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Tierschutz: Aktivisten nach Schlachthof-Einbruch verurteilt – Wissen | ABC-Z

Es ist ein hoch umstrittenes Verfahren und zugleich gängige, legale Praxis: die CO₂-Betäubung von Schweinen in Schlachthöfen. Kritiker halten sie für Tierquälerei, Befürworter für die einzig wirtschaftliche Methode. Am Landgericht Oldenburg stand sie im Mittelpunkt eines Rechtsstreits. Ebenso wie der Hausfriedensbruch, über den Bilder aus einer solchen Anlage an die Öffentlichkeit gekommen sind.

Am Mittwoch hat eine Zivilkammer dort ihre Entscheidung gefällt und zwei Tierrechtsaktivisten aus Berlin verurteilt, die im Frühjahr 2024 in einen Schlachthof im niedersächsischen Lohne eingedrungen waren. Eine der Beklagten hatte verdeckt Filmkameras an einer CO₂-Betäubungsanlage angebracht und die Bilder später unter anderem der ARD sowie der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch (Ariwa) zur Verfügung gestellt. Der Vorwurf der Aktivisten: Die Bilder würden beweisen, wie tierschutzwidrig das Verfahren sei. Der Betreiber des Schlachthofs hatte auf Unterlassung und Schadenersatz geklagt.

Die Richter gaben dem Kläger weitgehend recht. Die Aktivisten Anna Schubert und Hendrik Hassel begingen Hausfriedensbruch und müssen dafür zahlen, wie das Landgericht Oldenburg urteilte. Schubert soll darüber hinaus Schadenersatz zahlen, weil sie die Aufnahmen von der Betäubung veröffentlicht hat. Hassel konnte die Verbreitung der Aufnahmen nicht nachgewiesen werden. Niko Brand, Geschäftsführer der Firma Brand Qualitätsfleisch, hatte von Rufschädigung gesprochen und den Schaden auf 98 000 Euro beziffert. Dieser sei ihm durch den Hausfriedensbruch und die Folgen der Videoveröffentlichung unter anderem in den Medien entstanden. Die genaue Höhe des Schadenersatzes muss in einem gesonderten Verfahren geklärt werden.

Geschätzt 80 Prozent aller Schlachtschweine werden in Deutschland auf diese Weise betäubt

Die Bilder aus der CO₂-Betäubungsanlage hatten unter anderem das ARD-Magazin „Plusminus“ und der NDR gezeigt. Zu sehen sind jeweils etwa fünf Schweine in vergitterten Gondeln, die in einen neun Meter tiefen Schacht herabgelassen werden, in dem sich eine hochkonzentrierte CO₂-Atmosphäre befindet. Der Enge und dem Gas ausgesetzt, geraten die Schweine in Panik, reißen ihre Mäuler auf, fangen an zu schreien. Nach Angaben der Aktivisten war es das erste Mal, dass Bilder aus einem großen CO₂-Paternoster eines deutschen Schlachthofs ans Licht kamen.

Geschätzt 80 Prozent aller Schlachtschweine werden in Deutschland auf diese Weise betäubt. Die Methode ist in der EU legal. Dennoch steht sie seit Jahren in der Kritik, nicht nur bei Tierschützern. Kritiker sagen, sie widerspreche nicht nur dem deutschen Tierschutzgesetz, sondern sogar dem Grundgesetz, in dem der Tierschutz seit 2002 als Staatsziel verankert ist.

Die Oldenburger Richter verpflichteten die Aktivistin Anna Schubert, das Bildmaterial nicht weiter zu verbreiten und auf die NGO Ariwa einzuwirken, Videos und Fotos wieder aus dem Netz zu nehmen. Sie sei mediale Repräsentantin der Organisation. Die Verbreitung durch unabhängige Medien bleibt davon unberührt.

Das Videomaterial stoße auf ein erhebliches Informationsinteresse der Verbraucher, sagen die Richter

Dem Vorwurf von Niko Brand, die Aktivisten hätten die Tonspur des Filmmaterials manipuliert, folgte die Kammer allerdings nicht. Die Zuschauer würden „treffend informiert“, Bilder und Tonspur zeigten die „tatsächlichen Verhältnisse“, heißt es in der Urteilsabwägung. Das Material stoße auf ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Verbraucher, finde die CO₂-Betäubung doch im Verborgenen statt. Die Richter halten Anna Schubert zugute, dass sie mit dem Video eine Diskrepanz zwischen den Vorstellungen vieler Verbraucher von der Schlachtung und den tatsächlichen Umständen aufzeige – und beziehen sich auch konkret auf den Schlachthof in Lohne, der mit hohen Tierwohlstandards wirbt.

Auf der anderen Seite, so das Gericht, sei die CO₂-Betäubung eine zulässige Methode und es liege keine akute Notstandssituation vor. In der Abwägung unterliege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit den unternehmensbezogenen Interessen des Schlachthofs. Zudem dürften keine Anreize geschaffen werden, Missstände in Betrieben durch rechtswidrige Methoden aufzudecken.

Niko Brand äußerte sich zufrieden über das Urteil. „Wir freuen uns über die klare Entscheidung zugunsten unseres Unternehmens und die damit verbundene klare gerichtliche Absage an das Geschäftsmodell der selbsternannten Tierrechtler und ihrer auf Spendenkampagnen ausgerichteten Tierrechtsvereine“, schrieb er in einer Stellungnahme. Die CO₂-Betäubung sei die zugelassene Standardmethode bei Schweinen und werde in seinem Betrieb „tierschutzkonform und unter ständiger Aufsicht durchgeführt“.

Aus Sicht von Benjamin Lück, dem Anwalt von Anna Schubert und Hendrik Hassel, haben es sich die Richter an entscheidenden Stellen zu leicht gemacht. „Den Widerspruch zwischen dem Staatsziel des Tierschutzes und dem geltenden EU-Recht machen sie nicht auf“, sagte er in einer Online-Pressekonferenz unmittelbar nach Bekanntgabe des schriftlichen Urteils. Im Kern sage das Gericht: „Das Leid ist zutreffend, aber zulässig.“ Die öffentliche Diskussion um die CO₂-Betäubung sei noch viel zu klein.

Anna Schubert und Hendrik Hassel kündigten an, in Berufung zu gehen. „Wir werden dafür kämpfen, dass die Bilder weiter in der Öffentlichkeit bleiben“, sagte Hassel. Dass sie die Videos nicht mehr zeigen und verbreiten dürfen, bezeichnete Schubert als einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Im Mittelpunkt stehe für sie die Frage: „Was ist ein Hausfriedensbruch im Vergleich zum Todeskampf der Schweine?“

Für die Tierschützer könnte der Einbruch auch noch strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft hat den Erlass von Strafbefehlen beantragt. Der Vorwurf: Die beiden Aktivisten haben Beihilfe zum Hausfriedensbruch begangen. Der Fall liegt nun beim Amtsgericht Vechta. „Die Sache befindet sich in der Prüfung“, teilte ein Sprecher des Amtsgerichts mit. Noch sei unklar, ob die Strafbefehle erlassen werden. Dann könnte das Gericht eine Strafe verhängen, ohne dass es zu einer Verhandlung kommt. Die Aktivisten hätten in dem Fall zwei Wochen Zeit, um dagegen Einspruch einzulegen.

Mit Material der dpa.

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