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Tiefststand seit 15 Jahren: Menschen in Deutschland leben immer seltener im Eigenheim | ABC-Z


Tiefststand seit 15 Jahren

Menschen in Deutschland leben immer seltener im Eigenheim

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In Deutschland gibt es in den 50er Jahren den Traum vom Eigenheim für jedermann. Eine aktuelle Studie zeigt, dass 2022 die Eigentümerquote so niedrig ist, wie seit 15 Jahren nicht mehr. Und: Änderung ist kaum in Sicht. Der Baustoff-Bundesverband schlägt Alarm und fordert von der neuen Bundesregierung ein Wendejahr.

Der ohnehin im europäischen Vergleich sehr niedrige Anteil der Wohnungseigentümer in Deutschland ist nach einer neuen Studie weiter gesunken. Im Jahr 2022 wohnten nur noch 43,6 Prozent der Haushalte in den eigenen vier Wänden, gut ein Prozentpunkt weniger als 2011, meldete das Pestel-Institut unter Berufung auf im vergangenen Jahr veröffentlichte Mikrozensus-Zahlen. Das ist der niedrigste Wert seit 15 Jahren. Der langsame, nahezu kontinuierliche Anstieg der Wohneigentumsquote in den vorangegangenen Jahrzehnten ist demnach gestoppt.

Im Vergleich unter 19 europäischen Ländern liegt Deutschland der Studie zufolge auf dem vorletzten Platz – im Verhältnis noch weniger Wohnungseigentümer gibt es demnach nur in der Schweiz. Chef-Ökonom Matthias Günther machte “politisches Versagen” für die Trendwende verantwortlich: “Für Durchschnittsverdiener ist die Chance auf Wohneigentum heute gleich null.” Auftraggeber der auf der Münchner Messe “Bau” veröffentlichten Studie war der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB).

Österreich besser als Deutschland

Auf dem ersten Platz der 19 europäischen Länder liegt die Slowakei, dort leben laut Studie gut 90 Prozent im eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung, ähnlich hoch ist sie in Ungarn. Die Niederlande kommen auf mehr als 60 Prozent. In Dänemark und Frankreich liegen die Eigentumsquoten jeweils unter 50 Prozent. Was die deutschsprachigen Länder betrifft, schneidet Österreich am besten ab: Dort liegt die Wohneigentumsquote zumindest deutlich über der Hälfte.

Doch auch innerhalb Deutschlands gibt es laut Pestel-Institut immense regionale Unterschiede: Schlusslicht ist demnach Leipzig mit einer Eigentumsquote von nur gut 13,3 Prozent. An der Spitze steht mit 72,3 Prozent der an Frankreich angrenzende Landkreis Südwestpfalz in Rheinland-Pfalz. Unter den Bundesländern liegt das Saarland mit 58,6 Prozent vor Rheinland-Pfalz (53,5 Prozent) an der Spitze, auch Baden-Württemberg und Niedersachsen liegen mit jeweils gut 50 Prozent deutlich über dem deutschlandweiten Schnitt. Am Ende der Tabelle belegt Berlin mit 15,8 Prozent den letzten Platz noch hinter Hamburg (21,2).

Generell ist die Wohneigentumsquote in den Städten mit 25 Prozent weniger als halb so hoch wie in ländlichen Regionen: Der durchschnittliche Eigentümeranteil in den Landkreisen liegt laut Pestel-Institut bei 52,2 Prozent.

Mietanstieg trägt zur Altersarmut bei

Die Autoren kritisieren die Entwicklung scharf; nicht zuletzt, weil die stetig steigenden Mieten in den Städten zur Altersarmut beitragen. “Für viele Seniorenhaushalte wird die Miete zur K.O.-Miete”, sagte Studienleiter Matthias Günther mit Blick auf ältere Mieter, die sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können und deswegen umziehen müssen.

In einer Modellrechnung vergleicht das Institut zwei Haushalte mit identischem Durchschnittseinkommen aus je einer Vollzeit- und einer Halbtagsstelle und identischer 100-Quadratmeter-Wohnung. Beim Erreichen des Rentenalters würden demnach einem Eigentümerhaushalt nach Abzug aller Kosten 2200 Euro netto zum Leben verbleiben, einem Mieterhaushalt nur 1450 Euro. “Die Miete zwingt die Menschen dazu, im Alter den Gürtel erheblich enger zu schnallen”, sagte Günther dazu.

Vor allem eine effektive Förderung fehle. Diese müsse eine künftige Bundesregierung wieder einführen. Zudem forderte das Pestel-Institut einen staatlichen Kredit mit niedrigem Zins für Menschen ohne viel Eigenkapital. Auch die Grunderwerbssteuer müsse erlassen werden, wenn Immobilienbesitzer selbst in ihrem Haus oder ihrer Wohnung leben.

Forderung: Bund soll Eigentumserwerb fördern

Der Baustoff-Bundesverband als Auftraggeber forderte ebenso wie das Pestel-Institut eine verlässliche Förderung des Bundes für den Erwerb der eigenen Wohnimmobilie. “Das Bundesbauministerium hat bislang zielsicher am Wohnungsmarkt und damit am Leben der Menschen vorbei gefördert”, kritisierte BDB-Präsidentin Katharina Metzger. Sie rief die Parteien vor der Bundestagswahl auf, “den Menschen wieder eine Perspektive auf die eigenen vier Wände zu geben – und das nicht als bloßes Wahlversprechen, sondern als Vorsatz für die künftige Regierungsarbeit”. 2025 müsse zum “Bau-Wendejahr” werden.

Um ein weiteres Absinken der ohnehin niedrigen Eigentumsquote Deutschlands zu stoppen und den Abwärtstrend umzukehren, müsse die Politik handeln. Ziel sollte sein, pro Jahr 500.000 Haushalte in die Lage zu versetzen, sich zum ersten Mal Wohneigentum, das sie selbst nutzen, anzuschaffen.

Die deutschen Daten des Pestel-Instituts stammen aus dem Mikrozensus 2022. Die Erhebungen von Immobilienverbänden, Banken und Kreditvermittlern deuten darauf hin, dass sich die Lage sowohl für Mieterinnen und Mieter als auch für Kaufinteressenten in den vergangenen zwei Jahren verschärft und nicht verbessert hat.

Ein Beispiel: Nach Zahlen des Immobilienverbands Deutschland Süd sind die Neuvertragsmieten in München allein von Frühjahr bis Herbst 2024 um 4,4 Prozent gestiegen, obwohl der Preisrückgang bei zum Kauf angebotenen Wohnimmobilien noch nicht gänzlich gestoppt war. Der Neubau von Eigentumswohnungen und Häusern ist seit 2022 stark zurückgegangen, weil der gleichzeitige Anstieg von Zinsen und Baukosten den Kauf für viele Interessierte unerschwinglich gemacht hat. Etliche Fachleute und Ökonomen erwarten in diesem Jahr einen weiteren Rückgang des Wohnungsbaus. Da der Wohnungsbedarf in den Städten unverändert hoch ist, werden die Mieten voraussichtlich weiter steigen.

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