Politik

TV-Kritik Markus Lanz: „Fördern und Fordern“ mit Steinbrück | ABC-Z

Als strenger Ampel-Kritiker ist er wohlbekannt, als streitbarer Redner mit horrendem Honorar sowieso und, ach ja, als ehemaliger Bundesfinanzminister und mäßig erfolgreicher SPD-Kanzlerkandidat mit Mut zum Stinkefinger. Doch was macht Peer Steinbrück eigentlich heute? Er sitzt bei Markus Lanz und propagiert eine Reform des Sozialstaats. Musks und Mileis Kettensäge muss der seriöse Diplom-Volkswirt gar nicht als Symbol bemühen, die nackten Zahlen sind eindrucksvoll genug: 170 Sozialleistungen, fünf zuständige Ministerien, Dutzende beteiligte Behörden. „Wenn wir nicht aufpassen, wird dieser Sozialstaat zum Sozialfall.“

Mit einer Verschlankung der Strukturen ist es jedoch nicht getan, findet Steinbrück, der eine „gewisse Konsumentenhaltung gegenüber der Politik“ zu beobachten meint.“ Sein Mantra „Fördern und Fordern“ klingt merkwürdig vertraut. Man denkt zurück an Gerhard Schröder, die Agenda 2010 und eine Zeit, in der die SPD noch eine echte Volkspartei war. Was ist passiert? Die Politik habe die Prioritäten aus den Augen verloren, konstatiert Steinbrück: „95 Prozent der Wahlbevölkerung interessieren sich weniger für Cannabis und geschlechtsneutrale Toiletten als Jobs, Sicherheit und Migration.“ Fast träumt man sich Steinbrück, der 2016 aus dem Bundestag ausschied, zugunsten der Harmonie ins Kabinett zurück, der Sozialdemokrat würde wohl besser zum Koalitionspartner CDU passen als das aktuelle Personal.

Steinbrück: „Soll ich mein Florett rausholen?“

Als Konterpart zu Steinbrück hat Lanz Janine Wissler von der Linkspartei eingeladen. In seiner Eröffnungsrede spricht der Moderator von „zwei politischen Positionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten“. Aus Protest gegen die Agenda 2010 hatte Wissler damals die WASG mitgegründet, die später mit der PDS zur Linkspartei fusionierte. In der Lanz-Sendung sagt Wissler genau das, was von einer Vertreterin der Linkspartei erwartet wird: Mindestlohn rauf, Mieten runter, Wohnungskonzerne enteignen. Und warum auch nicht? „Für den Braunkohleabbau sind ganze Dörfer enteignet worden.“

Auch sie habe nichts gegen eine Sozialstaatsreform, sagt Wissler, immerhin gingen allein für die Verwaltung des Bürgergelds 7,5 Milliarden Euro drauf. „Wir beschäftigen Menschen, die Erbsen zählen.“ Aber bei den Leistungen will Wissler nicht sparen: Ihre Ausführungen zum Sozialstaat kontern Steinbrücks „Fördern und Fordern“ mit einem trotzigen „Fördern und noch mehr Fördern“, das Geld holt man sich einfach bei den Reichen zurück.

Weil Wissler und Steinbrück bei Mindestlohn und Vermögensteuer nicht zusammenkommen, spricht die frühere Linken-Parteivorsitzende dem ehemaligen Finanzminister ab, ein echter Sozialdemokrat zu sein. „Soll ich jetzt auch mein Florett rausholen?“, fragt Steinbrück, wohlwissend, dass das gar nicht nötig ist. Ohnehin steht es 2 zu 1 gegen Wissler, weil sich Lanz die Linken-Politikerin bei jeder Gelegenheit vornimmt und ihr vorwirft, sich „im rhetorischen Unterholz“ zu verlaufen. „Das Wort Pflicht taucht bei ihnen nie auf.“

Wissler will Migration nicht als Problem sehen

Nun ist der Weg nicht mehr weit zum leidigen Thema Migration, es geht um die Integration von Ukrainern, um Sprachkurse und hohe Hürden beim Eintritt in den Arbeitsmarkt. Inhaltlich liegt man nicht weit auseinander und wirft die gleichen Lösungsvorschläge in den Ring, aber der Ton macht den Unterschied: Steinbrück und Lanz wollen „Fördern und Fordern“, denn „ein Staat, der Flüchtlinge aufnimmt, darf auch eine Gegenleistung verlangen“, während Wissler endlich aufhören will, „Migration als ein Problem zu sehen“.

„Jetzt haben wir ein ziemliches Potpourri zusammen“, sagt Steinbrück zum Ende der Sendung, aber ein Thema hat Lanz dann doch vergessen. Bei allem Gerede über Migration, Sozialstaat, Renteneintrittsalter und Mindestlohn ging unter, was Steinbrück als Vater der Schuldenbremse zum 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen zu sagen hat. Man hört ja so einiges über den Schabernack, den die Merz-Regierung mit den frischen Schulden plant. Offenbar werden Löcher im regulären Haushalt gestopft, wo man das Geld doch in die Infrastruktur investieren wollte. Ob Steinbrück angesichts dieser Entwicklungen immer noch von einem „ziemlich großen Wurf“ sprechen würde? Vielleicht erfahren wir es in der nächsten Sendung.

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