Kultur

Teuflische Logik: Des Teufels Bad | ABC-Z

Die öffentliche Zurschaustellung der Leiche einer durch das Schwert getöteten Frau im blutbefleckten Gewand schockiert. Neben ihr im Käfig liegt der abgeschlagene Kopf. Sie hat einen Säugling in den Wasserfall geworfen und wurde dafür hingerichtet. Kein Einzelfall. Sukzessive erfahren wir, warum Frauen im 18. Jahrhundert Morde als Befreiungsakt begehen.

Unterdrückung, harte Arbeit, Hoffnungslosigkeit: Das Oberösterreich des Jahres 1750 ist eine menschen- und frauenfeindliche, patriarchalische Welt. Frauen müssen funktionieren, für den Nachwuchs sorgen und den Mund halten.

1750, Östereich: die Fau ist schuld, wenn es keine Kinder gibt. Nach einem Zusammenbruch schleppt Ehemann Wolf (David Scheid) die erschöpfte Agnes (Anja Plaschg) durch den Wald nach Hause.
© Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm
1750, Östereich: die Fau ist schuld, wenn es keine Kinder gibt. Nach einem Zusammenbruch schleppt Ehemann Wolf (David Scheid) die erschöpfte Agnes (Anja Plaschg) durch den Wald nach Hause.

von Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm

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Besser morden als das Seelenheil verspielen

Eine von ihnen ist die tiefkatholische Agnes (Anja Plaschg, sie komponierte als Soap&Skin auch die Filmmusik). Sie wird mit einem fremden Mann im Nachbarort verheiratet und träumt von einem Familienleben. Die Hochzeit findet noch bei Sonnenschein im “Goldenen Herbst” statt, ab dann wird’s finster. Ihr Angetrauter (David Scheid) zeigt wenig Interesse am Beischlaf, liebäugelt mit einem anderen Burschen.

Depression: nicht vorgesehen

Natürlich ist sie schuld an ihrer “Unfruchtbarkeit”, die das Leben unter der Knute der herrschsüchtigen Schwiegermutter (Maria Hofstätter) noch schwerer macht. Sie fällt in eine schwere Depression, “in Teufels Bad” wie man Melancholie und Schwermut damals nannte, und kommt dort nicht mehr heraus. Und wer im Bett liegenbleibt und dem lieben Gott den Tag stiehlt, gilt obendrein als faul. Als sie in ihrer Verzweiflung Rattengift schluckt, muss sie sich einer sinnlosen Therapie unterwerfen, ihr wird ein Faden durch die Nackenhaut gezogen, den sie hin- und herschieben muss, damit das Gift den Körper verlässt. Eine Qual und sie will nur eins: “Wegsein aus der Welt”. Da für Selbstmord als Todsünde die ewige Verdammnis droht, bleibt nur der Umweg über den Mord und damit die Todesstrafe – die wird dann so etwas wie legaler und bewusster Suizid. Eine Erlösung.

400 Fälle dokumentiert

Das Phänomen des “mittelbaren Selbstmords” war lange unbekannt, obgleich über ein Jahrhundert in Europa, vor allem in Deutschland, Österreich, Schweden, England und Frankreich verbreitet. Allein im deutschen Sprachraum sind über 400 Fälle dokumentiert, hauptsächlich Kindsmörderinnen.

Veronika Franz und Severin Fiala stützen sich auf historische Gerichtsprotokolle und entwickelten daraus das Psychogramm der Hauptfigur, die wie so viele gefangen sind im Netz von Glaube und Aberglaube. Schauspielerisch eine Glanzleistung von Anja Plaschg ist die Szene, in der sie die Beichte ablegt und der Schmerz aus ihr herausbricht. Das Perverse: Durch die Beichte gereinigt und von Sünden losgesprochen, konnten die Täterinnen nun auf das Himmelreich hoffen.

Regiseure: Veronika Franz und Severin Fiala.
© DTB Ian Rainer / Ulrich Seidl Filmproduktion
Regiseure: Veronika Franz und Severin Fiala.

von DTB Ian Rainer / Ulrich Seidl Filmproduktion

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Großartige Wucht und Oscarbeitrag

Nicht nur emotional, auch visuell ist dieses abgründige Drama eine Wucht. Kameramann Martin Gschlacht, bei der Berlinale für seine Arbeit mit dem “Silbernen Bären” ausgezeichnet, fasziniert in dieser erschütternden Reise in eine erbarmungslose Vergangenheit mit seiner gewaltigen Fotografie einer grandiosen Landschaft und einer beklemmenden bäuerlichen Gemeinschaft unter dem Damoklesschwert religiöser Dogmen und Tabus.

Da reflektiert ein Karpfenteich das Grau des Himmels, absorbiert ein tiefer, dunkler Wald das Sonnenlicht. Große Kinobilder auf 35mm, wie man sie selten sieht, machen das Ungeheuerliche noch ungeheuerlicher. “Des Teufels Bad” geht für Österreich ins Oscarrennen.

Kino: City Atelier, Leopold
Regie: Veronika Franz und Severin Fiala (A 121 Min.)

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