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Terrorgefahr in Bayern: IS-Sympathisant in Augsburg festgenommen – Bayern | ABC-Z

Die Polizei hat am Mittwoch in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber einen 37 Jahre alten Iraker festgenommen. Der Mann hat Kontakte zum IS und gilt deshalb als potenzieller Gefährder. Laut Innenministerium gibt es entgegen anderslautender Medienberichte aber keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge, auch nicht auf den Christkindlesmarkt in Augsburg.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, dass der Fall zeige, wie sensibel jedem Hinweis auf mögliche Gefährder nachgegangen werde. „Seit Oktober dieses Jahres hatten unsere Sicherheitsbehörden den Iraker auf dem Schirm, unter anderem aufgrund von Hinweisen über Beiträge auf Social Media.“ Laut Sicherheitskreisen war er auch zu Besuch auf dem Augsburger Christkindlesmarkt und hat dort Fotos gemacht. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass die Bilder Grundlage für Anschlagspläne hätten sein sollen. Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft München teilt mit, dass sie wegen des Anfangsverdachts der Terrorismusfinanzierung sowie der Verbreitung von gewaltverherrlichenden Videos der Terrororganisation „Islamischer Staat“ ermittelt.

Das Landesamt für Asyl hatte am Mittwoch beim Amtsgericht Augsburg einen Haftbefehl gegen den 37-Jährigen für eine Abschiebehaft erwirkt. Die Abschiebeanordnung erfolgte nach Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes aufgrund „einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ – eben weil der Mann mit Kontakten zum IS als potenzieller Gefährder gilt. Der 37-Jährige sitzt nun in der Abschiebungshaftanstalt Eichstätt.

Innenminister Herrmann stellte klar, dass für Bayern derzeit keine konkreten Gefährdungshinweise vorlägen, auch mit Blick auf Christkindlmärkte. „Es gibt keinen Grund, aus Sicherheitssorgen auf einen Christkindlmarktbesuch zu verzichten.“ Dennoch sei die abstrakte Gefährdungslage insbesondere durch den islamistischen Terrorismus bundesweit weiterhin sehr hoch. Laut Herrmann stehen Polizei und Verfassungsschutz in Bayern zur Einschätzung der Gefährdungslage in einem engen und ständigen Austausch mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und der anderen Bundesländer.

Am Donnerstag hatte sich der bayerische Landtag in einer Anhörung mit der Bedrohung durch islamistischen Terror in Bayern auseinandergesetzt. Josef Schinabeck, der stellvertretende Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, sagte dabei, man habe „Anschlagsszenarien“ verhindern können – allerdings ohne Bezug auf die Festnahme in Augsburg am Mittwochabend zu nehmen. Ferner sagte Schinabeck, man bekomme „viele Ersthinweise von ausländischen Nachrichtendiensten“.

Die Expertinnen und Experten zeichneten ein besorgniserregendes Bild von der Bedrohung durch islamistischen Terror. „Möglicherweise rollt eine neue Welle auf uns zu“, warnte der Politikwissenschaftler Peter Neumann vom King’s College in London. Er präsentierte eine Aufstellung, wonach in den vergangenen acht Jahren insgesamt 45 in Deutschland wohnhafte Personen einen Anschlag geplant oder ausgeführt hätten. Dies sei zwar nur ein verschwindend geringer Anteil der zwei Millionen Flüchtlinge, die seit 2016 einen Asylantrag gestellt hätten, sagte Neumann. Dennoch falle auf, dass 90 Prozent der Attentäter Asylbewerber seien.

Junge Männer kämen oft mit falschen Erwartungen nach Deutschland und säßen dann jahrelang ohne Beschäftigung in Unterkünften, was die Gefahr der Radikalisierung erhöhe. Neumann forderte, die Asylverfahren müssten gestrafft und geordnet werden. Außerdem müsse der Staat entscheiden, wie es in der Frage der Migration weitergehen solle: Bei einer anhaltend hohen Zahl von Asylbewerbern brauche es erhöhte Integrationsanstrengungen. Wenn dies nicht möglich sei, müsse die Zahl der Asylbewerber reduziert werden.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Das Integrationsproblem kann man einfach nicht mehr lösen“, sagte er. Steinberg wies zudem auf Lücken bei der Überwachung von Extremisten im Internet hin: „Die Amerikaner werden uns nicht in alle Ewigkeit informieren.“ Deutlich wurde in der Anhörung, dass die deutschen Geheimdienste aus rechtlichen und technischen Gründen häufig im Dunkeln tappen. Schinabdeck vom Landesamt für Verfassungsschutz sagte, nötig sei die Ausweitung „technischer Tools“, wie etwa der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Das erfordere jedoch die Anschaffung teurer Rechenkapazitäten.

Staatsanwältin Rita Vavra von der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus räumte ein, dass es den Strafverfolgungsbehörden bei den Ermittlungen effektive Instrumente fehlen. „Die Überwachung verschlüsselter Kommunikation kommt quasi nicht zum Einsatz“, sagte sie. Die Ermittlungsbehörden seien daher in gewissem Maße taub. Dabei spiele die Online-Radikalisierung eine immer größere Rolle. Bei Verdächtigen finde man auf den Handys eine große Menge an Propagandamaterial, das der Verrohung und Gewöhnung an Gewalt Vorschub leiste.

Mouhanad Khorchide vom Zentrum für Islamische Theologie in Münster verwies wie andere Experten darauf, dass die Religion bei jugendlichen Extremisten eine immer kleinere Rolle spiele. Vielmehr stehe eine anti-westliche, moralisierende Rhetorik im Vordergrund, die sie als Opfer von Diskriminierung darstelle. Seiner Einschätzung nach werde dies von Algorithmen gefördert, die auf sozialen Medien negative Botschaften besonders herausstellten. Khorchide forderte, man müsse dem eine positive Großerzählung im Internet gegenüberstellen: „Uns geht es gut, wir können hier aufsteigen auf dem Arbeitsmarkt.“

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