Der Aufstand der Bauern führt auch in Franken zu heftigen Gefechten mit dem Adel. – Bayern | ABC-Z

In der Episode, die der Schriftsteller in seinem wunderbaren Reisebericht „Das Wirtshaus im Spessart“ schilderte, steckt das ganze triste Schicksal der Erinnerung an die deutschen Freiheitsbewegungen, in diesem Fall an den großen Bauernkrieg von 1525 und die Belagerung der Festung Marienberg durch die Aufständischen. Franken freilich ist 1525 ein Herzland der Erhebung und Bühne ihrer Tragödie. Schon der fürstbischöfliche Sekretär Lorenz Fries, der das Drama miterlebte, schrieb: „Die beswerlich entborung der unterthanen hat doch an kainem ende so heftig und schrockenlich eingetrungen, als in dem stifte Wirtzburg und herzigthumb Franken.“
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Das hat seinen Grund in der zersplitterten politischen Struktur des Landes. Die drei geistlichen Fürstentümer Bamberg, Eichstätt und Würzburg rivalisieren mit den beiden weltlichen Markgrafschaften Ansbach und Kulmbach und mehreren freien Reichsstädten, am wichtigsten Nürnberg, sowie den zahllosen kleinen Besitzungen der Ritter auf ihren Burgen. Mittendrin – und zwischen allen Stühlen: die Bauern, also die große Masse der Bevölkerung.
Theoretisch ist ihr Status vergleichsweise weniger übel als anderswo, die Leibeigenschaft gibt es kaum noch, Besitzrecht und persönliche Freiheit sind oft festgeschrieben. Praktisch aber sind sie Diener, ja Knechte dieser vielen Oberherren, oft mehrerer zugleich, ausgepresst durch unnachsichtig eingetriebene Steuern und Abgaben. Es gibt Missernten, aber keine Erleichterungen. Die reichen Klöster erregen mit ihren Ansprüchen auf Weiden und Wald Hass, nicht weniger als die adeligen Jagdgesellschaften, die durch die Felder trampeln und sich in den Dörfern kostenlos einquartieren und verköstigen lassen.
Erlösung verspricht sich das gequälte Landvolk von der Reformation. „Göttliches Recht“, wie die Bauern fordern, solle an die Stelle des weltlichen Unrechts treten. Wobei zu bemerken ist, dass der Aufstand 1525 auch in Franken nur selten Nächte der langen Messer bedeutet. Trotz späterer marxistischer Vereinnahmungen der Bewegung geht es den Bauern, in heutigen Begriffen, eher um eine grundlegende Demokratisierung und eine gefestigte Rechtsordnung und nicht um die physische Vernichtung von Adel und Klerus. Das freilich reicht allemal als Kriegserklärung gegen den feudalen Unrechtsstaat, der sich aus der mittelalterlichen Ständegesellschaft herausgebildet hatte.

:Der Ursprung der Menschenrechte
Im Jahr 1525 revoltierten die Bauern und einfachen Menschen in blutigen Schlachten gegen den Adel. Ihre Forderungen gründeten sie auf die Zwölf Artikel aus Memmingen – sie sind so etwas wie die ersten deutschen Grundrechtserklärungen, mit für ihre Zeit geradezu ungeheuerlichen Forderungen.
Zunächst freilich sieht es nach einem Triumph der Aufständischen aus. Eines ihrer Heere, der Neckartal-Odenwälder Haufen, schließt sich vor der Residenzstadt Würzburg mit dem Taubertaler Haufen zusammen, etwa 15 000 Mann sind es insgesamt, und der verängstigte Rat lässt die Tore öffnen. Mehr noch, er schließt sich der Amorbacher Erklärung an, einer Freiheits-Deklaration der Bauernkrieger. Freilich scheint es, als verbrüderten sich nur die Unterschichten, der „trunkene Pöbel“, wie die Gegenseite schimpft, mit den Bauern, die gemeinsam mit ihnen die Weinkeller Würzburgs plündern.
Doch da wäre noch die Festung über der Stadt. Der Marienberg hat noch nicht die mächtigen, über das Maintal reichenden Bastionen, die man heute sieht; aber auch 1525 ist er schon eine beeindruckend stark befestigte, auf drei Seiten schwer zugängliche Burg. Die Besatzung ist einige Hundert Mann stark, nicht dazu gehört der Würzburger Fürstbischof, der nebst seinem Hof eilig geflohen ist. „Die zarten Herren haben sich verkrochen, immer gewollt, man sollte sich ergeben“, rügt eine Chronik.
Aber die Verteidiger tun es nicht, und dieses eine Mal misslingt den Freiheitskämpfern, was sie sonst im Land und auch in Franken so erfolgreich praktiziert haben: Die Ritter in den alten Burgen verzichteten beim Anblick der riesigen Bauerntruppe, die sogar Kanonen mitführt, auf jeden Widerstand; manche ergaben sich, die meisten flüchteten. Die Bauern aber demolierten die Burgen systematisch und legten Feuer, was aber nichts mit Vandalismus zu tun hat, wie ihnen Luther und die Adeligen später vorwarfen.
„Es muss das sloss herab, dafür hulf nichts!“
Die Burgen sind nicht nur Symbol, sondern auch faktischer Ort der verhassten Klassenherrschaft. Der Ritterstand mag im frühen 15. Jahrhundert an Bedeutung verloren haben gegenüber der wachsenden Macht der Landesherren; aber er ist immer noch und in Franken besonders zahlreich vertreten. Von den Burgen aus kontrollieren die Ritter die Dörfer und Kleinstädte, erpressen Abgaben, erzwingen Frondienste, sie haben sich auf ihren Höhenburgen buchstäblich über das gemeine Volk erhoben.
Zwei Adelige aber sind mit den Bauern: Florian Geyer, ein Idealist und Anführer des „Schwarzen Haufens“; der charismatische Krieger hat viele Städte auf die Seite der Bauern gebracht. Und da ist Götz von Berlichingen – richtig, der später von Goethe verewigte „Ritter mit der eisernen Hand“, der den Feind wissen lässt: „Er kann mich im Arsch lecken.“ Freilich ist der echte Götz zwielichtiger als Florian Geyer, bleibt eine Mischung aus Freiheitskämpfer und ruchlosem Condottiere.
Verhandlungen mit denen oben in der Festung scheitern, auch hier wie in späteren Revolutionen – 1848, 1918 – führt Zwist zwischen Moderaten und Zeloten mit ins Verderben. Die Taubertaler wollen keine Halbheiten, die Festung soll umgehend übergeben werden: „Es muss das sloss herab, dafür hulf nichts!“ Geyer, heißt es, habe die radikalen Kampfgenossen als „des Teufels Bruderschaft“ beschimpft, aber er setzt sich nicht durch.

Doch die Festung fällt trotz stürmischer Angriffe nicht, Hunderte Bauern sterben vor den Mauern. Die Aufständischen haben nur leichte Kanonen, die der Burg wenig anhaben können. „Nackets elends volk mit unverstendigen hauptleuten“ seien sie, höhnt später die Fürstenpartei. Die Häme der Sieger.
Noch während der Belagerung naht das Heer der Gegenrevolution, befehligt von Georg Truchsess zu Waldburg. Er ist selbst nach den Maßstäben dieser brutalen Zeit eine der dunkelsten, verstörendsten Gestalten der deutschen Geschichte und führt ein gut bewaffnetes, professionelles Heer. Er hat bereits eine Blutspur durch die deutschen Lande gezogen und die unerfahrenen Bauern überall besiegt, sie finden weder Mittel noch Strategie gegen seine gepanzerten Truppen und stellen sich ihnen dennoch zum offenen Kampf, den sie nur verlieren können. Götz von Berlichingen setzt sich schleunigst ab, damit, schreibt der Historiker Reiner Lang, „fehlte den Bauern die militärische Erfahrung des ,wunderseltzam reitersman’“ (in dem vorzüglichen neuen Buch „Bauernkrieg in Franken“, herausgegeben von Franz Fuchs und Ulrich Wagner, Verlag Königshausen und Neumann). Zu allem Unglück teilt sich das Bauernheer auch noch – in jene, die weiter auf die Festung schießen, und die anderen, die dem Truchsess entgegenziehen.
Und so kommt es auch in Franken, wie es kommen muss. Mindestens 5000 Bauern fallen in der Schlacht bei Königshofen, beim fränkischen Ingolstadt verschanzen sich noch 300 in der Ruine von Geyers Burg, sie kämpfen tapfer bis zum letzten Mann, ein Opfer, das von jener Geschichte vergessen werden wird, die der Sieger schreibt. „Der Kampf währte bis in die Nacht“, schreibt nicht ohne Respekt Fürstsekretär Fries, der Augenzeuge ist. Geyer selbst wird auf der Flucht getötet. Dann ist es vorbei.

Es folgt der übliche Epilog – ein monströser Rachefeldzug eben dieser Sieger, die ihre Opfer foltern, verbrennen, blenden, aufhängen lassen. Ganz übrigens, wie es der Reformator Luther fordert, als er sich von den Bauernaufständischen abwendet, die sich auf seine Lehre berufen haben. Der zurückgekehrte Würzburger Fürstbischof besudelt seinen Namen dermaßen mit Gräueln, dass er den Papst später um Absolution bittet. Wie so oft in Deutschland ist die Gegenrevolution mächtiger und sehr viel grausamer, als die Revolution es war. Gewinner sind die Territorialfürsten, deren Herrschaft sich nun für lange Zeit wie ein Fluch auf den Bauernstand legen wird.
Aber wenigstens ist heute in Würzburg, oben auf der Festung, kein Fremdenführer mehr, der wie in Tucholskys Zeit die Bauern von 1525 als Mörder und Aufrührer diffamieren würde. Im Gegenteil, dort wird derzeit eine spannende Ausstellung über das Jahr gezeigt, als die Menschen in Franken aufstanden für ihre Freiheit. Und ins Weinlokal kann man anschließend immer noch gehen.
Die Ausstellung „1525 – Franken fordert Freiheit*en“ ist bis zum 26. Oktober 2025 zu sehen. Info: museum-franken.de