TUI: Zahl der Hotels mehr als verdoppeln – das steckt hinter dem großen Asien-Plan | ABC-Z
Bislang steht nur ein Bruchteil der 430 Hotels von TUI in Asien. Nun will der Reise-Weltmarktführer die Präsenz deutlich ausbauen, wie Chef Sebastian Ebel gegenüber WELT verkündet. Man wolle „unabhängiger von Europa“ werden. Von China schwärmt Ebel regelrecht.
Sebastian Ebel hat nach mehr als einem Vierteljahrhundert in der Welt des Tourismus alles gesehen, was es zu sehen gibt, sollte man meinen. Doch der Vorstandschef des Reise-Weltmarktführers TUI klingt aufrichtig begeistert, wenn er von seiner jüngsten Reise nach Vietnam und China berichtet.
„Wenn ich an Shanghai denke: Es war grün, es war unglaublich sauber, es war völlig technologisiert: Ich habe selbstfahrende Autos gesehen und supermoderne Hafenanlagen. Man musste nirgendwo anstehen – alle Prozesse waren digitalisiert und alle Meetings super organisiert“, erzählte Ebel am Abend vor der Bilanzpressekonferenz des Reisekonzerns in Hannover vor wenigen Tagen. „China ist ein sehr strukturiertes Land – also es war wirklich beeindruckend.“
Was der TUI-Chef wohl wissend auslässt: China ist ein Land, das seine Bürger auf Schritt und Tritt überwacht, das jegliche Form von Opposition unterdrückt und dabei auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Zudem droht es Taiwan mit gewaltsamer Annexion. Wer in China Geschäfte machen will, kann darüber nicht offen reden.
Überrascht war Ebel auch über etwas anderes: „Die Hochachtung, mit der dort über Deutschland gesprochen wird.“ Bei den Geschäftspartnern in China „gilt unsere Zuverlässigkeit, unser Qualitätsanspruch, unsere Arbeitseinstellung als vorbildlich“, sagt Ebel: „Das hatte ich so nicht mehr erwartet.“
Dass Deutschland in Ostasien offenbar einen so guten Ruf genießt, ist eine wichtige Bedingung für die Expansionspläne. „Die TUI Group setzt ihr Wachstum im Fernen Osten fort“, kündigte Ebel in WELT AM SONNTAG an. Asien werde für den Konzern zum „strategischen Wachstumsfeld“. Bei dem Ziel, die Kundenbasis zu verbreitern und globaler zu verteilen, spiele die Region künftig eine Hauptrolle, sagt Ebel. „Wir werden damit auch unabhängiger von Europa, wo die Wirtschaft zuletzt ins Stocken geraten ist.“
Der Weltmarktführer der Pauschalreise betritt Neuland: Von den 430 TUI-Hotels stehen erst 18 in Asien, die meisten auf den Malediven und in Thailand. Die Gesamtzahl soll sich in den kommenden drei Jahren mit weiteren 22 Hotels mehr als verdoppeln. „Mittelfristig“, also bis Anfang der 2030er-Jahre, „halte ich eine dreistellige Zahl von Hotels in Asien für realistisch“, sagt er. Die Projekte würden zusammen mit lokalen Partnern über Management- und Franchiseverträge realisiert.
Auch Indonesien und weitere Länder stehen auf dem Plan
In China hatte der Konzern erst in diesem Jahr seine drei ersten Hotels eröffnet. Doch neun weitere Projekte unter dem Markennamen TUI Blue sind unterzeichnet. 2025 sollen auch für Urlauber, die es eher günstig mögen, neue Häuser der Marke TUI Suneo in China eröffnen. Weitere Hotelprojekte entstehen in Indonesien, Kambodscha, auf den Philippinen und in Vietnam. „Wir machen Urlaubsangebote für Gäste aus Europa in Fernost und werden zum Anbieter für Reisende aus Asien, die in der Region Urlaub machen“, sagte Ebel.
Die wachsende Mittelschicht und die zunehmende Nachfrage nach hochwertigen Urlaubsangeboten macht die Region für die Tourismuswirtschaft so interessant. Nach einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey ist der innerchinesische Reisemarkt mit einem Volumen von umgerechnet 744 Milliarden Dollar bereits der zweitgrößte der Welt. Mit einem jährlichen Wachstum von zwölf Prozent werde der Inlandsmarkt China bis 2030 auch den der USA überholen. Aktuell würden bereits 30 Prozent aller neuen Hotelbauten weltweit in der Volksrepublik errichtet.
Der Trend geht zu hochpreisigen Angeboten: In China werden laut McKinsey doppelt so viele Hotels im Luxus-Segment entstehen wie in den USA. Nach Aufhebung der Reisebeschränkungen der Corona-Zeit hätten Chinas Bürger das Reisen zu schätzen gelernt, bevorzugten aber nahe Ziele innerhalb des Landes oder in Nachbar-Regionen.
Den Trend bestätigt das „China Outbound Tourism Research Insititute“ (Cotri) in Hamburg. An der Spitze der Reiseziele stehe für Chinesen Malaysia, gefolgt von Singapur, Südkorea und Japan. Fahrten in die Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau fallen in der chinesischen Statistik ebenfalls in das Kapitel Auslandsreisen.
Die gewaltsame Niederschlagung von Bürgerprotesten in Hongkong hatte seit 2019 dort zunächst zu einem Rückgang geführt. Inzwischen, stellt Cotri-Chef Wolfgang Georg Arlt fest, stehen beide Sonderverwaltungszonen für 50 Prozent aller Auslandsreisen aus dem chinesischen Kernland. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet Cotri mit rund 100 Millionen Auslandsreisen von Chinesen – was rund 60 Prozent des Vor-Corona-Niveaus von 2019 entspräche.
Reisen nach Übersee treten Bürger Chinas deutlich weniger an als vor der Pandemie. Die Zahl chinesischer Touristen in Deutschland erreichte im dritten Quartal erst 56 Prozent des Niveaus von 2019. In die USA zog es 40 Prozent weniger Chinesen als im selben Quartal 2019. Der Grund für die geringe Anzahl der Fernreisen dürfte auch auf die aktuelle Wirtschaftskrise in China zurückzuführen sein. Der chinesische Auslandstourismus wachse „langsam, aber stetig“, glaubt Cotri-Direktor Arlt.
Das Wachstum der TUI auf dem asiatischen Markt dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass Tourismus-Konzerne aus der Volksrepublik ihrerseits nicht untätig geblieben sind und mit Macht auf westliche Märkte drängen. So hatte das chinesische Konglomerat Fosun schon 2015 die bekannte französische Resortmarke Club Med übernommen. Der Hotelbetreiber Deutsche Hospitality mit Marken wie Steigenberger, IntercityHotel und Maxx gehört seit 2019 zu Huazhu, der inzwischen unter „H World International“ firmiert und massiv außerhalb des Heimatmarktes China expandieren will.
Daniel Wetzel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Energiewirtschaft, Energiepolitik und Klimapolitik.