann und muss man spielerisch weiterentwickeln. Und die einzig vergleichbare Konstellation wie jetzt in Bochum war damals mein Einstieg als Trainer in Nürnberg. Dort standen wir auf einem Abstiegsplatz und haben uns letztlich in der Relegation gegen Augsburg durchgesetzt.
Bochum-Coach legt vollen Fokus auf den Klassenerhalt
Und trotzdem: Sollte es diesmal schiefgehen, verabschieden Sie sich wieder in die Trainer-Rente oder haben Sie an diesem Job mittlerweile wieder so viel Spaß gefunden, dass es auf jeden Fall für Sie an der Seitenlinie weitergehen wird?
Ich konzentriere mich auf den Klassenerhalt mit dem VfL Bochum, nichts anderes. Was bis dahin und danach passiert, werden wir sehen.