TSV 1860 will mit “DNA-Training” wieder eine Heim-Macht werden | ABC-Z

Es war im März dieses Jahres, da wurde die AZ in den Gemäuern des Grünwalders fündig und spürte Leopold auf, den Stadiongeist, der dort monatelang spukte und sein Unwesen trieb, den TSV 1860 mit einem regelrechten Heimspielfluch überzog. Aber der Fund rüttelte die Löwen offenbar derart auf, dass sie unter Trainer Patrick Glöckner das Giesinger Gespenst kurz nach seiner Entdeckung gleich davon jagten. Seither hat sich Leopold nicht mehr zurückgewagt – und das soll in dieser Saison bitte auch so bleiben.
So augenzwinkernd diese Zeilen gemeint sind, so augenzwinkernd fragte die AZ auch bei Glöckner nach, wie er denn gedenke, den Leopold fernzuhalten und auf Giesings Höhen eine Festung zu errichten, bei deren Betreten es den Gegner Angst und Bange wird. “Wir machen am besten dasselbe, was wir in der Rückrunde auch gemacht haben. Wir haben uns von einem Abstiegskandidaten zur teilweise besten Profimannschaft Deutschlands entwickelt”, entgegnete der Coach, womit er freilich die statistische Bilanz meinte.
Mentalität und Aufopferung als Schlüssel zur neuen Löwen-Macht daheim
Glöckner führte weiter aus: “Warum wir diesen Erfolg hatten, das lag an der Mentalität und der Aufopferung, die wir jetzt auch in Essen gesehen haben, plus der Art und Weise des Spiels. Mehr kannst du dann auch nicht machen.” Einen Fußball, der schlau ist, der effektiv ist, der Leidenschaft verkörpert, den will der 48-Jährige den Fans mit seiner Mannschaft zeigen, keinen blinden Hurra-Stil, der womöglich die Deckung entblößt, weil vernachlässigt. Das ruft am Ende nur wieder Leopold auf den Plan.
Fünf von zehn Heimspielen unter Glöckner hatte Sechzig in der Rückrunde gewonnen, nur zwei gingen verloren (eines noch mit Leopold in seinem Versteck), die fünf Siege gab es am Stück und sie formten den Grundstein dafür, dass die Abstiegsgefahr recht zügig gebannt war. In der gerade gestarteten Spielzeit will sich der TSV nicht mehr mit den Niederungen der Dritten Liga beschäftigen müssen, der Blick soll nach oben gehen und das erste Spiel im ausverkauften Grünwalder am Samstag gegen den VfL Osnabrück (14 Uhr) ein Fingerzeig sein.

© IMAGO/Mladen Lackovic
von IMAGO/Mladen Lackovic
“}”>
Cerny: “Über mannschaftliche Geschlossenheit die Fans anzünden”
“Ohne die Heimstärke wird es in dieser Saison nicht gehen”, weiß auch 1860-Legende Harald Cerny: “Ich glaube, du musst deine Punkte daheim mit den Fans im Rücken holen. Da musst du die Euphorie wecken. Aber ich glaube, da hast du Typen wie Florian Niederlechner oder Kevin Volland, die dieses Stadion anheizen können.”
Im Gespräch mit der AZ erklärt der 51-jährige Österreicher, der von 1996 bis 2006 insgesamt 308 Pflichtspiele für die Löwen bestritten hat, was es dafür braucht: “Die Jungs müssen, wie wir damals, eine Einheit werden. Über diese mannschaftliche Geschlossenheit und die Art und Weise, wie man Fußball spielt, muss man die Fans anzünden. Dann wird auch die Zeit kommen, dass die Fans da sind, wenn es mal nicht mit einem Sieg klappt. Aber das muss man sich erarbeiten.”
“DNA-Training” mit Siegerfoto, das in die Kabine kommt
“Wenn du oben mitspielen willst”, verdeutlichte auch Glöckner, “solltest du deine Heimspiele gewinnen, das ist klar. Und die Fans im Rücken haben uns immer gutgetan, wir haben uns da als Einheit gefühlt.” Ergo: “Wir gehen total positiv ins erste Spiel rein und freuen uns auf die Kulisse.” Aber eben nicht mit einem naiven Sturmlauf. “Wir wollen unserer Spielweise treu bleiben, wir setzen Nadelstiche, wenn es geht. Und wir stellen eine Balance her”, sagte der Coach: “Spiele, wo du den Gegner direkt überrennst, sind eher seltener.”

© IMAGO/Eibner-Pressefoto/Heike Feiner
von IMAGO/Eibner-Pressefoto/Heike Feiner
“}”>
Damit seine Spieler diesen Ansatz weiter verinnerlichen, war auch im Training am Dienstag schon ein bisschen Heimspiel-Atmosphäre drin. “DNA-Training”, nannte es Glöckner. Auf recht engem Raum spielten mehrere kleine Teams untereinander ein Trainingsturnier aus. Eine der Vorgaben: Ab der Mittellinie durfte der Ball nur noch nach vorne gespielt werden. Gewinner war die Gruppe um Philipp Maier. “Da gibt es ein Siegerfoto, das wird in die Kabine gehängt. Dann haben die Jungs zum Beispiel keinen Materialdienst in der Woche”, schilderte Glöckner, der “eine Megaenergie auf dem Rasen” gespürt hatte.
“Es soll genauso aussehen, wie es in der Rückrunde unter mir war”
Aber was braucht es denn noch, um gegen die Niedersachsen auf das Remis bei Rot-Weiss Essen (1:1) drei Punkte folgen zu lassen? Mehr Mut, findet jedenfalls der Trainer. “Manche Situationen sind teilweise nicht zustande gekommen, weil wir ein bisschen ängstlich waren.” Da ging im Stadion an der Hafenstraße der Weg doch eher mal zur Seite oder zurück, als couragiert in die Spitze. Aber, sagte Glöckner, man müsse noch ein bisschen, bis ein Urteil zum Saisonstart möglich ist: “Nach fünf, sechs Spielen weißt du, wo du stehst.”
Und auch, ob Leopold dort im Verborgenen bleibt oder sich doch wieder in die altehrwürdigen Gemäuer wagt. Glöckner klingt so, als würde er ihm persönlich auflauern, sollte der freche Stadiongeist sich tatsächlich zeigen wollen. “Die Heimbilanz bei mir war sehr gut. Das andere interessiert mich nicht”, sagte er und wiederholte eindringlich: “Es soll genauso aussehen, wie es in der Rückrunde unter mir war.” Willkommen in der Festung Giesing!