Unangenehme Fragen nach Niederlage: Hoffenheim im Abstiegskampf – Sport | ABC-Z
Die Idee war nicht gut, aber wohl gut gemeint. Doch so verlockend die Aussicht auf Weihnachtsgeschenke aus der Hand der Spieler auch war, der Bitte des Stadionsprechers, „noch ein wenig sitzenzubleiben“, kamen nach Abpfiff nur wenige hundert Hoffenheimer Fans nach. Zu deprimierend war aus ihrer Sicht der Anblick der feiernden 8000 Gladbach-Anhänger, die den „geilsten Klub der Welt“ und dessen nahe Zukunft im „Europokal“ besangen und in Torwart Moritz Nicolas den Mann hochleben ließen, der den 2:1-Sieg in Sinsheim mit ein paar tollen Paraden gesichert hatte.
Dabei hatte nicht nur Gladbachs völlig heiserer Sportchef die Hoffenheimer als „bessere Mannschaft“ gesehen, die ohnehin „fußballerisch viel besser“ sei, „als der Tabellenstand aussagt“. Ansonsten gab sich Roland Virkus aber ganz der Freude über einen gelungenen Nachmittag hin, an dem ein seltsamer Rekord gebrochen wurde: Nach 1009 Tagen landete die Borussia erstmals wieder zwei Ligasiege nacheinander innerhalb einer Saison. Und die Atmosphäre stimmte auch: „Die Jungs haben sich wie zu Hause gefühlt, unsere Fans haben die Hoffenheimer totgebrüllt“, sagte Virkus, der bei allem Lob für die TSG auch feststellte, dass „ein Trainerwechsel kein Allheilmittel sein muss“.
Tatsächlich blieben den Gastgebern, die ja Mitte November Pellegrino Matarazzo durch Christian Ilzer ersetzt haben, ein paar unangenehme Fragen nicht erspart, die sich aus dem Tabellenstand ergeben: Wer nach 15 Spieltagen 14 Punkte hat, kann von Glück sagen, dass er noch auf Platz 15 steht. Die Frage, ob das notorisch underperformende Team, das der ersten Liga nun seit 2008 angehört, Abstiegskampf beherrsche, beantwortete Mittelfeldspieler Anton Stach ebenso bündig wie logisch: „Müssen wir ja.“
Allerdings stellt sich am Jahresende die Frage, wie diese Mannschaft eine Diskrepanz auflösen will, die ja nicht erst seit diesem Wochenende ihr treuer Begleiter ist. „Die Leistung passt nicht zum Ergebnis“, sagte Ilzer am Samstag nicht zum ersten Mal. „Seitdem ich hier bin, haben wir noch nie geführt.“
Dass die TSG die Gelegenheit verstreichen ließ, mit einem Sieg doch noch einen halbwegs versöhnlichen Jahresabschluss hinzubekommen, hatte zum kleineren Teil Gründe, die im eigenen Strafraum zu verorten waren. Nachdem Philipp Sander für Gladbach getroffen und Andrej Kramaric per Foulelfmeter ausgeglichen hatte, war das 1:2 durch Alassane Plea hier ziemlich aussagekräftig. Alexander Prass und Kevin Akpoguma durften sich den Assist durch überzeugend nachgewiesene Passivität teilen. Das weit größere Problem, die „fehlende Effizienz“, die Ilzer monierte, hatte dabei mehrere Väter: Tom Bischof, an dem der FC Bayern Interesse haben soll, Stach, Adam Hlozek, Haris Tabakovic und Kramaric hatten gute Gelegenheiten, die – auch das eigentlich ein gutes Zeichen – allesamt herausgespielt waren. Doch wer nach einem halben Dutzend guter Chancen keinen Treffer aus dem Spiel heraus hinbekommt, hat ganz sicher nicht nur Pech.
In Sinsheim suchen sie jetzt einen Mann für den Sturm
Wer sah, wie mitleiderregend Hlozek seine Chance vergab und wie Kramaric aus kurzer Distanz den starken Gladbacher Keeper Nicolas fast umschoss, kann nachvollziehen, warum sie in Sinsheim gerade nach einem Mann für den Sturm suchen. Auch hier wirkt der Sommer nach, als dem langjährigen Sportvorstand Alexander Rosen mitten in der Transferperiode gekündigt wurde und dem Trainer Matarazzo daraufhin einigermaßen panisch noch ein paar überwiegend teure Spieler zusammengekauft wurden.
Die Frage, was der Trainerwechsel bislang gebracht hat, ist auf den ersten Blick leichter zu beantworten als auf den zweiten. Ein Sieg, drei Remis und vier Niederlagen gab es bisher wettbewerbsübergreifend unter Ilzer, fünf Punkte aus sieben Bundesligaspielen. Vorgänger Matarazzo musste nach neun Punkten aus zehn Partien gehen. Auf den zweiten Blick, der auch jenen Teil der 90 Minuten berücksichtigt, der aus Zusammenfassungen herausgeschnitten wird, sind aber durchaus Fortschritte zu erkennen. Die TSG spielte auch am Samstag schlicht guten Fußball, zumindest „zwischen den beiden Sechzehnern“, wie der neue, ebenfalls aus Graz gekommene Geschäftsführer Andreas Schicker einräumte.
Und noch etwas fällt auf: Während die TSG in den vergangenen Monaten nach Rückständen oft einem Alibifußball frönte, konnte man ihr am Samstag ebenso wenig wie beim 0:1-Rückstand in Dortmund absprechen, dass sie hochseriös den Ausgleich erzwingen wollte. Beim BVB gelang die Aufholjagd, gegen Gladbach nicht. Weshalb Hoffenheim am Ende einer verkorksten Hinrunde mitten im Abstiegskampf steckt, zusammen mit Konkurrenten wie Kiel und St. Pauli. Die haben zwar auf kaum einer Position die besseren Spieler – dafür haben sie ihre Spiele am Wochenende gewonnen.