Tipps von der Expertin: Wie Weihnachten für Demenzkranke schön werden kann – Ebersberg | ABC-Z

Musik, Lichter, viele Menschen, die zusammenkommen: Was für gesunde Menschen gerade den Reiz der Advents- und Weihnachtszeit ausmacht, kann Demenzkranke verunsichern und verwirren. Die Tage verlaufen anders als sonst, die vertrauten Bezugspersonen haben vielleicht nicht ganz so viel Zeit wie üblich. Doch gerade die Rituale der Weihnachtszeit können Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, sie dennoch zu genießen, das weiß Dietlinde Pointner, Pflegeberaterin und Demenzexpertin beim Pflegestützpunkt in Grafing, auch aus eigener Erfahrung: Sie kümmert sich um ihre 83 Jahre alte Mutter, die an Demenz leidet. Ihr Tipp: die Erwartungen nicht zu hoch stecken. „Man muss das Fest so feiern, wie es für den Demenzkranken gut ist. Nicht so, wie wir selbst es uns vorstellen“, sagt sie.
Eine Sache gilt für alle Tipps, die Dietlinde Pointner gibt: Allgemeingültig sind sie nicht, alles hängt vom Einzelfall ab und natürlich davon, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist. „Es ist unglaublich wichtig, die Biografie der erkrankten Person zu betrachten“, sagt die 53-Jährige. Rituale sind eingeübte Abläufe, die Menschen selbst dann noch ausführen können, wenn andere kognitive Fähigkeiten nachgelassen haben – dass sie funktionieren, setzt also voraus, dass sie den Betroffenen vertraut sind.
Plätzchen, Kerzen und Päckchen: Wie die Adventszeit schön werden kann
Hat etwa die an Demenz erkrankte Mutter ein Leben lang gern gebacken, hatte sie Freude an kulinarischen Weihnachtsvorbereitungen? Dann ist die Chance groß, dass der Duft von Plätzchen in ihr schöne Erinnerungen weckt, dass sie auch jetzt noch Freude daran hat, beim Backen mitzuhelfen. „Das Teigkneten kann die Fingermotorik stärken und Stress abbauen“, sagt Dietlinde Pointner. Kleine Teigmengen, nichts zu Anspruchsvolles, kein Anspruch auf Perfektion – so kann ein gemeinsamer Backnachmittag Spaß machen. Ähnliches gilt fürs Weihnachtsbasteln. Wer früher gern Strohsterne gebastelt oder den Adventskranz dekoriert hat, dem könne man diese Aufgaben trotz Demenzerkrankung anbieten. Pointner rät aber davon ab, jemanden, der sein Leben lang damit nichts am Hut hatte, mit Bastelarbeiten beschäftigen zu wollen – das könne eher Gereiztheit auslösen.
Wenn es ums Einpacken von Geschenken geht, helfen nach Erfahrungen Pointners viele Demenzkranke sehr gern – auch das hilft überdies dabei, die noch vorhandenen Ressourcen lange aufrechtzuerhalten. Knicken, falten, kleben, Schleifen binden: Das kann Unruhe abbauen, entspannen, die Feinmotorik unterstützen – ähnlich wie die speziell für Demenzkranke entwickelten Nesteldecken aus verschiedenen Materialien, die mit Schleifen und Knöpfen besetzt sind und den Händen der Betroffenen etwas zu tun geben. Dietlinde Pointners Tipp: Papier auswählen, das nicht allzu starr ist und auch nicht so leicht einreißt, vielleicht sogar gleich Tücher zum Einpacken verwenden, dazu breite, weiche Bänder. „Denn eine Niederlage ist nie schön, Erfolg macht dagegen unglaublich Spaß, das ist auch bei Demenzkranken nicht anders“, sagt sie.
Was fürs Einpacken gilt, gilt übrigens auch fürs Auspacken: Die Geschenke sollten so verpackt sein, dass die Beschenkten die Schleifen ohne Frust selbst aufschnüren können. Zu viel sollte nach Erfahrungen Pointners nicht unter dem Christbaum liegen, aber gerade kleine Geschenke, die schöne Erinnerungen wachrufen wie etwa Fotobücher und Kalender, kommen meist sehr gut an und werden noch lang nach Weihnachten wertgeschätzt. Ein besonderer Tipp der Expertin: Das klassische Memory-Spiel kann man mit eigenen Fotos von der Familie oder aus der Vergangenheit des Beschenkten gestalten lassen – da macht es gleich doppelt Freude, wenn man die richtigen Kärtchen aufdeckt.

Adventskonzerte, Weihnachtsmärkte, Verwandtenbesuche – Aktivitäten also, die für viele Menschen in der Vorweihnachtszeit eine große Rolle spielen, können auch Demenzkranken Freude bereiten, immer vorausgesetzt, dass ihre Sinne nicht überfordert werden. „Ich würde zum Beispiel mit meiner Mama nie zum Christkindlmarkt auf dem Münchner Marienplatz gehen, obwohl sie das früher sehr gemocht hat“, erzählt die Pflegeberaterin, die in St. Wolfgang im Landkreis Erding lebt, „aber ich war mit ihr auf einem kleinen Christkindlmarkt in einer Einrichtung hier in der Region. Da gab es sieben Stände, keinen großen Trubel, das hat ihr sehr gefallen“. Außer Trubel sollte man bei so einem Christkindlmarktbesuch möglichst die Dunkelheit meiden, die viele Kranke ängstigt und verunsichert, lieber sollte man mittags oder am frühen Nachmittag vorbeischauen, rät Pointner.
Konzerte lieber im kleinen Rahmen und nicht zu lang
Ebenso ist in vielen Fällen ein großes, festliches Weihnachtskonzert wohl zu viel für Demenzbetroffene – Konzerte oder Veranstaltungen in kleinem Rahmen können sie hingegen oft noch genießen. Das gilt auch für andere Veranstaltungen. Viele ältere Menschen liebten beispielsweise die „Brettl-Spitzen“, erzählt Dietlinde Pointner, doch statt im lauten, vollen Hofbräuhaus in München könne man diese auf Tour in kleineren Veranstaltungsorten in der Region erleben, das sei für Betroffene wie Betreuer entspannter. Wenn die Angehörigen ihr Leben lang klassische Musik geliebt haben, seien Generalproben der Münchner Philharmoniker oder spezielle Seniorenkonzerte eine gute Alternative zum klassischen Konzertabend mit langem Programm, rät die Pflegeberaterin.
Eins verbindet alle ihre Ratschläge: der Appell, sich nicht dadurch zu stressen, dass man alles wie immer und besonders schön machen will. Alles eine Stufe einfacher, pragmatische Lösungen, das helfe dabei, den Advent nicht als Stress zu empfinden, sagt Pointner. Ein Adventskranz mit echten Kerzen mag schön sein, aber schon ohne Demenz bestehe die Gefahr, dass man mal eine brennende Kerze vergesse, wenn man in einen anderen Raum gehe, „aber bei Demenzkranken kann man davon ausgehen, dass die Kerze vergessen wird“. Die Lösung: komplett ungefährliche LED-Kerzen.
Perfekt muss gar nichts sein
Schwer fällt es nach Pointners Erfahrungen vielen Angehörigen, sich selbst von der Vorstellung zu verabschieden, wie ein schönes Weihnachtsfest zu sein hat oder dass man Demenzkranken durch großen Aufwand etwas Besonderes bieten muss. Obwohl Pointner ja bei dem Thema eine Expertin ist, hat sie hier durch eigene Erfahrungen noch einiges dazugelernt. „Wir haben manchmal Dinge organisiert, weil wir es gut gemeint haben. Aber letztlich war es dann nicht gut“, sagt sie und erzählt von einer Frau, die lange dachte, sie müsse ihre Mutter einfach an Weihnachten aus dem Pflegeheim holen, um ihr daheim ein schönes Fest zu bereiten.
Dann ging es irgendwann wirklich nicht mehr, die Frau verbrachte den Nachmittag mit ihrer Mutter im Heim, brachte Kaffee und Kuchen und sogar das gute Geschirr von zu Hause mit und konnte am Ende nicht allzu traurig heim zu ihrem eigenen Weihnachtsfest gehen. „Aber der Schritt dahin ist einfach schwierig“, räumt Dietlinde Pointner ein. „Das schlechte Gewissen wegschieben“, das sei wichtig, aber schwer für viele.
Das Weihnachtsfest im Kreise der Familie ist für viele Demenzkranke schön, aber oft auch sehr anstrengend. Pointners Tipp: nicht zu viele Gäste einladen, Rückzugsmöglichkeiten für die Demenzkranken anbieten und die Gäste darüber informieren, was geht und was nicht. Kein aufwendiges Menü – lieber bringt jeder ein bisschen was zur gemeinsamen Feier mit. Bei den Vorbereitungen helfen die Demenzkranken oft gern, Tischdecken etwa funktioniere relativ lang gut, sagt die Expertin. Doch auch das sollte man entspannt angehen: „Es ist doch egal, wo der Löffel liegt – Hauptsache, wir haben einen Löffel.“





















