titel, thesen, temperamente: Thilo Mischke nach Das Erste-Shitstorm: „Ich wollte sterben!“ | ABC-Z

Thilo Mischke, Journalist und Autor, hat im Podcast „Hotel Matze“ bewegend über die schwerwiegenden Folgen seiner kurzen Ernennung als Moderator des ARD-Kulturmagazins „ttt – titel, thesen, temperamente“ gesprochen. Ende 2024 hatte die ARD ihn als Nachfolger präsentiert, doch die Entscheidung löste eine massive Welle der Empörung aus, die schließlich nicht nur seinen Traum vom Moderatorenjob, sondern beinahe auch sein Leben kostete.
Der Auslöser des Skandals waren insbesondere Textstellen aus Mischkes 2010 veröffentlichtem Buch „In 80 Frauen um die Welt“, das er mittlerweile als „beschissen“ und als „Produkt seiner Zeit“ bezeichnet, sowie Aussagen in einem Podcast aus dem Jahr 2019 zum Thema Vergewaltigungen. Die öffentliche Wahrnehmung wandelte sich dramatisch: Vom respektierten Reporter wurde er plötzlich als „homophober, frauenfeindlicher, gewaltverherrlichender Mann“ gesehen – ein Bild, das laut Mischke vollkommen seinem tatsächlichen Wertekompass widerspreche. Nachdem mehr als 100 Kulturschaffende in einem offenen Brief seine Berufung für das Kulturmagazin kritisiert hatten, zog die ARD ihr Angebot zurück.
Die Situation sei für sein Umfeld extrem schwierig gewesen
Mischke berichtet im Podcast offen, wie ihn die Anfeindungen und der öffentliche Druck an den Rand seiner Belastbarkeit brachten. Besonders die Weihnachtstage seien für ihn und sein Umfeld extrem schwierig gewesen. „Am 26. Dezember habe ich versucht, mich umzubringen“, sagt der 44-Jährige. „Ich wollte sterben, um dieser Situation zu entfliehen.“
Die Erlebnisse hinterließen nicht nur bei ihm selbst, sondern auch in seinem Umfeld Spuren. „Meine Mutter ist kaputt. Immer noch. Keine Mutter kann ertragen, wenn ihr geliebtes Kind so leidet“, erzählt er und fügt hinzu: „Das ist das Schlimmste an dieser ganzen Debatte.“
Thilo Mischke: „Bin bereit, mich für immer zu entschuldigen“
Trotz allem zeigt sich Mischke gewillt, aus seinen Fehlern zu lernen. Er sei bereit, sich „für immer zu entschuldigen“ und darauf hinzuweisen, dass solche Werke wie sein Buch früher denkbar waren, heute aber zurecht auf Ablehnung stoßen. Über seine Aussagen in einem älteren Podcast meint er selbstkritisch: „Hätte ich den gehört, hätte ich mich auch richtig eklig gefunden.“
Im Gespräch mit Matze Hielscher, dem Gastgeber des Podcasts, plädiert Mischke zudem für eine größere Sorgfalt der Medien. Er selbst sei von den meisten Journalisten nie direkt zur Stellungnahme gefragt worden. Stattdessen hätten vor allem Meinungs- und Behauptungsstücke dominiert. Mit Nachdruck warnt er vor den potenziell tödlichen Konsequenzen: „Irgendwann bringt sich jemand um.“
Anmerkung der Redaktion
Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über (mögliche) Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen.
Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.
Auch für Berlin gibt es einen Krisendienst. Unter www.berliner-krisendienst.de finden Sie neun Telefonnummern zu den verschiedenen Standorten. Auch dort sind rund um die Uhr qualifizierte Fachkräfte telefonisch erreichbar.
Heute arbeite Mischke weiterhin als Reporter für „ProSieben“ und sagt, er habe sich wieder stabilisiert. Die Geschehnisse rund um das ARD-Debakel hätten ihm jedoch vor Augen geführt, wie sehr öffentliche Debatten Menschen und ihre Familien an die Grenze des Ertragbaren bringen können.
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