Überlassen Schüler ChatGPT und Co. das Denken, schwächen sie ihre Gehirne | ABC-Z

Künstliche Intelligenz hat in den Schulen Einzug gehalten, auch wenn manche Lehrkräfte das noch nicht wahrhaben wollen. Die Bandbreite ist freilich groß. Wenige Lehrer setzen KI schon ganz offensiv im Unterricht ein, lassen zum Beispiel Schüler Klassenarbeiten mithilfe von ChatGPT schreiben und darüber reflektieren. Andere ignorieren hingegen, dass ihre Schüler KI für Hausaufgaben und Ähnliches nutzen. In Umfragen aus dem vergangenen Jahr meinten nicht wenige Lehrkräfte, KI habe in der Schule nichts verloren, gleichzeitig fanden aber viele, dass junge Leute KI-Kompetenzen benötigen.
Jugendliche gaben an, KI vor allem auf eigene Initiative zu verwenden. Nach einer aktuellen Umfrage in europäischen Ländern im Auftrag der Vodafone-Stiftung nutzen Schüler KI hauptsächlich zum Einholen von Informationen und zum Erklären von Begriffen, als eine Art besonders intelligente Suchmaschine.
Dass sehr viele Schüler KI zuhause für die Schule verwenden, muss jeden Lehrer alarmieren. Denn der unbegleitete Umgang mit ChatGPT und Co. kann den jungen Leuten regelrecht Schaden zufügen. Es kann ihre Kompetenzen deutlich beeinträchtigen, wenn sie die KI Aufgaben erledigen lassen und nicht mehr selbst denken. Gerade jüngere Schüler darf man auf keinen Fall damit allein lassen, aber auch ältere müssen lernen, zielführend damit umzugehen. Was die Alarmglocken noch lauter schrillen lassen sollte: Schwächere Schüler sind besonders gefährdet, der Maschine das „Denken“ zu überlassen.
Man kann von und mit der KI lernen
Strengt man das Gehirn nicht mehr an, dann baut es ab. So stellt sich mit jeder neuen Technik, die den Menschen kognitive Aufgaben abnimmt, die Frage nach einem „Deskilling“. Der Taschenrechner ist ein Beispiel. Nutzt man ihn regelmäßig, werden Hirnareale geschwächt, weil man nicht mehr kopfrechnet.
Das muss kein Problem sein, wenn man die gewonnene Zeit und den Taschenrechner nutzt, um schwierigere und drängendere Aufgaben zu lösen, die das Gehirn genauso oder sogar mehr beanspruchen. So bleibt der Kopf fit, und man hebt die Fähigkeiten auf eine höhere Ebene. Schlecht ist also, die KI zu beauftragen, einen Text zu schreiben und abzuschicken. Gut kann sein, von und mit der KI zu lernen, indem man mit ihrer Unterstützung Ideen generiert und mit ihr Argumente austauscht.
Durch die Öffentlichkeit geistert zudem der Irrglaube, man müsse im KI-Zeitalter nichts mehr wissen. Eigenes Wissen aufzubauen bleibt wichtig; Menschen können nur Inhalte verarbeiten, die sie grundsätzlich verstehen. Lesen, Rechnen und anderes Basiswissen werden weiterhin gebraucht. Ein guter Leitsatz ist: Man kann die KI-Bots für das nutzen, was man selbst schon gelernt hat.
Nachgewiesen wirkungsvoll sind Feedback-Tools
Forscher untersuchen, wann die KI den schulischen Lernerfolg erhöht. Sie haben erste Ergebnisse vorgelegt, die ermutigen. Erfolg versprechen KI-Werkzeuge, die auf das Lernen abgestimmt sind, Lernassistenten, die vorgepromptet sind und Materialien und Übungen enthalten. Nachgewiesen wirkungsvoll sind Tools, die Schülern Rückmeldungen auf ihre Texte geben. Dabei wirkt sich vorteilhaft aus, dass die Systeme allen Kindern zeitnah und jederzeit Feedback geben können – eine Lehrkraft kann das gar nicht leisten.
Sehr große Hoffnung setzen Fachleute auf die Intelligenten Tutoriellen Systeme (ITS). Sie bieten Schülern individuelle Lernwege an, indem sie fachliche, sprachliche und kognitive Unterschiede berücksichtigen und aus vielen unterschiedlichen Aufgaben die auswählen, die jeden Einzelnen am stärksten voranbringen. Mit ihnen sollten die Basiskompetenzen trainiert werden. So werden alle Schüler auf ein höheres Niveau gehoben und können in der Klasse – unter Leitung der Lehrer, die wichtig bleiben – zum Beispielen kompetenter an Diskursen teilnehmen.
Die Politik hat das Potential der intelligenten Lernprogramme, das schon länger wissenschaftlich belegt ist, durchaus erkannt. So bekennen sich Union und SPD im Koalitionsvertrag dazu, „selbst-adaptive, KI-gestützte Lernsysteme“ voranzubringen. Bisher dümpeln sie in Deutschland allerdings vor sich hin.
Alle Beteiligten dürfen nun keine Zeit mehr verlieren, denn die KI entwickelt sich rasant und wartet nicht auf die Politik und die Schulen. Die Politik muss eine verlässliche technische Ausstattung der Schulen und eine gute Lehrerausbildung und Fortbildung sicherstellen. Lehrkräfte sollten sich weiterbilden und einfach beginnen, gemeinsam mit den Schüler zu experimentieren, und natürlich kritisch über KI reflektieren – damit die Schülern schlauer und nicht dümmer werden.