TSG Hoffenheim: Der Zaubertrank aus dem Kraichgau | ABC-Z

In unserer Kolumne „Grünfläche“ schreiben
abwechselnd Oliver Fritsch, Christof Siemes, Stephan Reich, Anna Kemper und als
Einwechselspieler Christian Spiller über die Fußballwelt und die Welt des
Fußballs. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende,
Ausgabe 08/2025.
Bis in die englischen Boulevardblätter hat es die TSG Hoffenheim geschafft. „Bundesliga manager ‚put on a chef’s hat and waved a sex toy‘ to motivate stunned players„, titelte etwa der Express. Eine Schlagzeile wie aus einem kinky Schlagzeilengenerator – und viel Aufmerksamkeit für einen Verein, dessen Wirken außerhalb des Kraichgaus kaum jemanden interessiert. Plötzlich aber waren die Hoffenheimer und ihr Dildo in aller Munde.
Wie die Sport-Bild in dieser Woche berichtete, stand der Cheftrainer Christian Ilzer im Dezember nach
drei verlorenen Spielen hintereinander als Koch verkleidet vor seinem
Team und rührte einen imaginären Zaubertrank an. Zunächst holte er echte
Chilischoten hervor, wegen „mehr Schärfe“. Dann packte er einen Dildo
aus, ein weiteres Schlagwort war nämlich „Manneskraft“. Seine Spieler
müssten genauso hart sein wie dieser Dildo, soll der Trainer gefordert
haben.
Abgesehen davon, dass dieses Rezept wohl nur absolute Feinschmecker
überzeugt, darf man Ilzers Versuch gar nicht hoch genug loben. Endlich mal eine kreative Kabinenansprache. Ehrlicherweise sind die ja oft recht enttäuschend. Vielleicht liegt das an zu hohen Erwartungen durch Hollywoodfilme, aber was motivationstechnisch aus den Umkleidekabinen nach draußen dringt, klingt leider nicht nach den Reden von Al Pacino oder Gene Hackman, sondern meist nach: „Zicke zacke, zicke zacke! Heu, Heu, Heu!“
Nun sind Fußballkabinen nicht Orte für tiefsinnige Monologe über das Leben, aber ein wenig mehr als Jürgen Klinsmann, der Polen „durch die Wand“ klatschen wollte, oder Hansi Flicks Graugänse dürfte man ja schon erwarten. Und diese ganzen Schreihälse aus den unteren Ligen, die hin und wieder viral gehen, weil sie einfach nur laut sind, kommen ebenso flach daher wie andere berühmte Motivationstricks: Christoph Daum, der seine Spieler einst über Glasscherben laufen ließ, oder Tomas Oral, der sein Team vor dem letzten Saisonspiel durch eine Autowaschanlage schickte, um sie vom Schmutz der schlechten Saison zu reinigen.
Hoffenheim macht Motivation endlich lebensweltlicher. Und im Jahr 2025 sollte sich wirklich niemand mehr dafür schämen müssen, Sexspielzeug zu benutzen. Auch nicht in Fußballerkabinen. Elf Dildos sollt ihr sein. Zumal diese Nachricht auch bei den letzten unwissenden Fußballfans im 36.000-Einwohner-Städtchen Sinsheim für Aufklärung sorgen könnte: Nein, Dildo ist kein brasilianischer Linksverteidiger.
Zumal im Testosteronbusiness Fußballbundesliga schon immer auch unter der Gürtellinie argumentiert wurde. Jeder weiß von den Eiern, die Oliver Kahn so vermisste. Ebenso legendär ist die Geschichte vom ehemaligen Bayerntrainer Louis van Gaal. Er soll einmal in der Kabine die Hose runtergelassen haben, weil er seinen Spielern demonstrieren wollte, dass er Eier habe – also keine Angst davor, große Namen anzugehen oder auszuwechseln. Ilzer behielt wohl wenigstens die Klamotten an.
Die TSG ließ nun verlautbaren, was in der Kabine passiere, bleibe auch in der Kabine. Keine besonders befriedigende Antwort. Nicht nur, weil sie klingt wie das Motto vom Swingerclub ums Eck. Den Hoffenheimern geht auch einiges an Marketingpotenzial flöten. Ohne das Merchandisingsortiment aller Bundesligaclubs genau durchforstet zu haben: Ein Dildo mit Clublogo, das wäre doch mal was.