Tod zweier Basketballer aus der Ukraine: Mordprozess gegen vier Jugendliche – Panorama | ABC-Z
Sie hatten Schutz gesucht in Deutschland, waren aus der Ukraine geflüchtet, vertrieben von Putins Krieg: Volodymyr Yermakov, 17, und Artem Kozachenko, 18, galten als talentierte Basketballer, sie waren „extrem beliebt“ unter ihren Mitspielern bei den Düsseldorfer ART Giants. Ihr Traum von einer internationalen Sportlerkarriere zerschellte am Abend des 10. Februars: Vor dem Hauptbahnhof in Oberhausen fielen vier Jugendliche über sie her, mindestens einer stach laut Anklage mit seinem Messer auf sie ein. Volodymyr Yermakov starb wenige Stunden später, Artem Kozachenko erlag zehn Tage danach seinen schweren Verletzungen.
Am Montag beginnt der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter vor dem Landgericht Essen.
Das gesamte Verfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. So verlangt es das Jugendgerichtsgesetz – denn alle vier Angeklagten sind minderjährig. Hauptbeschuldigter ist ein inzwischen 16-jähriger Deutscher türkischer Abstammung aus Gelsenkirchen. Neben ihm auf der Anklagebank in Essen sitzen ein 15-jähriger Deutsch-Grieche aus Oberhausen sowie zwei junge Syrer, der eine 14, der andere 15 Jahre jung.
Die brutale Tat hatte im Februar für Entsetzen gesorgt im Rheinland. Und insbesondere die Vorgeschichte des mutmaßlichen Rädelsführers und eines der beiden syrischen Mittäter warf Fragen auf. Beide waren Polizei und Jugendämtern längst bekannt: Laut Staatsanwaltschaft hatten sie vor der Bluttat in Oberhausen mehrfachen Raub sowie Körperverletzungen, Sexualdelikte und Diebstahl begangen. Der 16-Jährige aus Gelsenkirchen war kurz vor der Tat bereits wegen früherer Vergehen verurteilt worden – aber die Arreststrafe war noch nicht rechtskräftig.
Die Behörden waren also alarmiert – genau deshalb hatten sie ja bereits 2023 versucht, die beiden Jungen in ein Präventionsprogramm für kriminelle Jugendliche zu vermitteln. Die Initiative namens „Kurve kriegen“, finanziert vom NRW-Innenministerium, schafft es nach eigenen Angaben immerhin, mit Jugendhelfern und Therapeuten etwa 40 Prozent ihrer Klientel zurück auf die richtige Bahn zu bringen und von weiteren Straftaten abzuhalten. Doch das Projekt verheißt nur Erfolge, wenn die Jugendlichen freiwillig mitmachen – und laut einer Mitteilung von NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) vom Mai dieses Jahres „lehnten die Betroffenen beziehungsweise deren Sorgeberechtigte eine Teilnahme ausdrücklich ab.“
Gewalteskalation am Bahnhof
Polizei und Staatsanwaltschaft gelang es offenbar, mithilfe von Zeugenaussagen und Videoaufnahmen den Tathergang weitgehend zu rekonstruieren. Die beiden Ukrainer waren am 10. Februar gegen 20 Uhr auf dem Weg von einem Einkaufs- und Freizeitzentrum zum Oberhausener Bahnhof, als sie im Bus auf die vier Jugendlichen stießen. Die mutmaßlichen Täter sollen mit Provokationen versucht haben, einen Streit zu entfachen; doch seien die Ukrainer ruhig geblieben, so die Ermittler. Als Anlass für die Aggression der vier Angreifer vermutet die Anklage „die ukrainische Herkunft der Geschädigten“, die einer der beiden Basketballspieler offenbart habe.
Nach der Ankunft am Bahnhof, so die Essener Staatsanwaltschaft, seien die Beschuldigten dann „unvermittelt“ und „arbeitsteilig“ auf die zwei Ukrainer losgegangen: Sie sollen zunächst mit einem Schlagstock auf die beiden Ukrainer eingeprügelt haben, dann hätten der Hauptangeklagte und einer der beiden syrischen Jugendlichen ihre Messer gezogen. Ob nur der 16-Jährige zustach oder auch sein jüngerer Mittäter, muss das Gericht klären. Die Anklage unterstellt den mutmaßlichen Tätern, sie hätten sich bereits während der vorherigen Busfahrt verabredet, „die Geschädigten anzugreifen und tödlich zu verletzen.“
Also Mord? Genau diese Frage muss die Große Strafkammer des Essener Landgerichts nun ab Montag klären. Bisher sind zwölf Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil wird im November erwartet. Den zwei Haupttätern drohen jeweils bis zu zehn Jahren Haft.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, die Anklage sehe den heute 16-jährigen Deutschen türkischer Herkunft und den heute 15-jährigen Deutsch-Griechen als Hauptangeklagte. Das ist falsch, laut Anklage war der 16-Jährige der alleinige Haupttäter. Ob einer der beiden syrischen Jugendlichen ebenfalls sein Messer gegen eines der Opfer einsetzte, muss der Prozess klären.