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Duzen in Ostmark: Liebe Homo austriacus, ich will Sie nicht duzen! | ABC-Z

Dass ich ein Piefke bin, darüber kommen die meisten Menschen, mit denen ich als Journalist in Österreich spreche, sehr schnell hinweg. Die Deutschen sind die größte Migrantengruppe im Land, der Exotenstatus ist längst passé. Und trotzdem muss ich mich meistens sehr schnell doch noch einmal erklären – wenn es um die Anrede geht.
Da muss ich leider, auch nach mittlerweile zehn Jahren Österreich, den teutonischen Prinzipienreiter raushängen lassen: Ein “Du”, einfach so? Das läuft so nicht. Nennen Sie mich gern einen Integrationsverweigerer, aber … nein, passt schon. Kein aber. Es gibt so Dinge, die ich in Österreich nicht akzeptieren werde. Das zwanghafte Geduze gehört dazu.

Und nein, ich rede nicht vom Wirtshaus, vom Stadion, von der Trafik.

Ich rede von Pressesprecherinnen, von Politikern, von Professorinnen, von PR-Agenten, von denen ich seit meinem ersten Arbeitstag in Österreich immer wieder eine Frage höre: “Wollen wir nicht du sagen?”

Nein, ehrlich gesagt nicht.

Weil ich ein höflicher Mensch bin (und einfach Arbeit machen will), gehe ich zur Hälfte auf das Angebot ein. “Sie können gern ‘du’ zu mir sagen”, sage ich dann. Das stimmt auch. Jeder und jede darf mich gern duzen. Ich finde es halt nur albern. Schließlich kennen wir uns nicht, mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit werden wir auch nicht den Abend Arm in Arm am Tresen verbringen – und wenn doch, können wir uns dann ja immer noch auf das Du einigen.

Mir san olle guade Lotsch’n

Weil mir Österreich immer noch Rätsel aufgibt, habe ich nur einige Hypothesen zu diesem Phänomen anzubieten: Zum Einen denke ich, es handelt sich um eine Art Selbstverharmlosung. Um Kurt Sowinetz aus seinem unsterblichen Alle Menschen san ma zwider zu zitieren: “Mir san olle guade Lotsch’n, und drum homma uns so gern.”
Das Du ist in diesem Sinne das Angebot für einen Nichtangriffspakt: Wir tun uns doch nichts, oder?

Zweitens zerren gerade PR-Profis Gespräche gern ins Reich der Unernsthaftigkeit. Alles nur ein Spiel, alles nicht so wichtig, alles nicht so gemeint, und Verantwortung übernehmen wir sicher nicht. Auch so eine österreichische Spezialität, meine Kollegin Christina Pausackl hat das einmal näher beleuchtet.

Und zuletzt ist das Du natürlich der verbale Eintrittscode in die österreichische Freunderlwirtschaft, in der Medien eine viel zu große Rolle spielen. Ein Sie kann das nicht verhindern, aber hilfreich sein, als journalistischer Keuschheitsgürtel.

Das Du sucht mich allerdings nicht nur im Beruf heim. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich, den ersten Duz-Schock hinter mir, dann mal in den Westen des Landes gereist bin, ins schöne Tirol. Und mit Erschrecken feststellte: Die sind hier ja alle so!

Was in Wahrheit natürlich nicht stimmt, aber eine Faustregel meine ich doch aufstellen zu können: In Österreich sitzt das Du lockerer als in Deutschland. Und je weiter im Westen und je höher die Berge, desto seltener wird das Sie. Tirol scheint mir dabei das Epizentrum der Duzerei zu sein. Mich würde es nicht wundern, wenn sie dort sogar noch den Landeshauptmann duzen.

Nein, auch am Berg sind nicht alle gleich

Eine Mischung aus Verblüffung und Verzweiflung führt mich zum “Welcome Service Tirol”, einer Informationsplattform für Zugewanderte und solche, die es werden wollen. Zu meiner Überraschung empfiehlt sie unbekannten Personen gegenüber “die höfliche Anrede Sie”. Aber, jetzt kommt’s: Nur in Städten, und selbst da könne sich das Sie “im Laufe des Gesprächs durchaus auch einmal unbesprochen in das ‘du’ verwandeln”. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass “im Laufe des Gespräch” bedeutet: gleich am Anfang.

Die Broschüre umfasst auch den Punkt “Grüßen am Berg” und damit eine der ersten Umgangsregeln, die ich in Österreich gelernt und nie verstanden habe: Am Berg ist man per du. Und zwar ab der sagenhaften Duz-Grenze von, je nach Quelle, 1.000 oder 1.300 oder sogar 1.800 Metern. Wobei ich mich eh frage, wie man die erspüren soll, haben Österreicher vielleicht ein genetisch einprogrammiertes Höhenmesser?

Und warum duzt man sich eigentlich am Berg? Nur, weil alle Wanderer in der gleichen Multifunktionsjacke herumlaufen? Soweit ich weiß, befinden wir uns auch in alpinem Gelände immer noch in Österreich, dem titelversessendsten Land Westeuropas – und nicht in Skandinavien, wo das omnipräsente Du wenigstens durch ein entsprechendes Gesellschaftsmodell unterlegt ist.

Nein, auch am Berg sind wir nicht alle gleich. Wir haben unterschiedliche Interessen und haben uns nicht alle gern. Und das passt schon so, Österreich. Also bitte: Ein bisschen mehr “Sie” wagen!

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