Tod von Hizbullah-Anführer Nasrallah: Schwerer Schlag für Iran | ABC-Z
Noch bevor Irans Oberster Führer Ali Khamenei am Samstag eine Botschaft zur Lage in Libanon verbreiten ließ, wurde er selbst laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters an einen sicheren Ort gebracht. Der Tod des Hizbullah-Führers Hassan Nasrallah stellt die Sicherheitsarchitektur Irans in einer bisher nicht gekannten Weise infrage. Die Sorge in Teheran scheint groß, dass Israel sich nach der Schwächung der iranischen Schattenarmeen irgendwann auch dem Regime in Teheran zuwenden könnte.
In seiner Stellungnahme ließ Khamenei zunächst offen, wie er auf die neue Lage zu reagieren gedenkt, die sein Land näher als bisher an den Rand eines Krieges bringt. „Alle Widerstandskräfte in der Region stehen hinter der und unterstützen die Hizbullah“, ließ er verlauten. Das bezog sich auf die Huthi-Rebellen in Jemen und proiranische Milizen in Irak und Syrien. Diese Kräfte würden unter Führung der Hizbullah das Schicksal der Region entscheiden, sagte Khamenei. Welche Rolle Iran dabei spielen werde, ließ er offen. Khamenei bestritt, dass die Hizbullah durch den Tod Nasrallahs und anderer ranghoher Funktionäre nachhaltig geschwächt ist. „Die zionistischen Verbrecher müssen wissen, dass sie viel zu schwach sind, um der stabilen Struktur der libanesischen Hizbullah irgendeinen ernstzunehmenden Schaden zuzufügen“, tönte er.
Auch ranghohe Militärs der iranischen Revolutionsgarde wurden wohl getötet
Bei den israelischen Luftschlägen in Beirut hat Khamenei nicht nur einen seiner engsten Verbündeten verloren. Auch mehrere ranghohe Militärs der iranischen Revolutionsgarde sollen getötet worden sein, wie Hassan Khomeini, der Enkel des Gründers der Islamischen Republik, bekanntgab. Khomeini sprach von einer “heiklen Lage, die Einheit unter Khameneis Führung erfordert“.
Offiziell bestätigt wurde zunächst nur der Tod des stellvertretenden Kommandeurs für Operationen der Revolutionsgarde, Abbas Nilforoushan. Er soll eine zentrale Rolle bei der Bewaffnung und Koordination zwischen den verschiedenen Milizen der sogenannten Achse des Widerstands innegehabt haben. Sein Tod belegt, dass die Revolutionsgarde schon jetzt an den Hizbullah-Operationen gegen Israel direkt beteiligt ist.
Wie wird Teheran reagieren?
Das Regime in Teheran steht nun womöglich an einem Scheideweg. Nach der Tötung eines anderen ranghohen Kommandeurs der Revolutionsgarde in Syrien hatte Iran im April zum ersten Mal Israel direkt angegriffen. Der Abschuss von mehr als 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern sollte die Abschreckung gegenüber dem Erzfeind wieder herstellen. Das gelang jedoch nicht.
Nach der Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniyeh im Juli in Teheran schwor Iran Vergeltung. Die aber blieb bislang aus. Die Ermordung Haniyehs deutete darauf hin, dass es Israel gelungen sein könnte, die Revolutionsgarde zu infiltrieren. Wie Reuters unter Berufung auf iranische Quellen berichtete, wurden daraufhin Auslandskonten und Konten von etlichen Revolutionsgardisten überprüft. Auch die Explosion Tausender Hizbullah-Pager weckte in Teheran die Befürchtung, dass eigene Kommunikationsgeräte sabotiert werden könnten.
Ein Dilemma für Khamenei
Mit den schweren Luftschlägen gegen die Hizbullah, einen der zentralen Pfeiler der von Iran so bezeichneten „Vorwärtsverteidigung“, erscheint das Land verwundbarer denn je. Nasrallah war nicht nur der Führer der Hizbullah: Seit dem Tod von Qassem Soleimani im Jahr 2020, dem Kommandeur der für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Einheit der Revolutionsgarde, war Nasrallah auch Khameneis Verbindungsmann zu den anderen proiranischen Milizen.
Teheran steht nun vor einem Dilemma: Wenn es nicht reagiert, dezimiert dies weiter seine Abschreckungskapazitäten. Wenn es Israel angreift, riskiert es einen Krieg gegen einen übermächtigen Gegner. Für diesen Fall hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung bereits einen harten Gegenschlag angekündigt. Die dritte Option wäre, dass Iran weiter auf seine Schattenarmeen setzt, um den Krieg von seinem eigenen Territorium fernzuhalten. Manche Kräfte in Teheran, wie der frühere Kommandeur der Revolutionsgarde Mohsen Rezai, drängen auf eine entschlossene konzertierte Aktion. Sonst werde Israel sich nach Beirut, Damaskus und Bagdad Iran zuwenden, sagte Rezai.
In Teheran wurden derweil Büros eröffnet, in denen sich Freiwillige für den Kampf in Libanon melden können. Unklar blieb, ob dies vor allem Propagandazwecken diente. Solche Kampagnen hat es zuletzt nach dem Beginn des Gazakrieges gegeben, jedoch ohne erkennbaren Effekt. Die iranische UN-Mission in New York hatte schon am Freitagabend mitgeteilt, mit dem israelischen Angriff auf das Hauptquartier der Hizbullah hätten sich die „Regeln des Spiels“ verändert. Was das heißt, ließ Teheran offen.