Thailand: Regierungschefin nennt kambodschanischen Politiker „Onkel“ – und wird des Amtes enthoben | ABC-Z

Tausende sind bereits gegen die thailändische Regierungschefin auf die Straße gegangen. Anlass war ein geleaktes Telefonat zwischen Paetongtarn Shinawatra und einem Politiker aus Kambodscha. Dabei wirkten die beiden allzu vertraut.
Das thailändische Verfassungsgericht hat Ministerpräsidentin Paetongtarn Shinawatra vom Amt suspendiert. Die Richter nahmen am Dienstag eine Petition an, in der Paetongtarn ein schwerwiegender Verstoß gegen ethische Grundsätze vorgeworfen wird. Zugleich suspendierten sie die Regierungschefin bis zum Abschluss der Ermittlungen vom Amt. Paetongtarm äußerte sich bislang nicht.
Sie steht wegen ihrer Reaktion auf einen Grenzzwischenfall Ende Mai in der Kritik, bei dem ein kambodschanischer Soldat getötet wurde. Vergangene Woche wurden dann Inhalte eines Telefonats zwischen Paetongtarn und dem kambodschanischen Senatspräsidenten Hun Sen bekannt.
Auf der Aufnahme ist zu hören, wie Paetongtarn den zuständigen thailändischen Kommandeur als „einen Gegner“ bezeichnet. Den mit ihrer Familie befreundeten Hun Sen nennt sie dagegen „Onkel“. Die Anrede drückt Höflichkeit und Respekt aus. Kritiker werfen ihr vor, sie habe Hun Sen geschmeichelt, Thailand dagegen schwach aussehen lassen. Die Bhumjaithai-Partei erklärte, sie werde die Koalition verlassen, weil die Aufnahme „Auswirkungen auf Thailands Souveränität, Territorium, Interessen und die Armee“ habe. Paetongtarn solle die Verantwortung für den Schaden übernehmen. Konkreter wurde die Partei nicht.
Die Antikorruptionsbehörde hat erklärt, sie ermittle wegen des Telefonats gegen Paetongtarn. Dies könnte die Regierungschefin das Amt kosten. Das Verfassungsgericht ist zwar offiziell unabhängig, gilt aber als Bollwerk des konservativen Establishments. Es hatte bereits Paetongtarns Vorgänger Srettha Thavisin des Amtes enthoben und die Oppositionspartei Move Forward aufgelöst, die bei der Parlamentswahl 2023 die meisten Stimmen gewann.
Nationalistische Kritiker werfen Paetongtarn eine Beschwichtigungspolitik vor und verlangen ihren Rücktritt. Ihr wichtigster Koalitionspartner trat aus der Regierung aus. Am Wochenende demonstrierten Tausende gegen Paetongtarn. Unter den Teilnehmern waren viele Vertreter der sogenannten Gelbhemdenbewegung, die mit gelber Kleidung ihre Loyalität zur Monarchie demonstriert und schon gegen Paetongtarns Vater Thaksin Shinawatra und dessen Schwester Yingluck Shinawatra auf die Straße gingen. Beide waren ebenfalls Regierungschefs und wurden 2006 beziehungsweise 2014 vom Militär gestürzt, nachdem Proteste in Gewalt umgeschlagen waren.
Die aktuelle Regierungskrise ist die jüngste in einer Reihe von Krisen. Die thailändische Politik hat zwei Jahrzehnte chronischer Instabilität hinter sich, in der es immer wieder zu Putschen, Straßenprotesten und folgenreichen Gerichtsbeschlüssen kam.
Dafür verantwortlich ist auch der seit Langem andauernde Machtkampf des Militärs und des königstreuen Establishments gegen den Einfluss progressiver Parteien des Landes und der schwerreichen Familie Shinawatra, die Thailand lange regiert hatte. Paetongtarns Vater Thaksin und ihre Tante Yingluck waren 2006 und 2014 jeweils durch einen Militärputsch gestürzt worden.
dpa/AP/kami