Geopolitik

Tumulte im Landtag: Voigt spricht von „Angriff auf die Verfassung“ – Thüringens Innenminister wirbt für AfD-Verbot | ABC-Z

Tumulte in Thüringen: Der AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler weigerte sich, Abstimmungen durchzuführen oder auch nur die Beschlussfähigkeit des Landtags festzustellen. Politiker aller anderen Parteien sind entsetzt. Thüringens Innenminister plädiert erneut für ein AfD-Verbot.

Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt hat das Agieren der AfD bei der konstituierenden Sitzung des Landtags einen Angriff auf die Verfassung genannt. Es sei deutlich geworden, dass mit der AfD Feinde der Demokratie im Parlament säßen. „Das war ein Angriff auf parlamentarische Rechte, auf die Verfassung und auf jeden einzelnen Abgeordneten“, sagte er.

„Schwer erträglich“, „beschämend“, „skandalös“, „destruktiv“: Die erste Sitzung des Thüringer Landtags ist im Chaos mit Ordnungsrufen, Unterbrechungen, rhythmischen Klatschen von Abgeordneten, lautem Lachen und Zwischenrufen wie „Rechtsbruch!“ versunken. Sie geriet zur Dauerkonfrontation zwischen einer erstarkten AfD mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke an der Spitze und den vier anderen Fraktionen CDU, BSW, Linke, und SPD – und endete mit der Anrufung des Verfassungsgerichts durch die CDU-Fraktion. „Es ist eine Katastrophe, wie die AfD die Demokratie am Nasenring durch die Manege treibt“, schimpfte die Fraktionsvorsitzende der Wagenknecht-Partei, Katja Wolf. CDU-Mann Bühl sagte: „Was Sie hier betreiben, ist Machtergreifung.“

Die AfD und die anderen vier Fraktionen stritten über den Ablauf der konstituierenden Sitzung. Der AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler weigerte sich, Abstimmungen durchzuführen oder auch nur die Beschlussfähigkeit des Landtags festzustellen. Die AfD verteidigte sein Vorgehen. Hintergrund für den Streit ist auch die anstehende Wahl des Landtagspräsidenten, bei der die AfD auf ihr Vorschlagsrecht pocht.

Thüringens ehemalige Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) zeigte sich entsetzt über den Verlauf dieser Sitzung. „Das hat Thüringen nicht verdient“, sagte sie. Die AfD habe Tatsachen und rechtlich eindeutige Feststellungen völlig verdreht. „Das ist wirklich eine Missachtung der Menschen in Thüringen und der Demokratie.“

BSW-Fraktionschefin Wolf sagte, Treutler habe versucht, sich in die Rolle eines „gottgleichen Führers dieses Parlaments“ begeben. Dieses Verhalten lasse sie nichts Gutes für die nächsten Monate erahnen.

Gang vors Verfassungsgericht

Der neue Thüringer Landtag beendete damit seine konstituierende Sitzung am Donnerstag ohne die Wahl eines Landtagspräsidenten. Die Sitzung werde am Samstag um 9.30 Uhr fortgesetzt, sagte Treutler. Der CDU-Abgeordnete Andreas Bühl warf ihm danach vor, die Rechte der Mehrheit des neuen Landtages verletzt zu haben. Weil Treutler keine inhaltliche Debatte zugelassen habe, werde man nun vor den Thüringer Verfassungsgerichtshof ziehen. Dieser muss feststellen, ob es rechtens ist, dass sich die neu gewählten Abgeordneten eine neue Geschäftsordnung geben.

Die AfD ist in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuft. Alle anderen Parteien weigern sich, mit der rechtspopulistischen Partei zusammenzuarbeiten. Die Wahl des Landtagspräsidenten gilt als Testfall dafür, wie die AfD Blockademöglichkeiten in einem deutschen Parlament nutzen wird und ob die anderen Parteien in der Ablehnung von AfD-Ansprüchen zusammenarbeiten.

Thüringens geschäftsführender Innenminister Georg Maier hat sich nach der chaotischen ersten Sitzung für ein Verbotsverfahren gegen die AfD ausgesprochen. „Die heutigen Ereignisse im Thüringer Landtag haben gezeigt, dass die #AfD aggressiv kämpferisch gegen den Parlamentarismus vorgeht. Ich denke, dass damit die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben sind“, schrieb der SPD-Politiker am Abend auf der Plattform X.

„Die für ein Parteiverbot ebenfalls erforderliche Potentialität und der Verstoß gegen Art. 1 GG sind bei der AfD schon länger unstrittig“, schrieb Maier weiter. „Meine Gedanken dazu habe ich bereits im Dezember 2023 geäußert. Der heutige Tag zeigt, dass ich nicht ganz falsch lag.“

Nach Artikel 21 Grundgesetz sind Parteien verfassungswidrig, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. Sie können durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden. Die Hürden dafür sind hoch: Es muss auch wahrscheinlich sein, dass die Demokratie tatsächlich bedroht ist (Potentialität).

Die AfD hat im Landtag in Erfurt 32 Sitze, danach kommen die CDU mit 23 Sitzen, das BSW mit 15, die Linke mit zwölf und die SPD mit sechs Sitzen. Eine Regierungsbildung ist unter anderem schwierig, weil die CDU eine Koalition mit den Linken ausschließt.

dpa/coh/saha

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