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Transnistrien und Moldau: Kein Gas mehr – mitten im Winter | ABC-Z

Stand: 17.01.2025 07:45 Uhr

Teile von Moldau und das abtrünnige Transnistrien leiden unter einem massiven Energiemangel. Russland liefert kein Gas mehr, und die Ukraine hat den Transport russischen Gases eingestellt. Wie leben die Menschen damit?

Die Sonne scheint und wärmt die Luft, so dass der Wintertag in Moldaus 5.000-Seelen-Gemeinde Varnita mild ist. Aber die Häuser sind noch kalt, und so zieht Viktoria den Reißverschluss ihrer dicken Jacke hoch, als sie das “Flori” betritt.

An der Wand des kleinen Geschäftes für Gartenartikel hängen Samentüten für verschiedene Blumen- und Gemüsesorten: Radieschen, Salat, Tomaten. In den Regalen liegen Handschippen und -hacken; Eimer und Gießkannen.

Viktoria ist ins “Flori” gekommen, um etwas anderes zu kaufen: Eine kräftige Taschenlampe und Batterien. Und sie guckt, was Elektroöfen kosten, denn in ihrem kleinen Häuschen gibt es nur noch Stundenweise Strom. Immerhin kann sie noch ein Zimmer mit einem Holzofen beheizen, aber die Gasheizungen laufen nicht.

Heizgeräte sind nicht nur in diesem Geschäft in Copanca in Moldau gefragt.

Frieren – trotz guter Kontakte nach Moskau

Viktoria stammt aus Bendery in Transnistrien. Der Landstrich erstreckt sich über gut 400 Kilometer. Er liegt zwischen der Republik Moldau und der Ukraine. Im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion spaltete sich Transnistrien von Moldau ab. Aber die Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahr 1990 erkannte nicht einmal Russland an.

Dabei pflegen die Herrschenden von Transnistrien gute Kontakte zum Kreml: Moskau hat in der Region sogar seit einem kurzen Krieg Anfang der 1990er-Jahre “Friedenstruppen” stationiert. Die allerdings sitzen seit dem ersten Januar auch oft im Dunkeln und frieren. Genau wie die Menschen in den Privathaushalten.

Die Ukraine drehte zum Jahresbeginn die Pipeline zu, über die Russland bis dahin Gas nach Transnistrien geleitet hatte. Viktoria kommentiert das nicht. Wie so viele ihrer gut 350.000 Mitmenschen in Transnistrien hütet sie sich vor Kritik.

Sie kümmere sich nicht um Politik; der Präsident und die Abgeordneten bestimmten die Geschicke der Menschen. Viktoria ist anzumerken, dass sie vor dem autoritären Regime Angst hat.

Strom wird rationiert

Der Präsident der selbsterklärten Republik, Wadim Krasnoselski, hat in Transnistrien den Strom rationiert: Die Haushalte bekommen nur an höchstens 16 Stunden des Tages Strom. Produziert wird er heute mit Kohle.

Menschen wie Viktoria, die unter der politischen Herrschaft Transnistriens leben, decken sich mit Elektroöfen und Taschenlampen in Orten ein, die unter der Kontrolle der moldauischen Regierung in Chisinau stehen. In Varnita zum Beispiel. Die Verkäuferin des “Flori”, Svetlana, sagt, Transnistrien erhebe von Händlern zwanzig bis vierzig Prozent Einfuhrzölle auf Güter, die aus dem Kernland Moldau kommen.

Lange hatte auch die Republik Moldau, trotz aller politischen Spannungen, Strom aus dem Kraftwerk in Transnistrien gekauft. Das wurde zunehmend weniger nach Beginn des Krieges, den Russland seit 2022 gegen die Ukraine führt.

Seither begann die Regierung in der Hauptstadt Chisinau, Strom aus Rumänien zu kaufen. Und sie legte Gasreserven an. Daher sind die Haushalte im Kernland Moldau nach wie vor warm und erleuchtet.

Auch die Kliniken müssen sich beschränken

Varnița ist jedoch eine Art Insel, eine Exklave Moldaus in Transnistrien, und abhängig von den Energielieferungen aus dem dortigen Kraftwerk. Darum trifft der Gaslieferstopp auch die Menschen von Varnița, und auf der Straße vor dem “Flori” dröhnt ein Dieselgenerator.

Zu merken ist das auch in der kleinen Klinik von Varnita. Deren Direktor ist Ghenadie Beselea. Unter seiner Leitung versorgen sechs Ärztinnen und Ärzte täglich im Schnitt 200 Patienten.

Meistens sind es Erste-Hilfe-Fälle: Knochenbrüche oder Verstauchungen. Dazu kommen chronisch Kranke, die vor allem Medikamente brauchen.

Der Strom- und Gasmangel hat Beselea gezwungen, einen Gebäudetrakt im wahrsten Sinne des Wortes “auszuschalten”: “Ein Teil der Klinik ist derzeit wegen Strommangels ungenutzt. “Wenn wir das System überlasten, kommt es zu Stromausfällen.” Vier Stunden lang gebe es Strom, dann wieder für vier Stunden nicht. “Wie schlimm kann es noch werden?”, fragt sich Beselea.

Moldau spricht von “politischem Spiel”

Eine Antwort auf diese Frage hat auch der hohe Besuch nicht, der an diesem Tag nach Varnita gekommen ist: Präsidentin Maia Sandu mit Regierungschef Dorin Recean. Nach einem Besuch im Bürgermeisteramt betonen beide vor Medienschaffenden, sie hätten mit der ukrainischen Regierung gesprochen. Mit ihren Kollegen überlegten sie, wie eine Lösung aussehen könnte.

Und Sandu betont, dass Moldau mit Gazprom einen Vertrag hat. Der verpflichte den russischen Energiekonzern dazu, Gas zu liefern. Und dafür brauche Gazprom auch nicht die Pipeline, die durch die Ukraine führt. Es gebe, so Sandu, auch noch “andere Möglichkeiten”.

Das bestätigen Experten und verweisen auf die türkische Pipeline TurkStream. Moskau hält dagegen, dass die Regierung in Chisinau erst einmal ihre Schulden bei Gazprom begleichen müsse. Die gebe es aber quasi gar nicht, sagt wiederum Moldaus Regierungschef Recean und bezieht sich dabei auf internationale Finanzkontrolleure.

Für Recean ist klar: “Es ist ein schmutziges geopolitisches Spiel gegen die Republik Moldau, das zweifellos von Moskau geführt wird. Ziel ist es, unser Land und die ganze Region zu destabilisieren.”

Moldaus Präsident Sandu will mit ihrem Besuch in Varnita zeigen, dass sie sich kümmert – eine Lösung kann sie aber auch nicht bieten.

Die Parlamentswahl im Blick?

Im Sommer findet in Moldau eine Parlamentswahl statt. Das Kalkül Moskaus könnte sein, dem pro-russischen Lager Stimmen zu verschaffen. Denn nicht nur die Herrscher über die abtrünnige moldauische Region Transnistrien sind Kreml-orientiert. Auch in Moldau selbst gibt es Parteien, die Verbündete in Moskau haben.

Und klar ist, dass der Strom aus Rumänien teurer ist als der, der bis zum ersten Januar teilweise noch aus Transnistrien kam. Daher müssen die Menschen in Moldau heute 75 Prozent mehr für den Grundstromtarif bezahlen.

Das schafft Unzufriedenheit mit der Regierung in Chisinau. Und das auch könnte das pro-russische Lager Moldaus stärken und die jetzige pro-EU-Regierung kippen.

Auch Moldau verfolgt seine Interessen

Umgekehrt versucht die Regierung in Chisinau ebenfalls, Kapital aus der jetzigen Krise zu schlagen: Sie betont, sie würde Transnistrien gerne helfen, aber die dortige Führung lehne das Angebot ab.

Auf diese Weise dürfte sie Unzufriedenheit unter der Bevölkerung Transnistriens schaffen. Wahrscheinlich hofft sie, das dortige System zu schwächen.

Vielleicht springt der Kreml den pro-russischen Kräften jetzt noch einmal bei: Der Präsident von Transnistrien, Krasnoselski, erklärte nach einem kurzen Moskau-Besuch, Russland werde die Republik Moldau in einer “humanitären Geste” wieder mit Gas versorgen. In dem Umfang, der für die Bevölkerung Transnistriens und die Industrieunternehmen des Landstrichs erforderlich sei.

Ab wann und auf welchem Wege das geschehen soll, ließ er allerdings offen.

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