Bezirke

Tutzing: Gedok-Ausstellung in der Politischen Akademie zu fleischlosen Wesen – Starnberg | ABC-Z

Nur noch „fleischlose Wesen“ halten derzeit in der Akademie für Politische Bildung die Stellung. In der tagungsfreien Zeit während der Sommerferien laden die langen, leeren Gänge zur Kontemplation vor den Bildern der Gedok-Künstlerinnen ein, die sich in diesem Jahr von einer Textzeile aus dem Lied „Wind“ von Charlotte Brandi und Dirk von Lowtzow zu ihrem ungewöhnlichen Ausstellungstitel inspirieren lassen haben.

Die Gedok, gegründet 1926 als „Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnenvereine“, ist das europaweit älteste und größte Netzwerk für Künstlerinnen. Seit 1989 bestückt die Münchner Gedok für jeweils ein Jahr die Gänge und Pausenräume der Akademie mit Kunst. Kuratorin war diesmal Katharina Schellenberger, bei der Organisation wurde sie von Gisela Krohn und Penelope Richardson unterstützt. Alle drei Künstlerinnen sind auch mit eigenen Arbeiten in der Ausstellung vertreten. 

Wie aber muss man sich nun diese „fleischlosen Wesen“ vorstellen? Carmen Kordas hat das Thema, das von dem Songtext vorgegeben wird, mit ihrer Fotocollage „Ich als Pflanze“ auf den Punkt gebracht. Zu sehen ist eine Art Metamorphose, eine geheimnisvolle grüne Pflanzenfigur mit roten Blütenhaaren und zarten Blätterarmen in einem tiefen schwarzen Raum. Die Künstlerin hat sich dafür selbst mit Selbstauslöser fotografiert und das Bild anschließend mithilfe von KI bearbeitet.

„Was hab’ ich davon, eine Frau zu sein, wenn mir fleischlose virtuelle Perfektion lieber ist?“, fragt Martina Salzberg in Analogie zum Liedtext. In der Fotoserie „Schönheitsoperationen an Obst und Gemüse“ zeigt sie beispielsweise das Vorher-Nachher-Bild einer verschrumpelten Aubergine, die mit Nadel und Faden geflickt und gestrafft wird, um sich in ein nicht nur fleischloses, sondern auch makelloses Kunstprodukt zu verwandeln. 

Nina Radelfahr beschäftigt sich in ihren Fotoarbeiten mit der Herkunft des Menschen aus dem Meer. Sie schreibt zu ihren Bildern von quallenartigen, licht durchdrungenen Strukturen, sie entdecke Gemeinsamkeiten zwischen der „marinen und humanen Anatomie“ und untersuche „fruchtbringende und transformierende Potenziale des Menschen- und Meereskörpers“. Auch bei Ruth Effer geht es um Wasser: Sie präsentiert Porträts von „humanoiden Aquawesen, deren Nichtvorkommen erst bewiesen werden müsste“.

Nina Radelfahr beschäftigt sich in ihren Fotoarbeiten mit der Herkunft des Menschen aus dem Meer. (Foto: Georgine Treybal)
Ruth Effer präsentiert Porträts von “humanoiden Aquawesen”. (Foto: Georgine Treybal)
Eva Raiser-Johanson hat zarte Pflanzenmotive mit der Nähmaschine auf Leinen gestickt. (Foto: Georgine Treybal)

Penelope Richardson spürt in einer Fotoserie der flüchtigen Existenz von Schneemännern nach und Julia Smirnova fotografierte auf Reisen „fleischlose“ Tiere als Deko-Objekte in Blumentöpfen oder als Graffiti. Und auch Inge Kurtz zeigt noch einmal einen ganz anderen Aspekt der „Fleischlosigkeit“ auf: Ihre Bilder entstehen in einer höchst eigenwilligen Mischtechnik aus Fotografie, Malerei und digitaler Bildmontage. Zu sehen sind Raumschiffe und Maschinen, die putzige roboterartige Menschlein ausspucken und in die Welt schicken. Dazu schreibt die Künstlerin: „Science Fiction“, also naturwissenschaftliche Fiktion, sei die neue Transzendenz, „in der Fakten mit Fiktion so sehr verschmelzen, dass wir zunehmend nicht mehr wissen, was wirklich ist“. Unsere neuen Götter seien fleischlose Wesen, die nicht vom Berge Sinai, sondern aus dem Silicon Valley gesendet werden. 

Mit zu den schönsten Arbeiten in dieser Ausstellung gehören am Ende auch die zarten Pflanzenmotive, die Eva Raiser-Johanson mit der Nähmaschine auf Leinen stickt. Die mit schwarzem Faden aufgebrachten Umrisslinien von Blättern und Blüten sollen aber bei Weitem nicht nur für gekonntes Handwerk und dekorative Ergebnisse stehen. Sie sind, wie etwa bei der detailgenauen Darstellung der Heilpflanze „Gemeiner Odermenning“ gleichzeitig „Sinnbild für Gesellschaftliches und Persönliches“: Als Bachblüte Nr. 1 steht „Agrimony“ für emotionale und gesundheitliche Probleme, die durch Verdrängung entstehen. Wohl nicht zufällig hat die Künstlerin die kleinen gelben Blütenblätter aus dem goldenen Streifen einer Deutschlandfahne geschnitten. 

Die Ausstellung ist bis zum 6. September nur vormittags, danach bis Mitte Mai 2025 zu den normalen Öffnungszeiten der Akademie (Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr) zu sehen.

Back to top button