Trumps Handelskrieg eindämmen: Von der Leyen ist Vorbild für Merz im Umgang mit dem US-Präsidenten | ABC-Z

Der US-Präsident sucht vor allem die Nähe zu Europas Rechtspopulisten. Im Handelskrieg meidet Trump bislang auch das Gespräch mit der EU-Kommissionspräsidentin. Von der Leyen hat Wege gefunden, Trump dennoch die Stirn zu bieten. Davon könnte der künftige Kanzler Merz viel lernen.
In Brüssel ruhen große Hoffnungen auf Friedrich Merz. Denn in den vergangenen Jahren hat Deutschland seine europäischen Partner immer wieder enttäuscht. Kanzler Olaf Scholz zeigte kaum Interesse an der Europäischen Union. Dafür hat Merz ihn im Wahlkampf scharf attackiert – und sich selbst als überzeugten Europäer präsentiert. Zumindest hat Merz einige Erfahrung mit der komplizierten Bürokratie in Brüssel: Er saß von 1989 bis 1994 als Abgeordneter im Europaparlament, wo die CDU Teil der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) ist. Aber wird Merz es wirklich besser machen als Scholz?
So ambitioniert die Absichten des CDU-Chefs in Europa auch sein mögen – die geopolitische Eskalationsspirale wird ihn in seiner Amtszeit auf Trab halten. Die Europäer haben es nicht mehr nur mit den üblichen, anti-demokratischen Verdächtigen zu tun, namentlich Präsident Wladimir Putin in Moskau und seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping in Peking. Im Weißen Haus sitzt nun ein US-Präsident, der nicht müde wird, seinen Hass gegenüber den Europäern zum Ausdruck zu bringen.
Schwierige Arbeitsbedingungen sind das auch für Merz’ Parteikollegin Ursula von der Leyen. Da Trump gerne zündelt, muss sie als EU-Kommissionspräsidentin ein Feuer nach dem anderen austreten. Erst drohte der US-Präsident damit, den sicherheitspolitischen Schutzschirm, den die USA nach dem Zweiten Weltkrieg über den alten Kontinent aufspannten, abzuziehen. Dann brach Trump ohne Not einen Handelskrieg mit all seinen Partnern, auch den europäischen, vom Zaun. Von der Leyen konnte bisher durch ihr strategisch kluges Handeln gegenüber Trump das Schlimmste verhindern. Sie kann Merz zeigen, wie er sich durch dieses Minenfeld navigieren kann, zu dem die transatlantischen Beziehungen geworden sind.
Von der Leyen ist momentan auf Meloni angewiesen
Obwohl es bislang offenbar keinen direkten Gesprächsfaden zwischen von der Leyen und Trump gibt, kann die Kommissionspräsidentin einige Erfolge vorweisen. Das militärische Schutzversprechen der Amerikaner wackelt zwar, ist aber noch größtenteils vorhanden. Daran hat auch von der Leyens 800 Milliarden Euro schwerer Plan zur “Wiederbewaffnung” Europas Anteil. Damit ging sie auf Trumps Forderung ein, die Europäer sollten endlich mehr Geld in die Nato-Kasse einzahlen. Zudem machte Trump im Zollstreit teilweise einen Rückzieher: Zwar beharrt er auf einen Basis-Zoll von 10 Prozent auf alle importierten EU-Waren – so wie auf die Einfuhrbeschränkungen auf Aluminium, Stahl und Autos. Aber immerhin nahm Trump die Zollerhöhung auf 20 Prozent für europäische Produkte für 90 Tage zurück – weil er mit Brüssel verhandeln will.
Ja, die Erfolge scheinen auf den ersten Blick bescheiden. Wenn man aber bedenkt, dass Trump und sein Umfeld sich EU-skeptischen Rechtspopulisten wie der AfD näher fühlen als den konservativen Parteien der demokratischen Mitte, ist von der Leyens Bilanz mehr als ordentlich. Um so weit zu kommen, ist aber auch die Kommissionschefin auf die Zusammenarbeit mit einer Rechtspopulistin angewiesen: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Während von der Leyen noch immer auf Trumps Anruf wartet, bekam Meloni schon eine Audienz im Weißen Haus. Dabei wurde sie nicht nur von Trump mit Lobeshymnen überschüttet, sondern konnte ihm auch das Zugeständnis zu einem künftigen Deal im Handelsstreit mit Brüssel abringen. Vor und nach dem Besuch Melonis im Oval Office stimmte von der Leyen sich eng mit ihr ab, um die italienische Regierungschefin als Brückenbauerin zu nutzen.
Von dieser Vorgehensweise kann Merz lernen. Auch er sollte sich um einen Draht zu Trump bemühen und – falls dies nicht sofort gelingen sollte – Allianzen schmieden. Im Bundestag hat er dafür keinen Spielraum, selbst wenn er nach rechts abbiegen wollte. Die Brandmauer zur AfD hat Löcher bekommen, steht aber noch. Und ausgerechnet die AfD steht den Republikanern, die Trump auf rechts getrimmt hat, politisch besonders nah: Trumps Vize JD Vance bekundete seine Sympathie für die deutschen Rechtsextremen auf der Münchner Sicherheitskonferenz, Trumps Berater Elon Musk plauschte mit AfD-Chefin Alice Weidel live auf seiner Plattform X.
EU-Gegenzölle wiesen Trump wohl in die Schranken
Doch wie von der Leyen könnte sich Merz auf der internationalen Bühne Meloni zuwenden. In ihrer Gesinnung ist Meloni, als Vorsitzende der teils gesichert rechtsradikalen Partei Fratelli d’Italia, kaum weniger gefährlich als Weidel. Allerdings hält sie auf europapolitischer Ebene bislang die drei Bedingungen ein, die von den Konservativen im EU-Parlament für eine Kooperation aufgestellt wurden: pro EU, pro Rechtsstaat, pro Ukraine. Allein um die europäische Einheit zu wahren, muss Merz sich eng mit Meloni und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron abstimmen – schließlich regieren die drei die wirtschaftsstärksten Länder der EU.
Während Meloni den US-Präsidenten aufgrund der gemeinsamen rechtspopulistischen Gesinnung ohne jede Heuchelei umschmeicheln kann, wird das für Merz schon schwieriger. Wenn er als Mann der politischen Mitte auch Abstand wahren muss, kann er sich bei Trump dennoch Respekt verschaffen – mit selbstbewusstem Auftreten. Auch das hat von der Leyen vorgemacht. Sie schreckte nicht davor zurück, Trump mit Gegenzöllen zu drohen und konnte so den Handelskrieg erst einmal eindämmen. Beobachter in Brüssel sind überzeugt davon, dass diese Strategie bislang aufgeht. Trump, der nur das Recht des Stärkeren zu kennen scheint, muss mit Stärke begegnet werden.
Zudem setzte von der Leyen Trump mit der Diskussion über eine Steuer für Tech-Unternehmen unter Druck. Angesichts der drohenden Zölle und Steuern vonseiten der EU bekamen einige US-Milliardäre offenbar kalte Füße. Musk kritisierte Trump jedenfalls bereits öffentlich für dessen Wirtschaftspolitik. Den Weg des Widerstands kann Merz mit von der Leyen in Brüssel gemeinsam gehen. Im Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs kann er für eine gemeinsame Linie gegenüber Trump werben. Unterdessen kann von der Leyen in der Kommission an Gesetzesvorschlägen basteln, die Washington weiter unter Druck setzen.
Berlin wird Geldgeber für Europas Verteidigung sein
Während die Handelspolitik allein in Brüssel entschieden wird, verbleibt die Hoheit über die Verteidigungspolitik zuvorderst bei den Mitgliedstaaten. Hier kann Merz wiederum von der Leyen unter die Arme greifen, um ihren Plan von der Wiederbewaffnung Europas umzusetzen. Da Deutschland im Vergleich zu den europäischen Partnern besonders finanzstark ist, muss es wohl künftig als Geldgeber für die europäische Verteidigung fungieren. In diesem Zusammenhang haben von der Leyen und Merz bereits mit der Zusammenarbeit begonnen. Es war kein Zufall, dass Merz an dem Tag, als von der Leyen ihren 800 Milliarden Euro schweren Verteidigungsplan für Europa vorstellte, in Berlin ein historisches Schuldenpaket organisierte.
Diesen Weg müssen die beiden CDU-Politiker weiter zusammen gehen. Persönlich sollen sie sich nicht sehr gewogen sein – Merz ist ein alter Rivale von Angela Merkel, von der Leyen machte während deren Kanzlerschaft Karriere. Angesichts der geopolitischen Gefahren für Deutschland und Europa dürften beide aber genug Motivation haben, darüber hinwegzukommen. Schließlich kann von der Leyen Merz, der noch nie ein Regierungsamt innehatte, auch mit ihren Erfahrungen als Chefin der größten Behörde der Welt weiterhelfen. Vielleicht beweist Merz nach dem Einzug ins Kanzleramt aber auch ein überraschendes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Trump – und hilft von der Leyen damit weiter.