Geopolitik

Ukraine-Krieg: Feuer am Kühlturm des Atomkraftwerks Saporischschja ausgebrochen | ABC-Z

Im von Russland besetzten AKW Saporischschja ist ein Brand in einem der Kühlsysteme ausgebrochen. Beide Konfliktparteien machten sich gegenseitig verantwortlich. Die Strahlungswerte seien im normalen Bereich, hieß es.

In dem von Russland besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im südukrainischen Enerhodar ist am Abend nach russischer Darstellung ein Brand an der Kühlanlage ausgebrochen. Der von Moskau eingesetzte Statthalter der Region, Jewgeni Balizki, erklärte, zuvor habe es einen ukrainischen Angriff auf die Umgebung des Kraftwerks gegeben, wie die Staatsagentur Tass berichtete. Es drohe allerdings keine Gefahr, da alle Blöcke des AKW abgeschaltet seien. Die Strahlungswerte seien im normalen Bereich.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum warf Russland vor, Feuer in dem AKW gelegt zu haben. Die Strahlungswerte seien zwar normal, schrieb Selenskyj auf der Plattform X. „Aber solange die russischen Terroristen das Nuklearkraftwerk kontrollieren, ist und kann die Lage nicht normal sein.“ Er forderte eine sofortige Reaktion der Weltgemeinschaft und der Atombehörde IAEA.

Russland hatte das größte Kernkraftwerk Europas kurz nach Beginn seines Angriffskrieges erobert und hält es seither besetzt. Beide Seiten machen sich gegenseitig für Angriffe auf das Kraftwerk oder Sabotage daran verantwortlich. Russland hat zuletzt immer wieder ukrainische Drohnenattacken beklagt. Wegen der Sicherheitsbedenken wurden die Reaktoren bereits 2022 heruntergefahren, müssen aber weiter gekühlt werden. Auf dem Gelände sind Beobachter der IAEA stationiert.

Auch in der russischen Grenzregion Kursk hatte es zuletzt ukrainische Angriffe gegeben. Der Vorstoß ukrainischer Truppen verfolgt nach Angaben aus Kiew das Ziel, Russland zu „destabilisieren“. „Wir befinden uns in der Offensive“, sagte ein ukrainischer Sicherheitsverantwortlicher der Nachrichtenagentur AFP. „Tausende“ ukrainische Soldaten seien daran beteiligt. „Das Ziel ist es, die Stellungen des Feindes auseinanderzuziehen, ihm maximale Verluste zuzufügen und die Lage in Russland zu destabilisieren“, sagte er.

Der Kreml spielte nach dem Einfall der ukrainischen Truppen in dem Gebiet nach Einschätzung westlicher Militärexperten den Ernst der Lage herunter. Die Region an der Grenze zur Ukraine sei nur zu einer Zone für Anti-Terror-Operationen und nicht zu einem Kriegsgebiet erklärt worden, um womöglich Panik in der russischen Gesellschaft zu verhindern, hieß es in einer vom Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington veröffentlichten Analyse. Kremlchef Wladimir Putin scheue die Ausrufung des Kriegszustandes, weil er um die Stabilität im Land fürchte, hieß es.

Putin habe im Zuge seiner Invasion der Ukraine immer wieder gezeigt, dass er nicht bereit sei, die gesamte russische Gesellschaft in einen Kriegszustand zu versetzen, teilten die ISW-Experten mit. Der Kremlchef will demnach neuen Unmut im Land wie bei den Protesten gegen die Mobilmachung im Herbst 2022 aus dem Weg gehen – auch aus Angst um die Stabilität seines Systems. Aus Protest gegen die Zwangsrekrutierung von Reservisten für den Krieg hatten damals Hunderttausende das Land verlassen.

Selenskyj spricht erstmals über Offensive in Kursk

Wenige Tage nach Beginn des ukrainischen Vorstoßes auf russisches Staatsgebiet bei Kursk hat Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag erstmals direkt Stellung zu dem Angriff bezogen. Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj habe ihm über „die Verlagerung des Krieges in das Gebiet des Aggressors“ berichtet, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Die Ukraine beweise damit, „dass sie wirklich in der Lage ist, für Gerechtigkeit zu sorgen, und garantiert genau den Druck aufzubauen, der nötig ist – Druck auf den Aggressor“. Kurz zuvor hatten russische Behörden die Evakuierung von 76.000 Menschen aus der Region Kursk verkündet.

Über den aktuellen Stand des Vorstoßes der ukrainischen Truppen auf russisches Gebiet machten weder Selenskyj noch die Militärs in Kiew genauere Angaben. In den vergangenen Tagen hatte Selenskyj lediglich indirekt Andeutungen zu dem Angriff in Richtung Kursk gemacht.

Die Offensive der ukrainischen Streitkräfte in Kursk sowie weiteren Grenzregionen geht derweil den fünften Tag in Folge weiter. Das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) hatte am Freitag unter Berufung auf mit Geodaten versehene Fotoaufnahmen erklärt, die ukrainischen Einheiten seien „rasch vorangeschritten“ und „bis zu 35 Kilometer von der russischen Grenze entfernt“ vorgestoßen.

Zwei Tote bei russischem Raketenangriff in Kiew

Bei einem nächtlichen russischen Raketenangriff sind nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew zwei Menschen getötet worden. Wie der ukrainische Rettungsdienst am Sonntag mitteilte, handelt es sich bei den beiden Opfern um einen Mann und seinen vierjährigen Sohn. AFP-Journalisten berichteten am späten Samstagabend von Explosionen im Zentrum und im Osten von Kiew. Die ukrainische Luftwaffe erklärte im Onlinedienst Telegram, zwei russische Raketen seien auf die Hauptstadt zugesteuert. Unterdessen meldete der Gouverneur der westrussischen Grenzregion Kursk 13 Verletzte in der gleichnamigen Stadt infolge eines ukrainischen Luftangriffs.

Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, heulten in Kiew die Warnsirenen. Am Nachthimmel waren demnach mindestens zwei Blitze zu sehen. Die Kiewer Militärverwaltung teilte bei Telegram mit, dass die Luftabwehrsysteme der Stadt aktiviert worden seien, um die Angriffe abzuwehren.

Wie der staatliche Notdienst mitteilte, fielen Teile einer Rakete auf Wohnhäuser in dem Kiewer Außenbezirk Browary. Ein 35-jähriger Mann und sein vierjähriger Sohn seien bei Such- und Rettungsarbeiten tot in den Trümmern eines Gebäudes aufgefunden worden, hieß es. Drei weitere Menschen wurden demnach schwer verletzt.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe waren außer Kiew auch andere ukrainische Regionen von russischen Luftangriffen betroffen. In fünf weiteren Regionen habe es Drohnenangriffe gegeben, erklärte die Luftwaffe.

Russland startet fast jede Nacht massive Drohnen- und Raketenangriffe auf Städte in der Ukraine, die sich seit Februar 2022 gegen den Angriffskrieg verteidigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drängt die Verbündeten seit Wochen, schnell neue Luftabwehrsysteme zu liefern.

Erneute russische Luftangriffe auf die Ukraine waren als Reaktion auf den Vorstoß der ukrainischen Armee in der westrussischen Grenzregion Kursk bereits befürchtet worden. Auf ukrainischer Seite wurden im Zuge dessen 20.000 Menschen nach Angaben von Behörden aus der an Kursk grenzenden Region Sumy evakuiert.

Belarus verlegt Panzer an die Grenze

Das belarussische Verteidigungsministerium in Minsk verlegte nach eigenen Angaben nun Panzer an die Grenze. Das Ministerium veröffentlichte im Nachrichtenkanal Telegram ein Video, auf dem die Verladung von Panzern auf einen Schienentransport zu sehen ist. Die Einheiten seien in Bereitschaft versetzt worden, um Befehle auszuführen.

Zuvor hatte Machthaber Alexander Lukaschenko die Verstärkung der Truppenteile im Raum Gomel und Mosyr im Südosten des Landes angeordnet. Sie sollten dort auf mögliche Provokationen von ukrainischer Seite reagieren. Lukaschenko hatte am Samstag über den mutmaßlichen Abschuss von mehreren ukrainischen Flugzielen informiert. Die Flugabwehr sei in volle Bereitschaft versetzt worden, weil etwa zehn Flugobjekte aus der Ukraine in den Luftraum von Belarus im Osten des Landes im Gebiet Kostjukowitschy eingedrungen seien.

dpa/AFP/ll/jr/gub

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