Oberpfaffenhofen: Neubau für die Forschungsschmiede – Starnberg | ABC-Z

Die Zukunft hat in Oberpfaffenhofen ein Metallgehäuse, vier bewegliche Beine, aufgeklebte Kulleraugen und viel künstliche Intelligenz. „Bert“ heißt der Roboterhund, den die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Anke Kaysser-Pyzalla zur Grundsteinlegung des neuen Galileo-Kompetenzzentrums mit auf die Bühne brachte. Statt mit Fell ist das Hightech-Gerät mit Sensoren aller Art bestückt. Bert ist natürlich keine Spielerei, auch wenn er nett auf der Bühne herumhüpfte und kurzzeitig allen die Show stahl. Der Roboterhund soll in Zukunft unwegsames Gelände auf Mond und Mars erkunden und war damit ein passendes Maskottchen für diesen Tag.

Während vorne über die Zukunft gesprochen wurde, wurde hinter der Bühne bereits kräftig an ihr gearbeitet. Ein Kran schwenkte Bauteile durch die Luft, in der Baugrube ragten rostrote Stahlstäbe wie Antennen aus dem Boden. Arbeiter lenkten Baumaschinen, und über allem donnerten immer wieder Flugzeuge vom nahen Sonderflughafen hinweg. Hightech und Handwerk – genau diese Verbindung soll auch das neue Kompetenzzentrum künftig leisten.
In dieser Kulisse legten Ministerpräsident Markus Söder, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, Vorstände und Leiter des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und Architekt Tilo Renz die Zeitkapsel in den Grundstein. Die Edelstahlhülse in Satellitenoptik enthielt Zeitungen, Münzen, Dokumente und die Logos vergangener Raumfahrtmissionen – ein Symbol für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
„Raumfahrt ist in Bayern Chefsache“, betonte Söder, der sich als Raumfahrtfan outete – seit seiner Kindheit, wie er sagte, als ihm ein Buch über Planeten geschenkt wurde. Mit dem neuen Galileo-Kompetenzzentrum, dem geplanten Mondkontrollzentrum und Europas größter Universitätsfakultät für Luft- und Raumfahrt an der Münchner TU (Technische Universität) sei der Freistaat europaweit führend. Das DLR leiste angesichts der unsicher gewordenen politischen Partnerschaft mit Amerika einen wichtigen Beitrag für die Unabhängigkeit Europas im Daten-Bereich. Besonders freut sich Söder über den „direkten Draht nach Berlin“ durch die neue Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt Dorothee Bär (CSU). Als „Star Trek“-Fan wünschte er dem Bau: „Live long and prosper!“

Auch Hubert Aiwanger betonte die Bedeutung des neuen Kompetenzzentrums: „In Zukunft wird nichts funktionieren ohne hochpräzise Daten.“ Diese Chance gelte es, zu nutzen. Er forderte mehr Mut und Schnelligkeit bei der Umsetzung technischer Innovationen: „Nicht immer sagen, was alles nicht geht, sondern machen.“
„Galileo ist für ein unabhängiges und sicheres Europa überlebenswichtig“, sagte Anke Kaysser-Pyzalla. Dafür müsse das System stetig weiterentwickelt werden – und zwar in Oberpfaffenhofen. Das DLR lege schließlich seit Jahren einen Schwerpunkt der Forschung auf sicherheits- und verteidigungsrelevanten Missionen.
Als Forschungsschmiede ist das Galileo-Kompetenzzentrum längst Realität – auch wenn der Neubau noch auf sich warten lässt. Es wurde vor rund fünf Jahren gegründet und ist derzeit in einem provisorischen Gebäude auf dem Gelände des DLR untergebracht. Nun entstehen bis 2027 im Neubau etwa 150 Arbeitsplätze. „Endlich bekommen wir eine feste Heimat“, freute sich Harald Hofmann, Leiter des Galileo-Kompetenzzentrums. Der Freistaat fördert den Bau mit 25 Millionen Euro. Im Gebäude werden Forscher gemeinsam mit Industriepartnern Technologien und Konzepte für das Satellitennavigationssystem Galileo entwickeln. Herzstück werden die Forschungsräume mit streng geregeltem Raumklima und Abschirmung gegen äußere Einflüsse sein. Denn was hier geschieht, ist sicherheitsrelevant: Das Galileo-System ist kritische Infrastruktur.


Die Daten, die verarbeitet werden, kommen von einem Netzwerk aus Satelliten und Bodenstationen. Die Anwendungen reichen von Raumfahrt über Mobilität, Mobilfunknetze, Energieversorgung, Handel, Finanzen und Landwirtschaft bis zur Klimaforschung. Alle sind auf genaue, störungssichere Positionsdaten angewiesen. „Deswegen verbessern wir kontinuierlich die Robustheit und Genauigkeit dieser Systeme“, erklärt DLR-Bereichschefin Raumfahrt Anke Pagels-Kerp.
Das Galileo-Kompetenzzentrum arbeitet dabei interdisziplinär mit Experten verschiedener Institute. Ziel ist es, neue Technologien zur Marktreife zu bringen. Die Projekte reichen von autonomem Fahren bis hin zur Quantenoptik – etwa in der Compasso-Mission. Hier wird eine hochpräzise optische Uhr mit einem Laserterminal für Zeit- und Datentransfer sowie für Abstandsmessungen kombiniert. Sieben DLR-Institute sowie Industriepartner sind beteiligt. Ab 2027 soll das System auf der Internationalen Raumstation ISS getestet werden. „Eine Sekunde Abweichung in 30 Millionen Jahren erreicht die Laseruhr“, erklärt Pagels-Kerp. Im Galileo-Kompetenzzentrum fließen das Expertenwissen aus Bereichen wie Kommunikation, Navigation und Raumfahrtsysteme zusammen. „Das Projekt ist von Beginn an auf Transfer und industrielle Anwendung ausgelegt.“
In Deutschland arbeiten rund 30 000 Menschen in etwa 550 Raumfahrtunternehmen. Die Branche erwirtschaftet jährlich rund zwölf Milliarden Euro. „Eine Wachstumsbranche“, freute sich Söder und prognostizierte: „In Zukunft heißt es nicht mehr: Houston, wir haben ein Problem – sondern: Oberpfaffenhofen, wir haben die Lösung.“ Und manchmal stakst diese Lösung auf vier Roboterbeinchen daher und hat Kulleraugen.