Umgang mit Selenskyj: „Wie mit einem Maultier, dem man ein Kantholz ins Gesicht schlägt“ | ABC-Z

Während die EU die Reihen um Selenskyj schließt, hagelt es weiter scharfe Worte aus Washington. Ein Land versucht weiter den transatlantischen Schulterschluss.
Der Kontrast zum Empfang im Oval Office vergangene Woche war unübersehbar. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union empfingen Wolodymyr Selenskyj zum Brüsseler Gipfel mit demonstrativer Herzlichkeit. Der ukrainische Präsident bedankte sich, dass die Europäer seit Beginn des Krieges „und in der vergangenen Woche“ an Kiews Seite geblieben seien.
Ein Kontrast, der sich sogar fortsetzte durch das zeitgleiche Geschehen in Washington. Während die Europäer versuchten, endlich ihre eigene Verteidigung aufzustellen und damit auch das Verhältnis zu den USA zu kitten, schlug Washington andere Töne an. Erneut hagelte es harte Ansagen der Regierung von Donald Trump, die zeigen, wie unterschiedlich die Realitäten auf beiden Seiten des Atlantiks sind.
London sieht noch ein Momentum
Am Donnerstag traf zudem der britische Verteidigungsminister John Healey im Pentagon seinen US-Amtskollegen Pete Hegseth. Die Mission des Briten: auszuloten, ob Trump doch noch substanziellere Sicherheitsgarantien gibt als durch Investitionen in die Rohstoffvorkommen der Ukraine. In London sieht man trotz des Eklats aus der vergangenen Woche immer noch Momentum für ein gemeinsam gefundenes Abkommen, das die Ukraine wirklich vor Wladimir Putin schützt.
Kein leichtes Unterfangen, weil der Unmut im Weißen Haus über Selenskyj anhält. Trumps Ukraine-Beauftragter Keith Kellogg erklärte am Donnerstag, dass der Stopp der Geheimdienstinformationen der jüngste Schritt gewesen sei, den Druck auf die Ukraine weiter zu erhöhen. Er kam, obwohl Selenskyj zuvor seine Verhandlungsbereitschaft in einem persönlichen Brief an Trump erklärt, eine sofortige Waffenruhe zu See und in der Luft vorgeschlagen und eine Unterzeichnung des Mineralien-Deals zugesagt hatte.
Was der Trump-Regierung offensichtlich nicht reichte. Das Einstellen des Austauschs von Geheimdienstinformationen sei ein Mittel, um die Ukrainer „zu diplomatischen Schritten zu bewegen“, sagte Kellogg bei einer Veranstaltung des Council on Foreign Relations. Kellogg hatte nach eigener Aussage den ukrainischen Präsidenten bei einem Besuch in Kiew persönlich gewarnt, dass ein Stopp der Geheimdienstinformationen drohte, sollte er das Abkommen nicht unterzeichnen.
„Die Ukraine hat sich das selbst eingebrockt“, sagte der General mit Verweis auf den Eklat im Oval Office. „Jeder hat Selenskyj im Vorhinein gesagt, was er sagen muss, und dass er den Mineralien-Deal unterschreiben soll.“ Man habe ihm gesagt, dass man von ihm die Unterschrift als Signal seiner Bereitschaft für diplomatisches Engagement brauche.
Dass Selenskyj jetzt seine Bereitschaft zur Unterschrift bekundet hat, reiche nicht. „Es gibt einen Unterschied, zu sagen, dass man etwas unterzeichnet und es tatsächlich zu tun“, so Kellogg. Der ein krasses Bild wählte, um die ablaufende Geduld Washingtons mit Selenskyj zu beschreiben: „Es ist wie mit einem Maultier, dem man ein Kantholz ins Gesicht schlägt. Man hat seine Aufmerksamkeit.“
Der Glaube an die russische Friedensbereitschaft
Bemerkenswert bleibt derweil die Einstellung der Trump-Regierung zu Russland. Auf eine Frage, warum man nur Druck auf Kiew ausübe und nicht auf Moskau, obwohl der Kreml öffentlich noch keinerlei Bewegung bekundet habe, sagte Kellogg: „Ich bestreite, dass Sie wissen, wer im Moment vernünftiger ist.“ US-Verhandlungsführer Steve Witkoff habe sich drei Stunden mit Putin unterhalten, Trump selbst habe mit Putin gesprochen. Den Glauben der US-Seite an russische Friedensbereitschaft kann auch nicht erschüttern, dass Russland die von Selenskyj vorgeschlagene Waffenruhe als „inakzeptabel“ bezeichnet hat.
Allerdings machte Kellogg klar, dass Washington den Druck auf Russland erhöhen kann. So sei man bei der Durchsetzung der Sanktionen auf einer Skala von eins bis zehn bei einer drei. Außerdem könne man eingefrorene Vermögen beschlagnahmen und mehr Druck auf Russlands Energieexporte ausüben. Beides wären jedoch Maßnahmen, die mehrheitlich die Europäer ergreifen müssten.
Selbiges gelte auch in Sachen Sicherheitsgarantien. Hier seien die USA weiterhin nur zu ökonomischem Engagement in Form des Mineralien-Deals bereit. „Wenn die USA direkte wirtschaftliche Interessen in der Ukraine haben und diese Interessen beschützen möchten, dann sind das de facto Sicherheitsgarantien“, sagte Kellogg.
Die Briten geben derweil nicht die Hoffnung auf, dass Trump die von Premier Keir Starmer vorgeschlagene „Rückfallgarantie“ (backstop) doch noch bereitstellt. „Wir müssen die Chance nutzen, die es ohne Präsident Trump nicht gäbe. Wie auch die Herausforderungen, die er Putin, Selenskyj und Europa gegeben hat, um den von Trump angestrebten dauerhaften Frieden zu schaffen“, erklärte der Brite.