Sam Altman an der TU Berlin | ABC-Z

Eigentlich bestimmen in Berlin ja die Studenten, wer an ihrer Universität öffentlich sprechen darf. Und darum hätte Sam Altman am vergangenen Freitag an der TU eigentlich nicht ungestört für die Produkte seiner Firma werben dürfen. Schließlich gilt der Gründer und CEO von Open AI als einer jener amerikanischen Tech-Milliardäre, die offen Donald Trump unterstützen und damit dessen „faschistische Politik“ und „rechtes Gedankengut“ gutheißen.
So stand es jedenfalls auf den Flugblättern, die vor Altmans Auftritt im Foyer der Universität von der Decke segelten. Das war’s aber auch schon mit dem Protest. Mit frenetischem Jubel wurde Altman von den TU-Studenten begrüßt, was die Kommilitonen drüben an der Humboldt-Universität wohl als „unkritisch“ schmähen dürften. Hier drückte es die Anerkennung aus für jemanden, der auf perfekte Weise das Ideal des unschuldigen Computer-Nerds verkörpert, einen Mann, dessen Erfindung tatsächlich die Welt verändert hat. Aber wie ist ihm das gelungen?
Keine Zweifel an der eigenen Mission
Durch eine vollständige, nahezu autistisch wirkende Immunität gegenüber jeglichem Zweifel an der Richtigkeit der eigenen Mission. Auch wenn sich Fatma Deniz, TU-Vizepräsidentin und Moderatorin der Diskussion, nicht über Gebühr anstrengte, Altman irgendwelche „kritischen“ Fragen zu stellen – an dessen stoischer Gelassenheit prallten sie sowieso ab. Sein technologischer Messianismus gewinnt seine Überzeugungskraft dabei aus der permanenten Selbstreferenz seiner Wissenschaft und ihrer wichtigsten Schöpfung: Ja, die KI stelle Herausforderungen und berge immanente Risiken, die uns vor Probleme stellen könnten, aber diese würden bald gelöst sein, und zwar von einer noch besseren KI. Die KI werde es quasi nicht dulden, sich selbst als fehlerhaft zu erkennen und diesen Makel nicht abzulegen. Warum, will Altman damit sagen, sollte die KI nicht selbst ihr bester Kritiker sein?
Und ja, der Stromverbrauch durch die KI sei immens, aber mithilfe der KI werde die Kernfusion in kurzer Zeit nicht nur die Energieprobleme der Menschheit lösen, sondern nebenbei auch den Klimawandel stoppen. Schließlich habe die menschliche Intelligenz uns erst in diese verzweifelte Lage gebracht, aber mit der Künstlichen werde sich auch diese Krise der Menschheit lösen lassen. In der Logik Altmans ist das Klügste, was wir tun können, so intelligent zu sein, die Mangelhaftigkeit unserer Intelligenz einzusehen und aus dieser Einsicht die Demut zu entwickeln, unser Schicksal in die Hand der KI zu legen.
Alles wird gut
„It’s gonna be totally fine“, versprach Altman. Die KI, so verkündete er, werde wissenschaftlichen Fortschritt, der bisher zehn Jahre gebraucht habe, jetzt bereits in einem Jahr ermöglichen und bald den von hundert Jahren im gleichen Zeitraum. Die beiden Mitdiskutanten, der Informatikprofessor Volker Markl und die Unternehmerin Nicole Büttner, betätigten sich als Verstärker von Altmans Enthusiasmus. Wenn Altman dem Publikum versicherte, er könne noch gar nicht sagen, welchen unfassbaren Fortschritt sein Unternehmen schon in zwei Jahren machen werde, dann nahm man ihm ab, dass er die von ihm als unvermeidlich hingestellte technologische Entwicklung tatsächlich für einen offenen Prozess hält.
Wer angesichts dieser Offenheit des KI-Fortschritts nach Regeln ruft, wie es die Europäer mit ihrem AI Act getan haben, erntet von Altman nur Kopfschütteln. Deep Research, das jüngste Tool von Open AI, werde den Prozess des Forschens völlig verändern. Endlich hätten Wissenschaftler damit die Zeit, sich den wirklich wichtigen Fragen zuzuwenden, wie etwa den Krebs zu besiegen, während die KI den Rest erledige. Während Altman diese Versprechungen machte, sprach er merkwürdig emotionslos, jedenfalls völlig ironiefrei, selbst wenn er beteuerte, die Lösung der Zukunft seien einfach größere Computer. Altman, der seinen Sätzen gerne ein „I believe“ vorausschickt, sprach zwar viel von sich und seinen Überzeugungen, meinte aber meistens das große Wir, die Menschheit und ihre Zukunft, gleich mit: „Ihr wollt doch alle mehr Wissenschaft“, weiß Altman, und die Menge nickte ergeben. Solche Heilsankündigungen wie „Ich gewinne für euch alle!“ gingen ihm dabei genauso leicht über die Lippen wie seine Bitte, die KI doch „zu umarmen“ und ihr einfach – zu vertrauen! Er sagte das mit einem so treuherzigen Blick, dass er wie ein jüngerer Bruder von Robert Habeck wirkte, der nicht Germanistik studiert hat, sondern Informatik.
Fast nebenbei erwähnte Altman, dass Open AI jetzt in München seinen ersten deutschen Standort eröffnen werde. Eher pflichtgemäß schmeichelte er den Deutschen, deren Land er unter den Top 5 der KI-Anwendungen weltweit sieht. In Europa wolle Open AI durchaus investieren und sich selbstverständlich an die gesetzlichen Regeln halten, aber: Die Europäer müssten sich eben entscheiden, ob sie mitmachen oder eben – na ja, zurückfallen wollten. Auch das sagte Altman mit der Selbstgewissheit des Marktführers aus den Vereinigten Staaten, der dort gerade gemeinsam mit Donald Trump und einigen anderen Schwergewichten aus der Tech-Branche mit dem „Stargate“-Projekt 500 Milliarden Dollar in die KI-Infrastruktur investieren wird.
Auch den Studenten hatte Altman einen Ratschlag mitgebracht: Lernt KI-Tools anzuwenden, oder ihr werdet lernen, dass eure sonstigen Fähigkeiten nicht mehr gebraucht werden. Solche Prophezeiungen mögen anderswo Panik auslösen, hier an der TU dagegen spürte man die Gewissheit des Publikums, auf der richtigen Seite der technologischen Geschichte zu stehen.
Die Veranstaltung dauerte nach amerikanischem Brauch eine Stunde. Ebenfalls amerikanischem Brauch entsprach, dass Publikumsfragen schon vor Beginn der Veranstaltung schriftlich einzureichen waren. Etwa 1000 Fragen gingen ein. Die Frage, ob es noch eine andere Geschichte geben könnte, hätte man Altman gerne gestellt, doch leider fand sie sich nicht unter den drei Fragen, welche die Universität ausgewählt hatte.