Tennisprofi Alexander Zverev: „Es war nicht die schlaueste Entscheidung“ – Sport | ABC-Z

Es gab Zeiten, da waren die ersten beiden Turniertage der BMW Open, an denen die Qualifikation ausgetragen wird, eher beschaulich. Platz auf der Anlage des MTTC Iphitos fand man überall, in der Regel regnete es, während sich Hinterbänkler aus der Tennisweltrangliste um vier freie Hauptfeldplätze bewarben. Schon gar nicht jedenfalls herrschte gleich am frühen Morgen ein Andrang vor dem Klubhaus wie an diesem herrlichen Frühlingssamstag.
Die Besucher strömten in Scharen mit euphorischem Stechschritt Richtung Einlass, auffallend viele Kinder und Jugendliche waren darunter. Die Atmosphäre hatte etwas von Aufbruchsstimmung, und tatsächlich bricht die Münchner Profitennisveranstaltung gerade in eine neue Ära auf. Als 500er und nicht mehr 250er-ATP-Turnier (der Sieger erhält 500 Weltranglistenpunkte) ist ab sofort alles größer, ein provisorisches Stadion schmückt die Anlage, das Preisgeld beträgt nun satte 2,5 Millionen Euro (zuvor 600 000). Das kommt auch bei den Spielern gut an. „Es ist schön zu sehen, dass sich München, die Anlage und das Turnier weiterentwickeln“, sagte Alexander Zverev und prognostizierte: „Wenn das Wetter so bleibt, dann hoffe ich mal, dass es eine gute Woche wird.“ Die Aussichten klingen vielversprechend.
„Letztes Jahr nach den US Open habe ich bis Paris auch nicht viel gewonnen“
Deutschlands bester Tennisprofi gab am Samstagnachmittag bei einer Pressekonferenz Auskunft über sein Befinden. Dass er mit 42 Minuten Verspätung erschien, lag daran, dass er länger als geplant mit dem US-Amerikaner Marcos Giron trainiert hatte, anschließend geduldig Autogramme schrieb und Selfies über sich ergehen ließ. Aufbruchsstimmung strahlte Zverev zwar nicht ganz aus, und doch soll München, nicht zum ersten Mal in seiner Karriere, frische Impulse in dieser Phase der Saison setzen. So ein klitzekleiner spielerischer Turnaround wäre hilfreich, wenngleich Zverev seine sportliche Lage weniger dramatisch einordnete als manch Beobachter zuletzt. Seit seinem verlorenen Australian-Open-Finale Ende Januar hatte er kein Viertelfinale mehr erfolgreich bestritten und war jüngst in Monte-Carlo früh am Italiener Matteo Berrettini gescheitert.
Er habe „immer mal wieder“ solche Phasen gehabt, in denen er mit der Form haderte, betonte Zverev. „Letztes Jahr nach den US Open habe ich bis Paris auch nicht viel gewonnen. Als ich nach meiner Verletzung zurückgekommen bin, habe ich gar nichts gewonnen“, sagte er, bezugnehmend auf seine Bänderrisse im Fußgelenk 2022 bei den French Open. Für den 27-Jährigen bedeutete die zuletzt für ihn unbefriedigende Bilanz, dass er – immer noch die Nummer zwei der Weltrangliste – die Chance verpasste, zur Nummer eins zu werden. Der Branchenbeste Jannik Sinner aus Italien, auch für München als Teilnehmer vorgesehen, sitzt noch seine dreimonatige Dopingsperre ab.
Zwar gab Zverev nun hinsichtlich seiner sechs Niederlagen seit Melbourne zu: „Klar, ich habe nicht sonderlich gut gespielt. Ich habe viele Matches verloren, die ich gewinnen hätte müssen.“ Doch für ihn steht fest: „Ich bin immer noch sehr zuversichtlich, dass ich jetzt und hoffentlich auch die nächsten Wochen gut spielen werde.“ Themis, die griechische Göttin der Gerechtigkeit, muss er jedenfalls nicht anjaulen. Ein bisschen Selbstverschulden bestreitet Zverev nicht.
Kurz nach den zehrenden Australian Open hatte er erstmals in Süd- und Mittelamerika Turniere bestritten und sowohl in Buenos Aires, Rio des Janeiro als auch in Acapulco gegen Gegner, die er normalerweise besiegt, verloren. Zverev betonte, dass ihm die Veranstaltungen Spaß gemacht hatten, er habe es genossen, auf diesem neuen Territorium zu agieren. Aber direkt nach dem Hartplatz der Australian Open auf Sand zu wechseln? „Es war nicht die schlaueste Entscheidung“, räumte Zverev ein. „Das ist mir klar. Aus Fehlern sollte man lernen.“ Und ja: „Ich glaube, es war ein Fehler im Rückblick.“
Schließlich habe er sich und seinem Körper keine Zeit gegeben, um zu regenerieren. Zu seiner eigenen Entlastung trug Zverev zwei Argumente vor, die nachvollziehbar waren. Erstens: Der Reisestress ergab sich dadurch, dass er bis in sein viertes Grand-Slam-Endspiel vorgestoßen sei, und das sei ihm immer lieber als früh zu scheitern. Und zweitens, die Verträge mit den Turnieren in Süd- und Mittelamerika habe er schon „sechs, sieben Monate davor“ abgeschlossen. „Ich habe ja oft gesagt, Tennis ist wie jeder andere Sport auch ein Business.“ Manchmal geht da eben die Rechnung auf, manchmal nicht.
Carlos Alcaraz könnte Zverev in der Weltrangliste nun überholen
Eine Krise muss man Zverev wohl noch nicht zuschreiben, zumal sich sein Augenmerk im großen Ganzen ohnehin verschoben hat. „Ich habe immer noch Vertrauen in mich selber, dass ich bis Paris anfangen werde, auf einem richtig guten Standard zu spielen, und Paris ist dann immer noch der Hauptfokus“, sagte er. Das sollte heißen: Die Grand-Slam-Turniere besitzen für ihn höchste Priorität, denn er will endlich einen Titel dieser Kategorie einmal gewinnen. Als kürzlich Boris Becker in Monte-Carlo bei Zverev auf dem Trainingsplatz stand und ihm offenbar Tipps gab und assistierte, nährte das natürlich sofort Spekulationen, die beiden könnten doch noch zusammenfinden. Zverev kommentierte dazu nun: „Ich habe es schon mal gesagt, wenn es Neuigkeiten gibt, werde ich es euch sagen. Aber es gibt keine Neuigkeiten.“
An diesem Sonntag steht Carlos Alcaraz im Finale des Masters-Turniers von Monte-Carlo, sollte er triumphieren, würde er Zverev in der Weltrangliste überholen. „Das ist schon ein Schritt nach vorne für ihn“, sagte Zverev zu seinem spanischen Rivalen. „Carlos ist jetzt, glaube ich, aus der Phase raus. Ich glaube, dass ich auch aus der Phase rauskommen werde demnächst.“ Sein Seelenheil scheint jedoch intakt zu sein. „Tennis ist wichtig, aber Tennis ist nicht alles im Leben für mich“, versicherte Zverev. „Ich gehe immer noch nach Hause, genauso wie ich mit Siegen nach Hause gehen würde. Es ändert nichts für mich. Die harte Arbeit tue ich schon seit 20 Jahren. Das ist jetzt nichts Neues für mich.“ In München trifft Zverev in der ersten Runde auf den Franzosen Alexandre Muller.