Politik

Ukraine: Erste Gespräche USA-Russland in Riad – Politik | ABC-Z

Die geschockten Europäer reagierten rasch. Sie trafen sich am Montag in Paris zu einem Ukraine-Krisengipfel, den die französischen Gastgeber keinesfalls als Krisengipfel bezeichnet haben wollten. Allerdings lässt sich die Zusammenkunft kaum anders bewerten, nachdem die Regierung von Donald Trump die Verbündeten komplett überrumpelt hatte. Am Dienstag vergangener Woche säte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth Zweifel an den US-amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa. Am Mittwoch telefonierte Donald Trump mit Wladimir Putin, und am Freitag las Vizepräsident J.D. Vance den Europäern die Leviten. Nicht Russland bereite ihm am meisten Sorgen, sagte er, sondern Redefreiheit und Migration auf dem alten Kontinent.

Noch schneller als die Europäer gehen aber die Amerikaner und die Russen voran. Während die EU-Vertreter in Paris konferierten, trafen Delegationen aus Washington und Moskau in Saudi-Arabien ein, um über das Schicksal der Ukraine zu beraten – nur fünf Tage nach dem Telefongespräch ihrer Präsidenten. Die personelle Besetzung der beiden Abordnungen war wenig geeignet, die Europäer zu beruhigen. Aufseiten der USA ist Außenminister Marco Rubio der Anführer, er hielt sich ohnehin zu Nahost-Gesprächen mit der saudischen Regierung im Land auf; es sollte unter anderem um die Zukunft des Gaza-Streifens gehen. Für das Treffen mit Russland werden Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz und der Nahost-Gesandte Steve Witkoff dazustoßen. Der Kreml hat Außenminister Sergei Lawrow und Präsidentenberater Juri Uschakow in die saudi-arabische Hauptstadt Riad entsandt. Die erste Unterredung soll an diesem Dienstag stattfinden.

Das schnelle Tempo verstärkt die Befürchtungen der Europäer, dass sie bei Friedensverhandlungen über die Ukraine außen vor gelassen werden. US-Außenminister Rubio versuchte diese Bedenken zu zerstreuen. „Ein Friedensprozess besteht nicht nur aus einem einzigen Treffen“, sagte er am Sonntag in einem Interview mit CBS. Derzeit sei es noch viel zu früh, um überhaupt von einem Prozess zu reden. In Saudi-Arabien wolle er nun zuerst einmal herausfinden, ob Putin überhaupt an ernsthaften Friedensgesprächen über die Ukraine interessiert sei. Falls irgendwann „echte Verhandlungen“ stattfänden, „muss die Ukraine einbezogen werden, weil sie angegriffen wurde“.

Moskau redet schon von der Wiederherstellung der Beziehungen

Auch die Europäer müssten dann eingebunden werden, sagte Rubio, „weil auch sie Sanktionen gegen Putin und Russland verhängt haben“. Allerdings will Europa nicht nur wegen technischer Aspekte mitreden, sondern vor allem, weil es bei solchen Gesprächen zwangsläufig um die Sicherheitsarchitektur auf ihrem Kontinent geht. Eine Architektur, die seit dem Ende des Kalten Kriegs aufgebaut worden war und nun von Donald Trump infrage gestellt wird. Russland jedenfalls scheint schon hohe Ziele ins Auge zu fassen. Die Gespräche in Riad dienten „der Wiederherstellung der gesamten russisch-amerikanischen Beziehungen“, sagte Präsidentensprecher Dmitri Peskow. Auch solle ein Treffen zwischen Trump und Putin vorbereitet werden.

Seit Trumps zweiter Wahl ist der Ton zwischen Washington und Moskau deutlich freundlicher geworden. Sein Vorgänger Joe Biden hatte als Präsident zunächst versucht, mit Putin in einen Dialog zu treten, unter anderem bei einem Gipfeltreffen in Genf im Sommer 2021. Es sollte ihre letzte Begegnung bleiben. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 unterband Biden die Kontakte und bemühte sich, Russland auf der internationalen Bühne zu isolieren. Trump forderte nun, den Paria wieder in den Kreis der G-7-Staaten aufzunehmen, die Putin nach der Annexion der ukrainischen Krim 2014 ausgeschlossen hatten.

Reicht das US-Regierungspersonal für Verhandlungen? Trump hat sehr viele Experten gefeuert

Putin wiederum war Trump ein wenig entgegengekommen, indem er Marc Fogel freiließ, der wegen des Besitzes von Marihuana in einem russischen Gefängnis steckte. Es war Trumps Unterhändler Steve Witkoff, der den amerikanischen Lehrer in Moskau abholte – derselbe Witkoff, der nun auch in Saudi-Arabien mit am Tisch sitzt. Er ist ein Anwalt und Immobilienunternehmer aus New York und ein alter Freund des US-Präsidenten. Die beiden spielen seit Jahrzehnten miteinander Golf, vor allem aber hält Trump Witkoff ihn für den besten Verhandlungsleiter, den er kenne. Er war etwa daran beteiligt, als Israel und die Terrororganisation Hamas sich auf eine Waffenruhe und einen Austausch von Gefangenen und Geiseln einigten. Und nun beim Tauschgeschäft mit Marc Fogel, bei dem die Amerikaner Alexander Vinnik auf freien Fuß setzten, einen Russen, der mit einer Kryptobörse Hunderte Milliarden gewaschen hatte.

Nicht in die Gespräche mit Russland einbezogen wird hingegen Keith Kellogg, ein General im Ruhestand und Trumps Entsandter für die Ukraine. Das könnte darauf hindeuten, dass die USA doch nicht ein ganz so hohes Tempo anschlagen, wie die Europäer befürchten. Ohnehin ist fraglich, wie schnell Trumps Leute überhaupt vorangehen können. Ihr Chef hat die Verwaltung in Washington durchgeschüttelt wie ein Wirbelwind und Tausende Mitarbeiter entlassen. Im Außenministerium etwa mussten nicht nur die führenden Angestellten gehen, die üblicherweise nach einem Machtwechsel im Weißen Haus ausgetauscht werden. Entfernt hat der neue Präsident auch Fachleute auf unteren Ebenen, deren Loyalität er anzweifelt. Ebenso im Nationalen Sicherheitsrat, einer Behörde, die direkt dem Weißen Haus angegliedert ist. Dort wurden 160 Mitarbeiter aus ihren Büros verbannt, mehr als ein Drittel des gesamten Personals.

Insgesamt sei nur ein Drittel der relevanten Posten besetzt, heißt es in Washington – und die unteren Chargen wagten sich nicht, Entscheidungen zu fällen, solange sie keine klaren Anweisungen von den oberen Führungsebenen erhielten. Wie Trump unter diesen Umständen gedenkt, anspruchsvolle Verhandlungen mit Russland abzuschließen, ist unklar. In Washington ist die Rede von einer Einigung bis Ostern; zwei Monate wären eine außerordentlich kurze Frist für die Lösung einer derart komplexen Aufgabe. Das nährt wiederum die Ängste der Europäer, dass die Trump-Regierung stärker interessiert ist an einer schnellen Lösung als an einem Abkommen, das die Sicherheitsbedürfnisse der Ukraine und Europas garantiert. Dass sich Trump von Putin über den Tisch ziehen lässt, wie schon während seiner ersten Präsidentschaft. Putin leugnete, sich in die US-Wahl 2016 eingemischt zu haben. Vor versammelter Weltpresse sagte Trump 2018 bei einem gemeinsamen Auftritt in Helsinki, er schenke Putin mehr Glauben als den eigenen Geheimdiensten.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"